Hygiene

Anaphylaxie-Register: bessere Versorgung bei allergischen Sofortreaktionen

26.12.2011 -

Anaphylaxie-Register: bessere Versorgung bei allergischen Sofortreaktionen. Über Todesfälle nach einem anaphylaktischen Schock, gibt es für Deutschland nur unsichere Schätzungen. Eine Meldepflicht existiert nicht. Deshalb hat die interdisziplinäre Arbeitsgruppe „Anaphylaxie“ des Allergie-Centrums der Charité in Berlin vor einem Jahr das Anaphylaxie-Register zur Erhebung der im deutschsprachigen Raum aufgetretenen anaphylaktischen Reaktionen entwickelt. Die Datensammlung bildet eine Grundlage für die Verbesserung in Diagnostik, Behandlung und Prävention von Anaphylaxien. Für die Betroffenen und das medizinische Fachpersonal sind Schulungen hinsichtlich Reanimation und der richtigen Auswahl und Dosierung des Notfallmedikaments notwendig. Die wirksamste Erste-Hilfe- Maßnahme, das Spritzen eines Adrenalinpräparats, wird bislang noch zu wenig angewandt.

Allergien nehmen zu, die Intensität allergischer Reaktionen und damit auch die Anzahl von Anaphylaxien steigt. Unter Anaphylaxie (griechisch: ana = gegen, phylaxis = Schutz) versteht man eine schwere allergische Sofortreaktion, die meist überraschend als Überreaktion bei Kontakt mit einer Allergie auslösenden Substanz (Allergen) auftritt. Anaphylaxien können binnen weniger Minuten zum Tod führen und müssen daher sofort und gezielt behandelt werden.

Auslöser einer Anaphylaxie

Neben bestimmten Medikamenten und Latex lösen vor allem Insektengifte und Nahrungsmittel allergische Sofortreaktionen aus (Abb. 1). Bei Kindern sind Nahrungsmittelallergene die häufigsten Auslöser. Hühnerei und Kuhmilch, Soja und vor allem Erdnüsse spielen als Ursache schwerster Reaktionen eine wichtige Rolle. Bei Erwachsenen sind Medikamente wie z.B. Antibiotika, Schmerz- und Röntgenkontrastmittel, vor allem aber Insektengifte von Bienen und Wespen die häufigsten Ursachen von Anaphylaxien. Wichtige Kofaktoren zur Auslösung der allergischen Sofortreaktion sind körperliche Anstrengung, das Medikament ASS, Alkohol oder chronische Infektionen. Die Symptome der allergischen Sofortreaktion lassen sich nach vier Schweregraden einteilen.

  • Leichte Allgemeinreaktion (Hautund Schleimhautreaktionen)
  • Ausgeprägte Allgemeinreaktion (zusätzlich Übelkeit und Erbrechen)
  • Bedrohliche Allgemeinreaktion (zusätzlich Atemnot)
  • Anaphylaxie: Kreislaufversagen, lebenswichtige Organe werden nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt, Todesgefahr

Notfallset

Bei einer anaphylaktischen Reaktion zählt im Notfall jede Sekunde. Jeder, der einmal eine sehr schwere allergische Reaktion hatte, sollte von seinem Arzt ein Notfallset verordnet bekommen. Es sollte mit einem Allergiepass immer bei sich getragen werden. Das Notfallset besteht aus

  • Adrenalin in einem Autoinjektor (sofort anzuwenden, wenn Kreislaufreaktionen auftreten. Es kann von Laien mit einem entsprechend dosierten Autoinjektor (beispielsweise Fastjekt von Allergopharma) selbst injiziert werden.
  • ein Antihistaminikum (schon bei leichten Hautreaktionen anzuwenden; damit wird das Stresshormon Histamin gehemmt, welches maßgeblich für die Symptome der Anaphylaxie verantwortlich ist)
  • ein Kortisonpräparat
  • ein Asthmaspray.

Der Allergiker sollte nach einer allergischen Sofortreaktion unmittelbar den Notarzt aufsuchen, auch wenn sich die Symptome sehr schnell bessern, sich der Kreislauf schnell stabilisiert. Das medizinische Personal sollte darüber informiert werden, wenn bereits Adrenalin verabreicht wurde, da eine Folgereaktion auftreten kann.

Ein Jahr Anaphylaxie-Register

Mit dem Anaphylaxie-Register werden erstmals systematische epidemiologische Daten zu anaphylaktischen Reaktionen im gesamten deutschsprachigen Raum erfasst. Seit Sommer 2006 werden die Zugangsdaten für den Online-Fragebogen an erste Kliniken vergeben. Aktuell sind vorwiegend allergologische Kliniken und Praxen beteiligt. Zukünftig ist vorgesehen, auch Meldungen von niedergelassenen Ärzten und Notfallambulanzen zu ermöglichen. Unter der Internetadresse www.anaphylaxie.net ist ein Passwort- geschützter Bereich eingerichtet worden, in dem sich autorisierte Benutzer anmelden können.

Datenauswertung – erste Ergebnisse

Von Juli 2006 bis Juli 2007 wurden 236 Anaphylaxien, bei denen pulmonale Symptome und ein kardiovaskulärer Kollaps auftraten, gemeldet. Häufigste Auslöser waren Insektenstiche (39,4 %, davon 57,6 % Wespengift) gefolgt von Lebensmitteln (26,3 %) und Medikamenten (22,5 %). Bei den Nahrungsmitteln führten vor allem Hülsenfrüchte (Erdnuss, Sojabohne) und tierische Eiweiße zu anaphylaktischen Reaktionen. Bei den Medikamenten waren Schmerzmittel (11,4 %) und Antibiotika (5,9 %) die häufigsten Auslöser. Die Erstbehandlung erfolgte in fast 50 % der Fälle durch den Notarzt. Auffallend ist zum einen, dass Adrenalin nur in 11 % der erfassten Fälle zur Anwendung kam und dass nur wenige Patienten mit dem Notfallset ausgestattet waren (3,4 %). Das ist besonders gravierend vor dem Hintergrund, dass bei etwa 30 % der Betroffenen die Anaphylaxie zum wiederholten Male auftrat. Dabei sind Allergiker, die schon einmal stark auf ein bestimmtes Allergen reagiert haben, besonders gefährdet für eine Anaphylaxie.

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