Hochdotierte Preise für Forschungen zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und Darmkrebs
27.09.2023 - Für seine herausragende Forschungsarbeit zu den pathophysiologischen Hintergründen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED) ist Prof. Dr. Sebastian Zundler, Universitätsklinikum Erlangen, mit dem Thannhauser-Preis der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) ausgezeichnet worden.
Prof. Zundler erhielt den mit 20.000 Euro dotierten Preis beim Kongress „Viszeralmedizin 2023“ in Hamburg. Der mit 5.000 Euro dotierte Martin-Gülzow-Preis für junge Forschende ging an Dr. Dominic Denk, Universitätsklinikum Frankfurt. Beide Preise wurden von der Falk Foundation e.V. gestiftet. Die Forschungsarbeiten beschäftigten sich mit der besonderen Rolle von T-Zellen bei chronischen Entzündungen und bei Krebserkrankungen des Darms.
Nach heutigen Erkenntnissen entstehen chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa infolge eines Zusammenspiels von Darmbarrierestörungen und Umweltfaktoren, die auf eine genetisch bedingte Empfindlichkeit des einzelnen Menschen treffen. Die pathogenetische Bedeutung des Zytokins Interleukin 3 (IL-3) bei chronischer Darmentzündung war bislang unklar. Prof. Zundler und seine Kolleg*innen konnten nun nachweisen, dass das IL-3 bei CED eine Schlüsselrolle einnimmt. Die damit zusammenhängenden Erkenntnisse ergeben ein völlig neues mechanistisches Konzept dieser Erkrankungen [1].
Thannhauser-Preis
Im Detail identifizierten Prof. Zundler und die Co-Autor*innen CD4-positive T-Zellen als Hauptquelle des IL-3 im entzündeten Dickdarm. Die über den IL-3-Rezeptor vermittelten Signale verändern die mechanobiologischen Eigenschaften regulatorischer T-Zellen (Tregs) und damit deren Beweglichkeit. Das hat Auswirkungen auf das Gleichgewicht zwischen entzündungsfördernden und entzündungshemmenden T-Zellen [1].
Insgesamt bewirkt das IL-3 eine Linderung der Kolitis: ein körpereigener Gegenregulationsmechanismus, um den entzündungsbedingten Gewebeschaden zu begrenzen. Außerdem geben die Forschungsergebnisse wichtige Einblicke in die bislang unzureichend verstandenen Mechanismen der T-Zell-Mobilität. Dies ist vor allem deshalb interessant, weil sich Tregs bereits als geeignetes Therapieziel bei CED herausgestellt haben. Aus diesen Forschungsergebnissen lassen sich neue Ansätze für innovative, organselektive Behandlungen ableiten [1].
Der nach dem deutschen Internisten und Wissenschaftler Siegfried Thannhauser (1885–1962) benannte Forschungspreis wird von der Falk Foundation e.V. gestiftet und seit 1973 alle zwei Jahre von der DGVS verliehen. Ausgezeichnet werden hervorragende wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen.
Martin-Gülzow-Preis
Der mit 5.000 Euro dotierte Martin-Gülzow-Preis für klinische Gastroenterologie wird bereits seit 1990 durch die DGVS vergeben, in diesem Jahr erstmals in Kooperation mit der Falk Foundation. Martin Gülzow (1910–1976) war von 1957 bis 1973 Lehrstuhlinhaber für Innere Medizin und Leiter der Medizinischen Klinik der Universität Rostock. Auf ihn geht die Gründung der Gesellschaft für Gastroenterologie der DDR im Jahre 1965 zurück. Der Preis wird an Gastroenterolog*innen unter 40 Jahre vergeben, die eine hervorragende und wegweisende wissenschaftliche Arbeit oder Veröffentlichung vorgelegt haben.
Dr. Denk erhielt den diesjährigen Preis für seine wissenschaftliche Arbeit zur Verbesserung der Immuntherapie bei Patient*innen mit kolorektalen Karzinomen. Im Mittelpunkt des gewürdigten Forschungsprojekts stehen T-Zellen als natürliche Immunantwort des Körpers gegen Krebs. Dr. Denk und Kolleg*innen konnten nachweisen, dass Urolithin A die Antitumor-Effekte des körpereigenen Immunsystems verstärken kann. Urolithin A ist ein natürlicher Ellagitannin-Metabolit, der auch in Granatäpfeln vorkommt, und fördert die Expansion von T-Gedächtnisstammzellen (T memory stem cells, TSCM). Er induziert die Immunantwort des Körpers gegen Krebszellen, indem in T-Zellen gealterte oder geschädigte Mitochondrien abgebaut (Mitophagie) und durch neue ersetzt werden [2].
In Tiermodellen konnte mit oraler Zufuhr von Urolithin A das intestinale Tumorwachstum T-Zell-abhängig unterdrückt werden. Die Differenzierung von T-Gedächtnisstammzellen wird gefördert, was die körpereigene Immunabwehr stärkt. Die Forschungsergebnisse sprechen außerdem dafür, dass die Urolithin-A-abhängige Antitumor-Immunität nicht allein auf Darmkrebs begrenzt ist. Diese Resultate bilden eine Grundlage für die klinische Forschung am Menschen [2].
Literatur: 1. Ullrich KAM, et al. Gut. 2023. DOI: 10.1136/gutjnl-2023-329818. (Online ahead of print) 2. Denk D, et al. Immunity. 2022;55(11):2059–73.e8. DOI: 10.1016/j.immuni.2022.09014.
Quelle: „Viszeralmedizin 2023“, Gemeinsame Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), der Sektion Endoskopie