Stiftung viamedica: Vorhaben für eine umweltfreundliche und naturheilkundlich orientierte Medizin
29.06.2014 -
Stiftung viamedica: Vorhaben für eine umweltfreundliche und naturheilkundlich orientierte Medizin. Prof. Dr. Franz Daschner erhielt als erster und bisher einziger Mediziner den Deutschen Umweltpreis, u.a. für die von ihm propagierte umweltschonende Krankenhaushygiene.
Mit dem Preisgeld gründete er die Stiftung viamedica. Dr. Ernst Koch sprach mit ihm über die Hintergründe dieser Stiftung.
M & K: Welche Ziele verfolgt die Stiftung?
F. Daschner: Die Stiftung viamedica – Stiftung für eine gesunde Medizin – unterstützt Forschungsprojekte am Universitätsklinikum Freiburg mit dem Ziel einer umweltfreundlichen und naturheilkundlich orientierten Medizin, z.B. die Einführung von Biokost in Kliniken, Verbesserung der Hygiene bei Krebspatienten, Forschung mit naturheilkundlichen Medikamenten, vor allem Umckaloabo, und Verbesserung der Nutzung von Solarenergie in Kliniken, z.B. zur Kühlung von OP-Sälen, Intensivstationen und Krankenstationen.
Hauptthema der Stiftung ist grüne Medizin, d.h. eine Medizin, die den Patienten nützt, aber gleichzeitig die Natur nicht schädigt.
M & K: Die Krankenhaushygiene ist wohl das wichtigste Teilgebiet der Hygiene und bezieht sich vorrangig auf die Verhütung von Krankenhausinfektionen.
Im Zusammenhang mit Ihren Thesen zum übermäßigen Einsatz der Fußbodendesinfektion gab es einen umfangreichen Austausch gegenseitiger Argumente.
Inwieweit sind Ihre Daten oder die Ihrer Kontrahenten inzwischen weiter durch gezielte und kontrollierte Untersuchungen belegt bzw. widerlegt?
F. Daschner: Der sog. Hygienikerstreit entzündete sich vor allem an der Frage, ob man in Kliniken überall – also auch auf dem Fußboden – Desinfektionsmittel einsetzen soll, oder ob nicht in vielen Bereichen auch die Reinigung genügt, weil viele der in deutschen Kliniken verwendeten Desinfektionsmittel biologisch schlecht abbaubar sind und Patient und Personal schädigen.
Die Desinfektionsmittelallergie gehört zu den häufigsten Berufserkrankungen von Ärzten, Pflegepersonal und Hausreinigungsdienst.
Mittlerweile hat das Robert Koch-Institut, Berlin, eine Empfehlung zur Desinfektion in Krankenhäusern veröffentlicht, in der es u.a. heißt, dass es bisher in der wissenschaftlichen Literatur keinerlei Daten gibt, dass routinemäßige Flächendesinfektion einen Einfluss auf die Krankenhausinfektionsrate hat.
Laut RKI-Empfehlung ist das Krankenhaus in verschiedene Risikobereiche eingeteilt, in denen man desinfizieren soll bzw. nicht notwendigerweise muss: Nicht einmal im OP muss der Fußboden routinemäßig desinfiziert werden.
Aus meiner Sicht ist damit der Hygienikerstreit bezüglich Flächendesinfektion beigelegt.
M & K: Bei welchen medizinisch notwendigen Maßnahmen ergeben sich Probleme bzgl. Krankenhausinfektionen, und wie können sie besser bewältigt werden?
F. Daschner: Der Mensch ist von außen (Hautflora) und von innen (Darmflora) von massenhaft Bakterien besiedelt, die ihn aber nicht krank machen, sondern ihn zum Teil sogar vor Infektionen schützen.
Die Darmflora ist für eine gesunde Verdauung unerlässlich.
Bei vielen medizinisch notwendigen sog. invasiven Maßnahmen (z.B. Legen eines Venenkatheters, Intubation, Legen eines Blasenkatheters, Endoskopien) kommt es zwangsläufig zu Verletzungen der Haut oder des Darms, so dass Hautflora und Darmflora in das Körperinnere, z.B. auch in den Blutkreislauf beim Legen eines Venenkatheters eindringen können.
So sind Hautflora und Darmflora die beiden wichtigsten Erregerreservoire für Krankenhausinfektionen.
Nun kann man diese invasiven Maßnahmen nicht verhindern, aber dabei hygienisch einwandfrei vorgehen, z.B. sterile Handschuhe beim Legen eines zentralen Venenkatheters, Einhalten der Mindesteinwirkungszeit eines Hautdesinfektionsmittels usw.
So könnten ca. 30 % aller Krankenhausinfektionen verhütet werden.
M & K: Welche organisatorischen Maßnahmen sind Ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechend am vorrangigsten nötig, um die gegenwärtige Situation zu verbessern bzw. um ein weiteres Voranschreiten der Krankenhausinfektionen zu verhindern?
F. Daschner: Krankenhausinfektionen wird es immer geben, es ist sogar zu erwarten, dass die Häufigkeit von Krankenhausinfektionen zunimmt, allein schon wegen des zunehmenden Lebensalters unserer Patienten, da im Alter bekanntlich die Immunabwehr abnimmt.
Die wichtigsten organisatorischen Maßnahmen sind: ein Krankenhaushygieniker pro 800 Betten, eine Hygienefachkraft pro 250 Betten, Beachtung des Infektionsschutzgesetzes mit Surveillance, d.h. Erfassung von Krankenhausinfektionen in jeder Abteilung, sorgfältige Resistenzstatistik laut Infektionsschutzgesetz und Beachtung der RKI-Empfehlungen.
Leider gibt es noch zuwenig Krankenhaushygieniker, so dass die Zusammenarbeit mit Organisationen empfohlen wird, die einen externen Krankenhaushygieneservice leisten, wie z.B. das Beratungszentrum für Hygiene, ein Unternehmen des Universitätsklinikums Freiburg (www.bzh-freiburg.de).
M & K: Welche finanziellen Einsparungsmöglichkeiten sehen Sie, wenn gut belegte Hygienemaßnahmen konsequent berücksichtigt werden?
F. Daschner: In Deutschland gibt es recht wenige Untersuchungen über die Kosten von Krankenhausinfektionen.
Die teuersten Krankenhausinfektionen sind postoperative Wundinfektionen und beatmungsassoziierte Pneumonien, weil sie die Krankenhausverweildauer um bis zu zehn Tagen und mehr verlängern.
In Deutschland gibt es pro Jahr 500.000 bis 800.000 Krankenhausinfektionen.
Nehmen wir an, dass eine Infektion nur 100 € kostet, was natürlich viel zu wenig ist, weil allein die Antibiotikakosten oft mehr als 100 € Euro pro Tag betragen, dann wären wir schon bei mindestens 50 Mio. € Kosten durch Krankenhausinfektionen.
Wahrscheinlich aber betragen die jährlichen Kosten durch Krankenhausinfektionen ein Vielfaches davon.
Wenn man davon 30 % einsparen könnte, wären wir wahrscheinlich bei einem Betrag von mehreren 100 Mio. € pro Jahr.
Dr. Ernst Koch, Alsbach-Hähnlein