IT & Kommunikation

(Noch?) kaum Bewegung in KIS-Markt, Konvergenz bei PACS

Zusammenfassung aktueller Trends

01.04.2010 -

Wie stehe ich mit meinem KIS im Vergleich da - wechseln viele meiner Branchenkollegen soeben ihre Lösung? Ist meine Planung eines abteilungsübergreifenden PACS - verglichen mit anderen Krankenhäusern - verfrüht? Benötigen wir ein eigenständiges RIS?
Solche aktuellen Fragen vieler IT-Entscheidungsverantwortlicher richtete Michael Reiter stellvertretend für sie an Dr. Armin P. Wurth, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Beratungsunternehmen im Gesundheitswesen und Geschäftsführer Pro-Klinik Krankenhausberatung. Er liefert ein umfassendes Bild des Marktes.


M&K: Wer sind die Big Player im deutschen KIS-Markt und welche Kleinen behaupten sich?

Dr. Armin P. Wurth: Die Situation hat sich im Vergleich zum letzten Jahr kaum verändert. Mehr als drei Viertel der KIS-Installationen in Krankenhäusern werden hierzulande von den Anbietern Agfa, Siemens, SAP und Tieto gestellt. Die weiteren KIS-Anbieter teilen sich den restlichen Markt untereinander auf. Die Firma iSoft macht in jüngster Zeit durch erhebliche Investitionen in die Produkt- und Marktentwicklung sowie in Personal im KIS-Bereich auf sich aufmerksam; es bleibt abzuwarten, ob dies auch zu einem Gewinn von Marktanteilen führt.

Zeichnet sich in diesem Markt Bewegung ab?

Wurth: Bewegung gibt es kaum: Seit 12 bis 18 Monaten wechseln Krankenhäuser ihr KIS in der Regel nur noch dann, wenn es im Rahmen von Verbundsituationen, Kooperationen oder Fusionen auf Trägerebene zu Vereinheitlichungen kommt. Die hohe Dynamik, die dadurch entstand, dass KIS-Lösungen von Anbietern aufgrund von Firmenübernahmen abgekündigt wurden, ist im Wesentlichen vorbei. Die meisten Krankenhäuser haben sich für ein KIS mit mittel- und langfristiger Perspektive entschieden und arbeiten vergleichsweise gut und solide mit den Lösungen. Eine Wechselnotwendigkeit aus inhaltlichen Gründen ist nur in den seltensten Fällen gegeben. Derzeit befinden sich nur noch wenige Krankenhäuser in der Situation, mit einem KIS zu arbeiten, dessen ‚end of life‘-Termin in absehbarer Zeit bereits gesetzt ist.
Darüber, ob der Konsolidierungsprozess im KIS-Markt nun vollständig abgeschlossen ist, lässt sich derzeit nur spekulieren. Viele Experten würde es aber nicht wundern, wenn es mittelfristig noch zu einem weiteren Firmenzusammenschluss wesentlicher Player kommt.

Wie sieht die Zukunft des Lösungsbereiches KIS in der Gesamtsicht der IT aus?

Wurth: Die Krankenhausinformationssysteme werden zukünftig in immer weitere Bereiche im Krankenhaus und auch außerhalb des Krankenhauses vordringen. Waren es zu Beginn eher die Bereiche Abrechnung und Verwaltung, so rückten mit der Bundespflegesatzverordnung 1995 und der Einführung von Sonderentgelten und Fallpauschalen die medizinischen Bereiche in den Fokus. Seit der Einführung der DRGs werden an KIS-Lösungen vor allem Ansprüche einer durchgängigen Prozessabbildung im patientennahen Bereich zur Produktivitätssteigerung und zur vollständigen medizinischen Dokumentation gestellt. KIS-Lösungen müssen dabei den Behandlungsfall vollständig und abteilungs- und bereichsübergreifend erfassen. Immer mehr KIS-Anbieter bieten in diesem Zusammenhang integrierte Softwarelösungen auch für die wesentlichen Diagnostik- und Funktionsbereiche an.
Künftig wird der Patientenfall jedoch immer häufiger schon vor dem Krankenhausaufenthalt beginnen und nach dem Krankenhausaufenthalt enden. KIS-Lösungen werden daher in diese Bereiche softwaretechnisch vordringen. Darüber hinaus werden Patienten künftig sicherlich vermehrt einrichtungsübergreifend behandelt werden, was eine stärkere Vernetzung und eine höhere Interoperabilität der Systeme nach sich ziehen wird.
Nach der reinen Dokumentation und prozessorientierten Steuerung von Behandlungsfällen wird das Thema Wissensmanagement als KIS-Bestandteil an Bedeutung gewinnen. Insbesondere im medizinischen und im pflegerischen Bereich wird ‚geronnenes Wissen‘ in Form von Expertensystemen zur Verfügung gestellt werden.

Wie schätzen Sie die Marktsituation für PACS ein?

Wurth:
Der Markt der PACS-Anbieter und deren Systeme entwickeln sich ganz ähnlich wie der KIS-Markt ... nur mit einem zeitlichen Versatz von einigen Jahren, dafür aber schneller. Ebenso wie im KIS-Markt konzentriert sich der PACS-Markt zunehmend. Kleinere vor allem technologisch interessante Lösungsanbieter werden von größeren Firmen gekauft und die Produkte ‚verschmolzen‘. Die einstige Pluralität im PACS-Markt besteht schon länger nicht mehr. Die großen Anbieter wie Siemens und GE, die gleichzeitig auch bildgebende Modalitäten herstellen, beherrschen den klassischen PACS-Markt insbesondere im Bereich der Großkliniken. Agfa behauptet seinen Marktanteil bei PACS durch die große Kundenbasis im KIS-Bereich. Kleinere und technologisch sehr innovative PACS-Lösungen sind nicht nur aufgrund des geringeren Preises auf dem Vormarsch in mittleren und kleineren Krankenhäusern sowie im Bereich von niedergelassenen Großpraxen. Lösungen, wie z.B. die der Firma Visus oder Aycan zeichnen sich u.a. dadurch aus, dass sie nicht nur PACS-Lösungen darstellen, sondern das komplette Bildmanagement einrichtungsbezogen und einrichtungsübergreifend im Fokus haben. Aufgrund der zunehmenden Marktkonzentration gehen die Preise nach wie vor nach unten, was die Kunden freut. Zur Vorsicht ist aber geraten - der starke Preisverfall im KIS-Bereich hat dort mit zu einem Verschwinden von Anbietern und Lösungen beigetragen, sodass manch einer, der eine preiswerte Lösung gekauft hat, zwei Jahre später eine Ersatzbeschaffung vornehmen musste, weil ihm der Anbieter ‚abhanden‘gekommen ist.

Wie ist die Entwicklung bei Abteilungslösungen gegenüber krankenhausweiten Lösungen? Wer sind die „Seitenakteure" - Bildschirmanbieter, 3-D-Software, Entscheidungsunterstützung? Welche Relevanz haben sie bei den Klinikern?

Wurth: Der Trend geht eindeutig hin zu integrierten Gesamtlösungen. Daher haben ‚Seitenakteure‘ nur eine begrenzte Bedeutung. Es hängt ganz stark davon ab, welche Entscheidungsstrukturen in den einzelnen Einrichtungen vorherrschen. Ganz generell kann man sagen, dass in kleineren Einrichtungen Beschaffungsentscheidungen mittlerweile sehr zentral getroffen werden und die Homogenität von Gesamtlösungen einen hohen Stellenwert besitzt. Je größer die Einrichtungen werden, desto häufiger werden Entscheidungen immer noch dezentral, z.B. abteilungs- oder bereichsbezogen getroffen. Hier findet man nach wie vor immer noch ‚Insellösungen‘, die häufig darauf zurückzuführen sind, dass abteilungs- bzw. bereichsbezogen optimiert, jedoch das größere Ganze nicht beachtet wurde. In diesen Bereichen spielen die Seitenakteure immer noch eine nicht unerhebliche Rolle.

Wo stehen wir beim Thema RIS - wer sind die Akteure, wohin gehen die Trends?

Wurth:
In Krankenhäusern ist der Trend, der sich schon in den letzten zwei Jahren abgezeichnet hat, ungebrochen - RIS-Lösungen werden immer mehr zum integralen Bestandteil von KIS-Lösungen ... entweder über eine auf die radiologischen Bedürfnisse angepasste Leistungsstelle des KIS (kleine RIS-Lösung) oder über ein vollumfängliches Radiologieinformationssystem, das in das KIS hoch integriert ist (große KIS-Lösung). Das RIS ist viel näher an das KIS herangerückt, als dies früher der Fall war, als in der Regel RIS und PACS immer gemeinsam beschafft und eingeführt wurden. Die Regel heute hat sich fast umgekehrt, PACS-Lösungen werden heute in der Regel allein ausgeschrieben.

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