Labor & Diagnostik

Antikörper bleiben auch bei Älteren lern- und abwehrfähig

11.06.2021 - Eine neue Studie liefert eine überraschende Erkenntnis zur Immunantwort älterer Covid-19 Genesener.

Ältere Menschen erkranken oft schwerer an COVID-19 als Jüngere, müssen häufiger intensivmedizinisch betreut werden und haben ein höheres Sterberisiko. Nach überstandener SARS-CoV-2 Infektion zeigen Ältere jedoch eine überraschend robuste Immunantwort, die sich an der Bindungsstärke ihrer Antikörper ablesen lässt.

Eine durchgemachte SARS-CoV-2 Infektion bietet einen guten Schutz vor einer weiteren Erkrankung. Die vom Immunsystem gebildeten Antikörper bleiben auch Monate nach der Infektion stabil. Das haben Antikörper-Studien wie etwa jene des Instituts für Virologie der Medizin Uni Innsbruck in der Gemeinde Ischgl gezeigt. Bislang wurde jedoch angenommen, dass die Bindungsstärke (Avidität) und damit die Abwehrkraft dieser Antikörper bei älteren Menschen weniger stark ansteigt und sie deshalb nicht so gut und nachhaltig gegen eine erneute Infektion gewappnet sind wie Jüngere.

Eine neue Studie der Medizinischen Universität Innsbruck unter der Leitung von Reinhard Würzner (Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie) liefert nun unerwartete Erkenntnisse zur Schutzfunktion der SARS-CoV-2 spezifischen Antikörper bei älteren Menschen. „Wir konnten zeigen, dass ältere Menschen, die COVID-19 überstanden haben, eine sehr gute Immunantwort zeigen, die mehr als ein halbes Jahr nach der Infektion deutlich gereift und nicht schlechter ist, als jene von jungen Menschen“, berichtet der Medizinische Mikrobiologe Reinhard Würzner, der die Untersuchung mit seinem Team in Zusammenarbeit mit Wegene Borena und weiteren Kolleg vom Institut für Virologie durchführte. Die Forscher griffen dafür auf Blutproben von 217 Proband aus der Ischgl-Kohorte zurück, die im Rahmen der ersten Antikörperstudie in Ischgl sero-positiv getestet worden waren.

Alters- und geschlechtsunabhängige Immunantwort

Die nach einer Infektion gebildeten Antikörper durchlaufen einen Reifungsprozess, dessen Status mittels Aviditätsmessung bestimmt werden kann. Allgemein gilt: Je länger eine Infektion zurückliegt, desto höher ist die Avidität der Antikörper, weil B-Lymphozyten dem Erreger immer exakter angepasstere, also mit hoher Bindungsstärke ausgestattete Antikörper bilden. „In unserer Studie stieg die Avidität der SARS-CoV-2 spezifischen Antikörper nicht nur bei den Jüngeren, sondern überraschenderweise in fast gleichem Maße auch bei Älteren an“, so Würzner. Lag die Avidität ein bis sechs Wochen nach Infektion in allen Altersgruppen bei durchschnittlich 18 %, stieg dieser Wert sechs Monaten später in allen Altersgruppen auf über 42 %. Auch bei Betrachtung einzelner Altersgruppen ließ sich eine altersunabhängige Steigerung festmachen. „Eine gewisse Limitation dieser Studie besteht natürlich darin, dass die untersuchten Proben von Genesenen stammen, also Personen, die die Infektion überstanden haben“, betont Würzner.

Nachdem Daten aus zahlreichen Studien zeigen, dass Männer schwerer an COVID-19 erkranken und auch eher an der Infektion versterben, analysierten die Innsbrucker Forscher zudem, ob sich geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Schutzkapazität der Antikörper feststellen lassen. Das Ergebnis: Die Avidität der Antikörper lag auch sieben bis acht Monate nach Infektion bei beiden Geschlechtern auf gleichem Niveau.

Für Würzner lässt die Studie auch Rückschlüsse auf den relativ guten Impfschutz Älterer zu: „Ich denke, dass unsere Ergebnisse auch die Generierung funktionell guter Antikörper bei Älteren nach einer Impfung erklären. Viele Impfungen sind ja bei Älteren deutlich weniger wirksam, aber bei den COVID-19 Impfungen war dies bisher nicht besonders auffällig“, so Würzner.

Avidität als kostengünstiger Ersatzmarker

Eine Validierung der Ergebnisse erfolgte mittels Neutralisationstest. Dieses teure und aufwändige Testverfahren, bei dem für den Nachweis neutralisierender Antikörper ein lebendes Virus eingesetzt wird, galt bislang als alternativlos in der Qualitätskontrolle. „In unserer Studie bestätigte der Neutralisationstest, dass eine hohe Avidität mit neutralisierender Antikörperkapazität, also hohem Infektionsschutz korreliert. Damit erweist sich die Messung der Avidität als effektives und günstiges diagnostisches Mittel, mit dem es möglich wird, kostspielige Neutralisationstests zu ersetzen und den Antikörpernachweis zu optimieren“, schließt Würzner.

Avididtätsmessung

Tests zur Messung der Avidität (funktionelle Affinität) von Antikörpern haben das Ziel, frische von kürzlich abgelaufenen Infektionen mit Hilfe nur einer serologischen Untersuchung trennen zu können. Dabei wird Harnsäure eingesetzt, die nur leichte, aber nicht starke Antigen-Antikörperbindungen trennen kann. Die Avidität der spezifischen Antikörper steigt im Laufe von etwa 6 bis 12 Monaten nach einer Infektion auf ihr Maximum, und kann sogar 100% erreichen. Besonders Fälle von Infektionen mit positiven IgM-Antikörpern, die ja auch sensitiv frische Infektionen anzeigen, sind für eine Überprüfung im Aviditätstest prädestiniert, um durch die Unterscheidung von niedriger Avidität von hoher, frische von kürzlich abgelaufenen oder latenten Infektionen trennen zu können. Die Aviditätsmessung hat in der Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen besondere Bedeutung, etwa im Zusammenhang mit Röteln-Viren. Bei niedriger Avidität ist die Infektion frisch, das Ungeborene ist also gefährdet. Umgekehrt sind jedoch viele Neugeborene trotz eines positiven IgMs gesund einer Interruptio entgangen, eben weil die Avidität der Antikörper hoch war und man so die Infektion vor dem Beginn der Schwangerschaft wahrscheinlich machen konnte.

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