Gesundheitspolitik

DGfN weist auf eklatanten Organmangel in Deutschland hin

25.08.2010 -

Die Erklärung von Frank-Walter Steinmeier, er werde in den nächsten Wochen nicht mehr aktiv am politischen Geschehen teilnehmen, da er seiner schwer erkrankten Frau eine Niere spenden und sich einer entsprechenden Operation unterziehen wird, erschüttert die Republik.

„Eine solche Nierenspende ist ein altruistischer Akt, den man dem Spender gar nicht hoch genug anrechnen kann", so Prof. Dr. med. Jan Galle, Lüdenscheid, Sprecher der DGfN. „Doch Steinmeier hat in seiner Mitteilung auch darauf hingewiesen, dass er sich „mangels Alternative und weil die Voruntersuchungen es erlauben" als Organspender zur Verfügung gestellt hat. Tatsächlich ist die Nierenlebendspende eine gute Alternative zur chronischen Dialysebehandlung, da in Anbetracht des eklatanten Organmangels in Deutschland die Wartezeit auf eine „normale" Leichennierentransplantation gut 5 bis 6 Jahre beträgt. „Das ist zu lang, denn viele Patienten verlieren in dieser Zeit ihre „Operationsfähigkeit", sind dann aufgrund verschiedener Begleiterkrankungen nicht mehr transplantierbar", erläutert Galle. Wenn man also die Wartezeit auf eine Leichennierentransplantation, die mit der Dialysebehandlung überbrückt wird, verkürzen möchte, gibt es keine andere Möglichkeit als die Lebendspende.

Das Ziel der DGfN ist es, die Spendebereitschaft zu erhöhen und an jeden Bürger zu appellieren, einen Organspendeausweis auszufüllen. In Deutschland warten derzeit über 8.000 Dialysepatienten auf eine Nierentransplantation - fast dreimal so viele, wie pro Jahr transplantiert werden.

Dieser aktuelle Anlass hat die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie veranlasst, eine Zusammenfassung der wichtigsten Hintergrundinformationen zum Thema Nierentransplantation veröffentlicht.

Wann wird eine Nierentransplantation durchgeführt?
Eine Nierentransplantation (NTX) wird dann durchgeführt, wenn die Nieren krank sind und ihre Funktion (Entgiftung, Entwässerung des Körpers, Regulierung des Blutdrucks, Produktion von wichtigen Hormonen) nicht mehr erfüllen können. Die Ursachen für ein Nierenfunktionsversagen können ganz unterschiedlicher Natur sein - es können Immunerkrankungen oder auch entzündliche Erkrankungen zugrunde liegen. Bei den meisten Betroffenen ist das Organversagen aber Folge der „Volkskrankheiten" Diabetes mellitus („Zuckerkrankheit") oder Bluthochdruck, denn diese beiden Erkrankungen schädigen die Niere auf die Dauer massiv, insbesondere wenn sie nicht richtig behandelt werden. Bei Organversagen wird dann ein Nierenersatzverfahren (entweder Dialyse oder Transplantation) erforderlich, damit die Betroffenen überleben können.

Welches Nierenersatzverfahren - Dialyse oder NTX - ist vorzuziehen?
Das hängt natürlich immer vom individuellen Fall ab. Unter der Voraussetzung, dass ein Patient für die Nierentransplantation geeignet ist, gilt die Transplantation als das bessere Verfahren im Vergleich zur Dialyse. Hinzu kommt, dass die Dialyse in der Regel dreimal pro Woche über 4-5 Stunden durchgeführt werden muss, sie ist auch körperlich anstrengend. D.h. sie stellt eine große Beeinträchtigung im Leben der Betroffenen dar und ist viel seltener mit einer Berufsfähigkeit zu vereinbaren. Menschen mit einem funktionierenden Transplantat hingegen können relativ schnell wieder ein „normales Leben" führen. Zwar müssen sie Zeit Ihres Lebens Medikamente einnehmen und natürlich auch regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen, aber das sind Beeinträchtigungen, die gern in Kauf genommen werden.

Warum werden dann nicht mehr Menschen transplantiert?
Leider herrscht in Deutschland ein eklatanter Mangel an Spenderorganen. Zwar spricht sich die Mehrheit der Bevölkerung pro Organspende aus, aber nur ein Bruchteil der Menschen füllt dann auch wirklich einen Organspendeausweis aus. Daher stehen zu wenige Organe zur Verfügung. Im Jahr 2009 wurden 2.772 Nierentransplantationen durchgeführt, aber über 8.000 Patienten standen auf der Warteliste - und jährlich kommen mehr Wartende hinzu als Transplantationen durchgeführt werden, die Liste wächst also weiter! Nach Angaben der DSO (Deutsche Stiftung Organspende) betrug die durchschnittliche Wartezeit auf eine Niere 2009 bereits 5-7 Jahre, mit steigender Tendenz. Menschen mit seltenen Blutgruppen müssen sich sogar auf eine deutlich längere Wartezeit einstellen. Daher entscheiden sich viele Menschen für die Option einer Lebendspende.

Wie funktioniert die Lebendspende? Kann jeder jedem eine Niere „schenken"?
Nein, die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind strikt geregelt - und außerdem gibt es auch medizinische Kriterien, die über die Machbarkeit einer NTX entscheiden. Gemäß Transplantationsgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist eine Lebendspende nur bei nahen Verwandten oder einander sehr eng verbundenen Personen (z.B. Ehepartnern oder engen Freunden) zulässig, Freiwilligkeit ist selbstverständlich die Basis, dies wird nach strengen Vorschriften unabhängig geprüft.

Außerdem muss der Spender auch medizinisch geeignet sein. Medizinische Ausschlusskriterien sind z.B. Krebs- oder Infektionserkrankungen des Empfängers. Darüber hinaus sollten Spender und Empfänger eine große immunologische Ähnlichkeit aufweisen („HLA-Match"). Zusätzlich wird ein sogenannter „Cross-match" (Kreuzprobe) durchgeführt. Kommt es zur Reaktion zwischen dem Blutserum des Empfängers und den weißen Blutkörperchen (Lymphozyten) des Spenders, muss von der geplanten NTX abgesehen werden, da dann eine Abstoßungsreaktion „vorprogrammiert" ist.

Müssen Spender und Empfänger immer die gleiche Blutgruppe haben?
Nicht unbedingt. Früher war das der Fall. Mittlerweile kann auch über die Grenzen der Blutgruppen hinweg transplantiert werden, aber mit deutlich höherem medizinischem Aufwand. So müssen zunächst die Antikörper aus dem Blut „gewaschen" werden und der Empfänger erhält eine intensivierte immunsuppressive Therapie, um das Abstoßungsrisiko zu minimieren. Es ist nach wie vor leichter und chancenreicher, wenn Spender und Empfänger die gleiche Blutgruppe haben, aber die sogenannte „blutgruppeninkompatible NTX" wird bereits in vielen Zentren routinemäßig durchgeführt.

Mit welchen Risiken ist eine Nierenspende für den Spender verbunden?
Im Regelfall gibt es keine gesundheitliche Beeinträchtigung des Spenders. Wir haben zwei Nieren, kommen aber auch gut mit einer aus. Daher kann der Nierenspender sein Leben nach der Operation ganz normal weiterführen, denn die verbliebene Niere übernimmt weitestgehend die Funktion der entfernten. Folgen, die beim Spender auftreten können, sind z.B. eine minimal erhöhte Eiweißausscheidung (was auf eine Funktionseinschränkung der Nieren hindeutet und relativ logisch ist, da er nicht mehr 100% der Nierenfunktion hat) und evtl. auch ein erhöhter Blutdruck. Entgegen aller Vorurteile muss betont werden, dass Nierenspender kein erhöhtes Risiko haben, die Funktion der verbliebenen Niere zu verlieren und selbst eines Tages dialysepflichtig zu werden.

Was sind die Risiken auf der Seite des Empfängers? Wie häufig kommt es zu Abstoßungsreaktionen?
Akute Transplantatabstoßungen treten bei 10-25% aller NTX-Patienten auf, die meisten sind aber medikamentös in den Griff zu bekommen, d.h. das transplantierte Organ ist oft noch rettbar. Die meistens dieser Abstoßungsreaktionen treten im ersten Jahr nach der Transplantation auf (85% in den ersten drei Monaten). Generell ist der Erfolg gut: Ein Jahre nach NTX funktionieren im Durchschnitt noch 90% der transplantierten Organe - bei Organen von Lebendspenders ist die Rate sogar noch etwas besser.

Ist der Nierenempfänger im Nachgang einer geglückten NTX gesundheitlich beeinträchtigt?
Nur bedingt. Um Abstoßungen zu vermeiden, muss der Empfänger sogenannte „immunsuppressive Medikamente" einnehmen, das sind Präparate, die das eigene Immunsystem „lahmlegen". Dadurch wird der Organismus „überlistet" und reagiert nicht mit Abstoßung auf das Fremdorgan. Doch damit ist auch die Immunabwehr geschwächt. Die Betroffenen sind anfälliger für Infektionserkrankungen und haben langfristig auch ein erhöhtes Krebsrisiko.

Was sind die Ziele der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie in Bezug auf die Nierentransplantation?
Natürlich ist es ein Ziel der nephrologischen Forschung, die immunsuppressive Therapie noch weiter zu verbessern und so Abstoßungen und Transplantatverluste noch seltener zu machen. Ein weiteres Ziel ist es, durch Werbung „pro Organspende" die Spendebereitschaft in der Bevölkerung zu erhöhen - und zwar so, dass auch mehr Menschen einen Organspendeausweis haben. Noch wichtiger ist es uns allerdings, das „Übel an den Wurzeln" zu packen. Die Transplantation ist wie die Dialyse ein Nierenersatzverfahren, das dann zum Einsatz kommt, wenn die Nieren terminal geschädigt sind. Unser Anliegen ist es, durch eine verbesserte Prävention dafür zu sorgen, dass es gar nicht so weit kommt und die Nierenerkrankungen früher diagnostiziert werden. Frühzeitig diagnostiziert kann ein Nierenfunktionsverlust gestoppt oder zumindest verlangsamt werden.

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