Labor & Diagnostik

Fotodynamische Diagnostik und Therapie von malignen Hirntumoren

18.10.2011 -

In der Therapie von primären Hirntumoren stoßen derzeitige Modalitäten an ihre Grenzen. Moderne Konzepte wie die fotodynamische Diagnostik und Therapie sind vielversprechende Ansätze in der Behandlung von Hirntumorpatienten, denn pathophysiologische und zellbiologische Besonderheiten der Tumorzellen können so gezielt genutzt werden.

Hirntumorzellen reichern selektiv bestimmte fluoreszierende Substanzen an, welche während der Operation unter einem speziellen Operationsmikroskop sichtbar gemacht und so vom Chirurgen besser identifiziert und vollständiger entfernt werden können. Zudem können diese Tumorzellen durch minimal-invasive Lichtbestrahlung lokal abgetötet werden, was zur Eindämmung des Tumorwachstums führt.

Darstellung von Tumorgewebe mittels fotodynamischer Diagnostik

Primäre Hirntumore sind wegen ihres aggressiven Wachstums (wie zum Beispiel beim Glioblastom multiforme, GBM) oder wegen ihrer Nähe zu lebenswichtigen Hirnstrukturen (wie zum Beispiel oft vorkommend beim Meningeom) sehr schwierig zu behandelnde onkologische Erkrankungen. 17% aller primären Hirntumore sind GBM, 34% sind Meningeome und treten mit einer Häufigkeit von etwa drei respektive sechs Fällen pro 100.000 Einwohner auf.

GBM sind Tumore, die als sehr schnell und infiltrativ wachsend charakterisiert sind. Die mittlere Überlebenszeit beim GBM liegt trotz multimodalen Behandlungsmethoden wie die operative Entfernung, Strahlen- und Chemotherapie bei lediglich 15 Monaten. Die chirurgische Entfernung des Tumors ist der wichtigste Schritt in der Therapie, wobei die vollständige Tumorresektion (>95%) entscheidend für den Therapieerfolg ist.

Allerdings ist das Tumorgewebe schwierig von gesundem umgebendem Hirngewebe zu unterscheiden. Intraoperative fluoreszenz-gestützte Methoden zur Darstellung von Tumorgewebe (Fotodynamische Diagnostik) bieten eine neue Möglichkeit, neoplastische Zellen besser zu visualisieren und vollständiger zu entfernen.

Hierfür wird den Patienten vor Operationsbeginn 5-Aminolävulinsäure (5-ALA) oral verabreicht, worauf die Substanz von Enzymen der Hämbiosynthese in rot fluoreszierendes Protoporphyrin IX umgewandelt wird und sich in malignen Zellen selektiv anreichert.

Angereichertes Protoporphyrin IX wird während der Operation mithilfe eines speziellen neurochirurgischen Operationsmikroskopes mit blauem Licht angeregt, sodass die Tumorzellen unter dem Mikroskop rot fluoreszieren (Abb. 1). Dieses Verfahren ermöglicht dem Chirurgen eine bessere Unterscheidung zwischen bösartigem und gesundem Hirngewebe. Postoperative Komplikationen und Hirnschäden können so reduziert, die Häufigkeit von Rezidiven verringert, die Lebensqualität verbessert und die Überlebenszeit verlängert werden.

5-ALA-basierte fotodynamische Diagnostik ist in Europa und Japan beim GBM in dafür spezialisierten Kliniken und Zentren zugelassen, für Meningeome sind erste Fallstudien beschrieben, klinische Studien fehlen aber.

Einsatzmöglichkeiten für 5-Aminolävulinsäure zur Therapie

Neben der roten Fluoreszenz hat 5-ALA noch weitere interessante Eigenschaften, die medizinisch genutzt werden können. So werden aufgrund der Fotoaktivität von Protoporphyrin IX nach Bestrahlung mit therapeutischem Licht im sichtbarem Bereich von 630 nm zellschädigende Radikale gebildet (Abb. 2). Dieses Prinzip wird in der fotodynamischen Therapie genutzt, um Tumorzellen lokal und selektiv abzutöten. Diese neue Therapieoption ist für Hirntumore noch nicht zugelassen, sie wird aber derzeitig in einigen klinischen Studien untersucht.

Wir konnten unter Laborbedingungen die Anreicherung von fluoreszierenden Protoporphyrin IX nach einer Inkubation mit 5-ALA in verschiedenen Zelllinien des GBM und des Meningeoms sowie in sognannten primären Zellkulturen, welche aus Biopsiematerial von Patienten isoliert wurden, nachweisen.

Wir haben festgestellt, dass das Ansprechen der Zellen auf 5-ALA sehr unterschiedlich und zellspezifisch war. Des Weiteren konnten wir Modelle etablieren, mit denen die fotodynamische Therapie in vitro simuliert werden kann. Hierfür wurde ein spezielles Gerät mit LEDs als Strahlungsquelle entwickelt.

Mittels dieser Bestrahlungstechnik konnten 5-ALA-behandelte Zellen erfolgreich abgetötet werden. Der Erfolg dieser Methode war direkt abhängig von der Lichtdosis und der Menge an angereichertem Protoporphyrin IX.

Um bei einer klinischen Anwendung Schädigungen vom umliegenden Hirngewebe und daraus resultierenden Komplikationen zu vermeiden, haben wir untersucht, ob die so ermittelten Lichtdosen Zellen, die kein Protoporphyrin IX angereichert haben, schädigen.

Innerhalb eines GBM gibt es verschiedene Subpopulationen von Zellen. Diese entstehen durch unterschiedliche Mikroumgebungen im Tumor wie z.B. lokaler Sauerstoffmangel (Hypoxie) oder Bedingungen, die eine aktive Zellbewegung (Migration) und somit die Invasion in umliegendes Hirngewebe fördern. Momentan versuchen wir solche Bedingungen im Labor zu simulieren und zu untersuchen, ob Zellen in unterschiedlichen Mikroumgebungen, ebenfalls Protoporphyrin IX anreichern und daher auch mittels fotodynamischer Therapie abgetötet werden können.

Zusammenfassend lässt sich aussagen, dass die klinische Verwendung der fotodynamischen Diagnostik in den letzten Jahren das Ausmaß der Tumorresektion nachweislich verbesserte und zu einer Verlängerung der Zeit bis zum Wiederauftreten von Zweittumoren führte. Die fotodynamischen Therapie ist eine vielversprechende zukünftige neue Therapieoption für Hirntumorpatienten, um Tumorzellen gezielt und lokal durch Aktivierung von fototoxischen Reaktionen mit Licht abzutöten und so das weitere Tumorwachstum einzudämmen. Untersuchungen an spezialisierten Zellkulturmodellen sind neben klinischen Studien wichtiger Bestandteil der medizinischen Forschung, um weitere Erkenntnisse zu den molekularen und physiologischen Mechanismen dieser komplexen Erkrankungen zu erlangen und basierend auf diesen Erkenntnissen individuelle Therapieansätze zu finden.

 

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