RLT-Anlagen sorgen für saubere Luft und weniger Kosten
15.09.2015 -
Das Universitätsklinikum Dresden schaltet seine Raumlufttechnischen Anlagen in den 40 OP-Sälen außerhalb der OP-Zeiten seit zwei Jahren komplett ab – mit großem Erfolg.
Gegenwärtig betreibt das Universitätsklinikum Dresden über 40 OP-Säle in unterschiedlichen medizinischen Fachrichtungen. Bisher wurden die Luftvolumenströme der Raumlufttechnischen Anlagen (RLT-Anlagen) in den operationsfreien Zeiten entsprechend den Forderungen der DIN 1946-4 (2008) auf die Hälfte reduziert. Seit zwei Jahren nun werden die Luftmengen nicht reduziert, sondern die RLT-Anlagen in den OP-Sälen komplett abgeschaltet. Damit betritt das Universitätsklinikum Dresden nur in Deutschland Neuland. In den Krankenhäusern Österreichs ist das seit Jahren gängige Praxis. Dort definiert die ÖNORM H 6020 (2007), dass RLT-Anlagen für Operationssäle in operationsfreien Zeiten komplett abgeschaltet werden können.
Beim Betrieb der RLT- Anlagen spielen neben Fragen der Regelungs- und Lüftungstechnik vor allem Aspekte der Krankenhaushygiene die dominierende Rolle. Bisher wurde postuliert, dass in den „lüftungsfreien“ Zeiten Mikroorganismen über die Raumluft in den Operationssaal eindringen und bei der folgenden Operation das Risiko von postoperativen Wundinfektionen erhöhen können. Eine Kosteneinsparung darf aber unter keinen Umständen mit einem erhöhten postoperativen Wundinfektionsrisiko für die Patienten erkauft werden. Folglich musste eine erhöhte Kontamination der Raumluft im OP-Saal durch aussagefähige Untersuchungsergebnisse vor der Umstellung der Betriebsweise der RLT-Anlagen sicher ausgeschlossen werden. Hierzu wurden die Einhaltung der Grenzwerte der DIN 1946-4 bezüglich der zulässigen Partikelanzahlen vor Beginn des OP-Betriebes bei einer Komplettabschaltung der RLT Anlagen untersucht. Außerhalb des regulären Operationsbetriebes wurden verschiedene Betriebszustände der RLT-Anlagen simuliert und umfangreiche Partikelmessungen durchgeführt.
Zur Bestimmung der tatsächlichen Energieeinsparung wurde eine ausgewählte RLT-Anlage, die zwei OP-Säle versorgt, komplett mit Medienzählern ausgerüstet. In einem Operationssaal erfolgte eine komplette Abschaltung der RLT-Anlagen außerhalb der OP-Zeiten. Im zweiten Operationssaal wurde gemäß DIN 1946-4 verfahren und die Luftmengen lediglich reduziert. Gemessen wurden die Verbrauchsmengen für alle Heiz- und Kühlmedien, die Dampfmengen zur Befeuchtung sowie die benötigte Elektroenergie für den Antrieb der Ventilatoren und Umwälzpumpen. Die Verbrauchsdaten liefen in einem engmaschigen Monitoring periodisch zusammen und wurden vom Hauptenergetiker des Klinikums ausgewertet.
Hohe Energieeinsparung
Im gegenwärtigen Betriebszustand der RLT-Anlagen in den Operationssälen wird die automatische, bedarfsgerechte Zu- und Abschaltung der RLT-Anlagen durch sog. Präsenzmelder in den OP-Räumen realisiert. Diese erfassen sämtliche Bewegungen im Raum und generieren entsprechende Schaltbefehle für die Gebäudeautomation. Die Praxis hat gezeigt, dass mindestens zwei, in Einzelfällen auch drei Präsenzmelder je OP-Saal erforderlich sind. Mit intensiver Abstimmung aller Beteiligten (vor allem auch der Ärzte und Pflegekräfte) wurde die bestmögliche Positionierung der Melder sowie die erforderlichen Vorlauf- (30 Minuten) und Nachlaufzeiten (45 Minuten) definiert. Die mittleren Investitionskosten lagen zwischen 1.300 € bis 1.800 € pro OP-Saal.
Messungen der Partikelzahlen an der Position des OP-Tisches (im Schutzbereich der turbulenzarmen Verdrängungsströmung) sowie der Instrumententische (außerhalb des Schutzbereiches der turbulenzarmen Verdrängungsströmung) ergaben, dass maximal 15 Minuten nach Einschalten der RLT-Anlage an allen Messpunkten die Grenzwerte der DIN 1946–4 vor dem Beginn der ersten Operation unterschritten wurden. Bei Operationssälen mit großen Lüftungsdecken war das im TAV-Bereich bereits nach einer Minute der Fall.
Der Gesamtenergieverbrauch lag in der operationsfreien Zeit bei der abgeschalteten RLT-Anlage durchschnittlich 40 % unter dem Wert der im herkömmlichen 50 %-Absenkbetrieb gefahrenen Vergleichsanlage. Das bedeutet eine Energieeinsparung von rund 1.000 KW/h oder etwa 2.500 € bis 3.000 € pro OP-Saal und Jahr. Hinzu kommt die längere Standzeit der endständigen Filter.
Fazit
Während des OP-Betriebs unterscheidet sich nach vollständiger Abschaltung der Anlagen die Funktion der RLT-Anlagen in den Operationssälen nicht von den in der DIN 1946-4 empfohlenen Parametern. Keimzahlen, Partikelzahlen, Luftmengen und Luftfeuchtigkeit sind während der Operationen identisch. Diese Äquivalenz stellt sich durch die Veränderung der Betriebsweise im Nachtbetrieb (Anschalten der Anlage von 0 % auf 100 % an Stelle von 50 % auf 100 %) nach dem Anschalten durchschnittlich etwa 10 Minuten später ein. Da die RLT-Anlagen im Operationssaal mittels Bewegungsmeldern am Morgen durch die notwendige Inbetriebnahme des Narkosegeräts mindestens 30 Minuten vor OP-Beginn gestartet werden, ist diese Erholungszeit mehr als gesichert. Die notwendige „Erholungszeit“ wurde vor Veränderung der Betriebsweise für jeden Operationssaal messtechnisch (Partikelmessungen) nachgewiesen. Eine Kontamination der Operationssäle durch einströmende „kontaminierte“ Luft der Nebenräume in der Nacht ist nachweisbar aber minimiert, da zwei geschlossene Türen der Einleitungs- bzw. Waschräume nur durch geringe Luftmengen durchströmt werden können. Auch das wurde durch Visualisierung der Strömung messtechnisch gesichert.
Wird der OP-Saal in der Nachtzeit von Personal betreten, startet ein Bewegungsmelder die RLT-Anlage wieder automatisch. Die nicht auszuschließende Kontamination des Operationssaales durch die einströmende Luft wurde bereits 1984 wissenschaftlich untersucht und publiziert. Sie ist deutlich geringer als jene nach der ersten und weiteren Operation am Tag, nach der auch nicht der gesamte Operationssaal einer Flächendesinfektion unterzogen wird. Durch eine Nachlaufzeit von 45 Minuten nach Ende des OP-Betriebs (nach Verlassen des OP-Saals durch den letzten Mitarbeiter) wird eine ausreichende Entfernung von luftgetragenen Mikroorganismen und Partikeln aus dem Operationssaal gesichert. (20facher Luftwechsel pro Stunde). Damit kann nur eine geringfügige Kontamination der Gewebedecken durch elektrostatische Adsorption stattfinden, die während der Vorlaufzeit entfernt wird. Eine Gefährdung von Patienten durch die Nachtabschaltung der RLT-Anlagen kann daher mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden.
Damit decken sich unsere Erfahrungen mit denen der österreichischen Kollegen, wo in den Krankenhäusern seit acht Jahren RLT-Anlagen in Operationssälen im Nachtbetrieb vollständig abgeschaltet werden. Während des jetzt 18-monatigen Betriebs von 10 OP-Sälen im Uniklinikum Dresden gab es keinerlei negative Auswirkungen auf den OP-Betrieb bzw. Hinweise auf erhöhte postoperative Wundinfektionsraten. Die Ergebnisse der Hygieneprüfungen der RLT-Anlagen nach DIN 1946-4 sowie VDI 6022 haben wir weiterhin in bewährter Art und Weise realisiert – auch hier ohne Besonderheiten.