Einblick in die Pathologie IgG4-assoziierter Erkrankungen
14.07.2021 - Einzelzellsequenzierung entschlüsselt krankmachende Interaktion von Immunzellen in entzündlichen Pseudotumoren des Gehirns.
IgG4-assoziierte Erkrankungen (IgG4-RD, Immunglobulin G4-related diseases) gelten als Systemerkrankungen: Sie können praktisch alle Organe und Gewebe des Körpers betreffen. Entzündungen und tumorartige Schwellungen (Pseudotumoren) in den betroffenen Geweben, die zur Vernarbung neigen, sind typisch für die chronische Autoimmunkrankheit. Sie entstehen durch spezielle Antikörper produzierende Zellen des Immunsystems, Immunglobulin G4-produzierende B-Zellen, die in die Gewebe einwandern und sich dort vermehren. In seltenen Fällen kann auch das Gehirn betroffen sein, was schwere neurologische Symptome hervorruft. Der Entstehungsprozess IgG4-assoziierter Erkrankungen ist bislang nur unzureichend verstanden.
Eine an der Neurologischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) entwickelte Plattform, die vornehmlich dazu dient, tumorspezifische T-Zellen für die personalisierte adoptive T-Zelltherapie insbesondere für Patienten mit hirneigenen Tumoren zu identifizieren, gewährt nun überraschend Einblick in die Pathologie dieser Erkrankung.
Ein Forscherteam um Dr. med. Dr. rer. nat. Lukas Bunse, Assistenzarzt an der Neurologischen Klinik und Teamleiter in der Klinischen Kooperationseinheit Neuroimmunologie und Hirntumorimmunologie am DKFZ, fand heraus, dass spezielle T-Zellen, die insbesondere bei der Ausbildung des immunologischen Gedächtnisses eine Rolle spielen, durch eine unerwünschte Interaktion mit unreifen B-Zellen und zytotoxischen T-Helferzellen den entzündlichen Prozess befeuern und ihn womöglich sogar einleiten.
„Wir konnten erstmalig eine Kommunikation von T-Zellen und IgG4-RD-assozierten B-Zellen mit pathologischen Auswirkungen beschreiben“, sagt Dr. Mirco Friedrich, Erstautor der aktuell veröffentlichten Arbeit. Die Wissenschaftler hoffen, auf Basis dieser fehlgeleiteten Kommunikation eine zielgerichtete Therapie für Patienten mit IgG4-assoziierten Erkrankungen entwickeln zu können. Denkbar wäre beispielsweise, die pathologischen Rezeptor-Liganden Interaktionen zwischen den Immunzellen mittels monoklonaler Antikörper unterbinden zu können.
Für die Wissenschaftler gibt nicht nur diese Entdeckung allein Anlass zur Freude: „Dass wir die in den vergangenen Jahren entwickelte Plattform auch bei seltenen neurologischen und autoimmunologischen Erkrankungen anwenden können, ist eine äußerst spannende Perspektive“, erklärt Professor Dr. Michael Platten, Direktor der Neurologischen Klinik und Leiter der Klinischen Kooperationseinheit Neuroimmunologie und Hirntumorimmunologie am DKFZ. „Die Plattform dient eigentlich der Charakterisierung von Immunrezeptoren, auf der Basis von Einzelzell-Sequenzierungen und -Transkriptomanalysen. Dabei geht es speziell darum, die Spezifität von T-Zell-Rezeptoren und deren Verwendbarkeit für die Therapie im Kontext von Tumorerkrankungen oder auch der Autoimmunität zu eruieren.“
„Einzelzellsequenzierungen haben nicht nur die Grundlagenwissenschaften revolutioniert, sondern können für die Differenzialdiagnostik bei seltenen Erkrankungen auch einen Mehrwert in der Klinik haben“, ergänzt Bunse.
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