Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung
06.02.2023 - Universitätsklinikum Bonn und GFO Kliniken Bonn, Betriebsstätte St. Marien, bieten Hilfe für Betroffene an.
Die weibliche Genitalverstümmelung, kurz auch FGM (Female Genital Mutilation) ist ein destruktiver Eingriff, bei dem das äußere weibliche Geschlechtsorgan teilweise oder ganz entfernt oder verletzt wird. Sie stellt eine schwere Menschenrechtsverletzung dar und hat lebenslange Folgen. Seit 2003 findet jährlich am 6. Februar der „Internationale Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung“ statt, um auf diese Form der Menschenrechtsverletzung aufmerksam machen. Tabuisierung, Scham, Flüchtlingsstatus und fehlendes Wissen auf allen Seiten erschweren sowohl das Angebot als auch die Inanspruchnahme von professioneller Hilfe. Deutschlandweit gibt es nur wenige medizinische Beratungsstellen, an die sich Betroffene wenden können. Seit Anfang des Jahres gehört Bonn dazu. Auf die Initiative von Dr. Carolin van Schewick und Dr. Andreas Thomas bietet die gynäkologisch- geburtshilfliche Abteilung des St. Marienhospitals Bonn seit Anfang 2022 eine Sprechstunde für Mädchen und Frauen mit Genitalbescheidung an. Seit Sommer 2022 konnte das Behandlungsangebot um eine psychiatrische Sprechstunde als Kooperationsprojekt zwischen dem Marienhospital und der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn (UKB) erweitert werden.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass weltweit über 200 Millionen Mädchen und Frauen beschnitten sind. Vier Millionen Mädchen sind jährlich gefährdet, Opfer einer Beschneidung zu werden. Die meisten Mädchen sind bei dem Eingriff nicht älter als 15 Jahre. In Deutschland sind nach Schätzungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) rund 75.000 Frauen und Mädchen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. Oft stellt die Beschneidung ein großes Gesundheitsrisiko für die betroffenen Frauen dar mit schwerwiegenden, teils lebenslangen Folgen. Zu den akuten Folgen können beispielsweise schwerste Blutungen und Infektionen sowie die Verletzung umliegender Organe (der Darm, die Harnblase) zählen. Auch die Langzeitfolgen können gravierend sein, mit großen Auswirkungen auf Sexualität und Kinderwunsch. Rezidivierende Infektionen können zu Sterilität führen und die Vernarbungen im Bereich der Vagina und Vulva zu starken Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Es hat sich außerdem gezeigt, dass neben den gynäkologischen Beschwerden viele Frauen auch schwerst psychisch belastet sind. Dazu kooperiert das UKB seit August 2022 mit den GFO Kliniken Bonn, Betriebsstätte St. Marien, sodass nun eine psychiatrische Beratung die Sprechstunde des St. Marienhospitals Bonn abrundet.
Sprechstunde wird sehr gut angenommen
Zunächst geht es darum, die Lebensgeschichte der Frau zu verstehen: ihre Herkunft, die Lebensweise ihrer Familie und ihre Erfahrungen. Die Frauen stammen häufig aus Gesellschaften, in denen sie aufgrund ihres Geschlechts und der damit einhergehenden niedrigeren sozialen Stellung früh Diskriminierung sowie psychischer, physischer und sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Im zweiten Schritt geht es um mögliche psychische Folgen. „FGM kann zu einer tiefen Störung des Grundvertrauens führen und als hochgradig traumatisierend erlebt werden. Scham, Wut, Angst- und Panikattacken, Schlafstörungen, Depressionen bis hin zum Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung sind möglich. Die supportiven und psychoedukativen Gespräche, die wir in Kombination mit ggf. einer psychopharmakologischen Therapie anbieten, werden von vielen Frauen gerne angenommen und als hilfreich erlebt“, erläutert Aileen Sitter, Fachärztin für Psychiatrie am UKB.
Das nächste große gemeinsame Projekt der Sprechstunde ist das Angebot einer Gruppentherapie für die betroffenen Frauen. Neben der Vermittlung von gynäkologisch-psychiatrisch Inhalten und ersten Hilfestellungen zum Umgang mit möglichen psychischen Folgen möchten die beiden Kooperationspartner dabei auch einen Raum für den gegenseitigen Austausch bieten.