Hygiene

Silber bei Hygiene und Bioimplantate: Katheterisierung und Intubation öffnen Infektionswege

30.09.2012 -

Silber bei Hygiene und Bioimplantate: Katheterisierung und Intubation öffnen Infektionswege. Die Implantation von Fremdmaterial wie zentralen Venenkathetern, Kathetern zur Harnableitung oder die endotracheale Intubation umgeht spezifische und unspezifische Abwehrmechanismen des Körpers. Sie hat zur Folge, dass pathogene Mikroorganismen auch bei intakter Abwehr in den Körper eindringen können. So wird bei zentralen Vernenkathetern die Hautbarriere durchbrochen, und es dringen Mikroorganismen durch kapilläre Kräfte entlang dem Stichkanal in die Tiefe. Wie lässt sich hier Abhilfe schaffen? Michael Reiter im Gespräch mit Prof. Dr. Josef Peter Guggenbichler, Oberarzt für Infektiologie in der Abteilung für Kinder und Jugendliche am Universitätsklinikum Erlangen.

Management & Krankenhaus: Herr Professor Guggenbichler, bitte beschreiben Sie Beispiele für die Infektionsproblematik.

Josef Peter Guggenbichler: Das Problem ist beispielsweise bei Sheldon-Kathetern zur Hämodialyse besonders groß – diese Katheter sind sehr steif und bewegen sich z.B. bei der Blutwäsche, wenn zwei bis drei Liter Blut je Minute durch den Katheter fließen, immer ein wenig im Stichkanal. Dasselbe gilt auch für externe Ventrikeldrainagen und für Tenckhoff-Katheter zur ambulanten Peritonealdialyse. Bei urologischen – transurethralen – Kathetern bzw. bei suprapubischen oder Nephrostomiekathetern steigen Bakterien entlang dem Katheter in die Blase oder in das Nierenbecken auf und führen zu einer Harnwegsinfektion. Bei der perkutanen enteralen Gastrostomie (PEG-Sonden) wird der Katheter im Rahmen der Implantation über das Endoskop im Nasen-/ Rachenraum bakteriell besiedelt. Ein besonderes Risiko besteht bei MRSATrägern; fast jeder vierte von ihnen erleidet eine Infektion an der Durchstichstelle bzw. Peritonitis.

Management & Krankenhaus: Welche weiteren Risikoszenarien sind belegt??

Josef Peter Guggenbichler: Bei endotrachealen Tuben zur künstlichen Beatmung fließt bakteriell kontaminiertes Rachensekret entlang dem Katheter bis in die Trachea. Über dem Ballon, der das Lumen der Luftröhre verschließt, sammelt sich bakteriell kontaminiertes Sekret, das auch in die tieferen Luftwege gelangt. In der Tracheas ist die normale mukoziliäre Clearance durch den Katheter unterbrochen. Dadurch, dass die Endotrachealkanüle üblicherweise nasotracheal eingebracht wird, kommt es durch das enge Anliegen des Tubus an der Nasenschleimhaut auch bei etwa jedem siebten Patienten zu Nasennebenhöhleninfektionen und der Möglichkeit einer davon ausgehenden Sepsis. Bei zentralen Venenkathetern kann sich bei Manipulationen am Katheteransatz – z.B. beim Austausch von Infusionsflüssigkeiten, bei Blutabnahmen oder Verabreichung von Medikamenten durch den Katheter – eine Kontamination des Luerlocks ergeben. Dabei ist es besonders wichtig, dass bei allen Manipulationen an Kunststoffimplantaten strengste Hygiene waltet, damit sich eine Kontamination verhindern lässt.

Management & Krankenhaus: Was sind die speziellen Infektions- Ausgangsbedingungen bei implantierbaren Biomaterialien?

Josef Peter Guggenbichler: Ihnen kommt als Infektionsquelle eine zunehmende Bedeutung zu, da Mikroorganismen auf Biomaterialien gut haften, rasch proliferieren und auch durch eine intakte körpereigene Abwehr nicht mehr angreifbar sind. Bakterien proliferieren auf einer Kunststoffoberfläche mit einer Geschwindigkeit von bis zu sieben Millimetern je Stunde. Bei Kontamination des Ansatzes des Katheters erreichen die Keime bei einer Dicke des Biofilms von mehreren 100 μ nach 36 Stunden die Spitze des Katheters und können in den Blutstrom eingeschleust werden.

Management & Krankenhaus: Was sind die Konsequenzen?

Josef Peter Guggenbichler: Wenn Bakterien in die Blutbahn eindringen – wie z.B. im Rahmen einer Pneumonie, eines Harnwegsinfektes aber auch im Rahmen von Zahnbehandlungen (Plaqueentfernung) – kann sich durch die Bakteriämie ein implantierter Kunststoff – wie z.B. ein Ventil zur Liquorableitung, eine künstliche Herzklappe oder eine Schrittmacherelektrode – infizieren, und es kann zu schweren Komplikationen kommen – etwa bei 40 % der Patienten zu tödlichen Herzrhythmusstörungen. Der gleiche Mechanismus gilt auch für Infektionen von Endoprothesen (Hüfte, Knie), obwohl hier die meisten Infektionen im Rahmen von Operationen geschehen.

Management & Krankenhaus: Wie ist die Funktionsweise von Biofilmen?

Josef Peter Guggenbichler: Der Biofilm beeinträchtigt von sich aus die körpereigene Abwehr: Ein Film, der sich innerhalb von Stunden entwickelt, bildet ein schützendes Milieu, in dem bakterielle Mikroorganismen proliferieren und von der körpereigenen Abwehr geschützt sind. Die Bildung eines Biofilms beeinträchtigt entscheidend die Elimination von bakteriellen Mikroorganismen und Pilzen von einer Kunststoffoberfläche. Bakterien im Biofilm schützen sich vor dem Zugriff von Antibiotika und können untereinander besonders effizient Resistenzgene austauschen. Zur Eradikation sessiler Bakterien in einem Biofilm sind 100- bis 250- fach höhere Wirkstoffkonzentrationen nötig als zur Elimination planktonischer Keime. Wirkstoffkonzentrationen müssen über 24 Stunden aufrechterhalten werden. Antibiotika sind daher als Therapeutikum bei Infektionen implantierter Biomaterialien in den meisten Fällen nicht wirksam; am ehesten ist eine postoperative Prophylaxe imstande, die Besiedelung z.B. eines Blasenkatheters für einige Tage zu verzögern. Implantierbare Biomaterialien stehen in mehr als 60 % der Fälle einer nosokomialen Infektion an erster Stelle bei den Risiken (siehe Vincent, Lancet 2003). Man rechnet in Deutschland mit mindestens 600.000 nosokomialen Infektionen (Rüden, RKI) und einer Gesamtletalität von mindestens 10 %. Für den Patienten ist die Besiedelung von Biomaterialien – insbesondere aber eine nosokomialen Sepsis ausgehend von z.B. einem infizierten zentralen Venenkatheter – mit einer Letalität und Verlängerung des Krankenhausaufenthaltes von fünf bis acht Tagen und mit Kosten für das deutsche Gesundheitswesen in Höhe von 2,2 Mrd. € pro Jahr verbunden. Nosokomiale Pneumonien sind mit einer Letalität von 20 bis 80 % behaftet.

Management & Krankenhaus: Sie haben eine Lösung auf Silber- Basis identifiziert?

Josef Peter Guggenbichler: Die Imprägnierung von Kunststoffen mit Antibiotika (Silber-Sulfadiazin) und Desinfektionsmitteln zeigt im Falle des Arrow-Katheters eine gewisse Reduktion von Katheterinfektionen, sie ist aber statistisch nicht gesichert. Andere mit Antibiotika imprägnierte Katheter führen zur Selektion resistenter Mikroorganismen. Silber hingegen eignet sich als antimikrobielle Substanz sehr gut. Die Technologie, ausreichend antimikrobiell wirksame Konzentrationen von Silber bereitzustellen, ist jedoch schwierig. Dies gelingt durch Vergrößerung der Oberfläche des Silbers, indem Billiarden von Nanopartikel von metallischem Silber in die Kunststoffmatrix (Polyurethan, Silikon, Keramik) eingebracht werden. Dadurch kommt es zur Freisetzung bakterizid wirksamer Silber-Ionen-Konzentrationen ohne Zytotoxizität und zu sehr guter Biokompatibilität. Eine wesentliche Steigerung der Wirksamkeit kann bei gleich guter Verträglichkeit durch Aktivierung der Nanopartikel mit Silbersalzen erreicht werden. Die Freisetzung von Silberionen aus einem Katheter kann die Adhärenz bakterieller Mikroorganismen vermindern und die Biofilmbildung verhindern. Höhere Konzentrationen sind bakterizid – dies dokumentieren Ausrolluntersuchungen: Dabei wird ein Katheterstück vier Stunden mit 109 KBU von S. aureus je Milliliter kontaminiert; innerhalb von drei Stunden ist das Katheterstück keimfrei.

Management & Krankenhaus: Gibt es wichtige Ausgangsbedingungen, wo liegt die Dauer der Wirksamkeit?

Josef Peter Guggenbichler: Entscheidend ist auch die Kunststoff-Oberfläche; sie muss hydrophil und hygroskopisch sein. Verschiedene Maßnahmen steigern die Freisetzung von Silberionen. Die Wirksamkeit ist über Jahre gewährleistet.

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