Hygiene

Infektionsmediziner bauen mit Kliniken in Afrika und Indonesien Diagnostiklabore auf

27.06.2024 - Im Kampf gegen übertragbare Krankheiten und Antibiotikaresistenzen bauen der Infektionsmediziner Professor Sören Becker und sein Team vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität des Saarlandes mit Klinik-Partnern in Afrika und Indonesien Diagnostiklabore auf.

Ziel ist es, Krankheitserreger schnell und zuverlässig zu bestimmen, um Infektionen richtig behandeln und so Epidemien ausbremsen zu können. Die Projekte, bei denen alle Beteiligten durch Wissensaustausch profitieren, werden gefördert im Rahmen des Programms „Klinikpartnerschaften – Partner stärken Gesundheit“ der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit.

Ansteckende Krankheiten fordern in armen Ländern nicht selten viele Opfer. An fehlenden Medikamenten allein liegt dies nicht. „Ursache sind oft vielmehr die fehlenden Diagnosemöglichkeiten. Es gibt keine Labore, die vor Ort schnell und zuverlässig testen, um welchen Erreger es sich handelt“, sagt Professor Sören Becker, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene am Universitätsklinikum des Saarlandes. So kommt es, dass viele Kranke falsch behandelt werden. „Die Ärzte verordnen notgedrungen auf Verdacht hin in großem Umfang Breitbandantibiotika. Solche Medikamente sind meist leicht verfügbar“, erklärt Sören Becker.

Aber gegen den falschen Erreger – wie ausnahmslos gegen sämtliche Viren – sind Antibiotika völlig wirkungslos. „Das ist nicht nur für die Kranken fatal, die keine Hilfe bekommen, es befeuert auch Antibiotikaresistenzen“, sagt der Experte für Infektionskrankheiten, der sich unter anderem auf vernachlässigte Tropenkrankheiten, bakterielle Infektionen und multiresistente Erreger spezialisiert hat. Wo viele Antibiotika zum Einsatz kommen, passen sich Bakterien, die sich schnell vermehren, an und verändern ihr Erbgut. Antibiotika verlieren mehr und mehr ihre Wirkung gegen diese gut trainierten, widerstandsfähigen Erreger, die nun weitaus gefährlicher und nur schwer zu bekämpfen sind. In tropischen, feucht-heißen Gebieten entwickeln sie sich zum massiven Problem, das vor Grenzen nicht haltmacht. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sind Antibiotikaresistenzen eine globale Bedrohung der Gesundheit. – Und diesem Thema „Global Health“, also der weltweiten Gesundheit und Gesundheitsversorgung, haben sich Sören Becker und sein Team verschrieben.

Die Infektionsmediziner*innen setzen an den Ursachen an: Bereits seit einigen Jahren bauen Becker und seine Arbeitsgruppe in betroffenen Ländern mithilfe von Klinikpartnerschaften und Kooperationen Diagnostiklabore auf. Sie schulen die dortigen Ärzt*innen und ihre Mitarbeiter*innen darin, Erregern wie Bakterien, Viren oder auch Würmern schnell auf die Spur zu kommen. Ein erfolgreiches Vorhaben, das jetzt größere Kreise zieht und stetig wächst. „Es geht hierbei nicht um teure Maschinen und aufwändige PCR-Tests, sondern um das richtige Know-how und die passende, schnell verfügbare Ausrüstung für die Routine-Infektionsdiagnostik: Das sind zumeist Agarplatten, also Petrischalen mit einem Nährmedium, auf dem Bakterienkolonien kultiviert werden, und Mikroskope, mit denen die Proben mikrobiologisch ausgewertet werden“, erläutert Sören Becker.

Im westafrikanischen Guinea-Bissau, in Lesotho, in Indonesien und auch auf Madagaskar arbeiten inzwischen so entstandene mikrobiologische Diagnostiklabore. „Das Entscheidende ist, die Kolleginnen und Kollegen mit dem erforderlichen Wissen zu schulen, das sie dann im Labor vor Ort sofort selbst anwenden und auch selbst weitergeben können“, sagt der Experte für Tropenmedizin. Regelmäßig reisen hierfür inzwischen Teams von Ärzt*innen, sowie Labortechniker*innen auf den Medizin-Campus im saarländischen Homburg und auch umgekehrt reisen Homburger Mediziner*innen zu ihren Klinik-Partnern.

„Von diesem Wissensaustausch profitieren alle Seiten“, betont Sören Becker, „für uns sind die Kenntnisse und die Erfahrung der Kolleginnen und Kollegen sehr wertvoll: Sie haben aufgrund der weitaus höheren Fallzahl etwa bei Infektionskrankheiten wie Malaria oder auch Darmparasiten, die bei uns selten vorkommen, eine sehr hohe Expertise und Spezialwissen, das uns weiterbringt.“ So ist im Februar etwa im Saarland das Projekt „MOSKITO“ gestartet, an dem sich die Bevölkerung beteiligen kann. Hier wird die aktuelle Verbreitung von krankheitsübertragenden Stechmücken untersucht. „Mithilfe vergleichender Studien aus Guinea-Bissau an der afrikanischen Westküste wollen wir Präventionsmaßnahmen ableiten“, sagt Professor Becker.

Das Diagnostiklabor an der einzigen Universitätsklinik von Guinea-Bissau hat vor inzwischen zwei Jahren seine Arbeit aufgenommen. Sören Becker wandte sich damals direkt an den Gesundheitsminister des Landes, der bei mehr als zwei Millionen Einwohnern zugleich der einzige Kinderchirurg ist. Gemeinsam entwickelten beide die Idee einer Klinikpartnerschaft zum Aufbau des Labors für Routine-Infektionsdiagnostik. Seither hat sich viel getan. Homburger Delegationen reisten nach Guinea-Bissau, das an den Senegal und Guinea grenzt. Afrikanische Labormitarbeiterinnen und -mitarbeiter kamen für mehrere Wochen zur Weiterbildung nach Homburg. Die Teams verständigen sich auf Englisch und Portugiesisch – in Guinea-Bissau ist Portugiesisch die Amtssprache. „Wir schulen die Kolleginnen und Kollegen in Theorie und Praxis der Infektionsdiagnostik“, sagt Professor Becker, der selbst Portugiesisch spricht. Dabei geht es hier vor allem um bakterielle Infektionen, aber auch sogenannte vernachlässigte Tropenkrankheiten wie Dengue-Fieber, Darm-Würmer oder die durch Süßwasserkontakt übertragene Wurminfektion Bilharziose.

In Indonesien engagiert sich das Team des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene seit 2019 für eine verbesserte Diagnostik speziell auch gegen Parasiten-, insbesondere Wurminfektionen, die auf den dortigen Inseln weit verbreitet sind. Mit der Universität Gadjah Mada in Yogyakarta arbeiten die Homburger Wissenschaftler*innen daran, in den Partnerlaboratorien auf fünf indonesischen Inseln neue Diagnostiktechniken einzuführen. „Wurminfektionen sind in Indonesien sehr verbreitet. Unbehandelt können manche davon innerhalb weniger Tage sogar lebensbedrohlich verlaufen. Die Diagnostik geht dabei über die Standard-Labormethoden hinaus und bedarf spezieller Techniken, zu denen wir gemeinsam Schulungen durchführen“, erklärt Sören Becker. „Wir haben aktuell die Genehmigung des Folgeprojektes im Rahmen des Förderprogramms Klinikpartnerschaften der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit erhalten. Es ist vor wenigen Wochen gestartet“, freut sich der Infektionsmediziner.

In Madagaskar wiederum geht es neben sonstigen Erregern vor allem um die Verbesserung der Diagnostik und Vorbeugung von Tuberkulose und auch um Wurminfektionen in ländlichen Regionen. Auch regelmäßige Diagnostik-Onlinetrainings finden statt, wie mit Teams im afrikanischen Lesotho, das eine der höchsten HIV-Raten der Welt verzeichnet. Mitglieder aus Beckers Arbeitsgruppe waren im März vor Ort in Lesotho, um ein Labor einzurichten.

Nachdem inzwischen eine ganze Reihe an Diagnostiklaboren erfolgreich laufen, arbeiten die Homburger Infektionsmediziner nun daran, die Teams aus den verschiedenen Ländern auch untereinander zum gegenseitigen Erfahrungsaustausch zu vernetzen. So besuchten sie vor wenigen Monaten gemeinsam mit Partnern aus Indonesien, Lesotho und Guinea-Bissau die Europäische Konferenz für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit im niederländischen Utrecht und organisierten zuvor ein Netzwerk-Treffen am Campus Homburg. „Auf diese Weise soll ein Netzwerk zwischen den Diagnostiklaboren entstehen“, sagt der Tropenmediziner.

Das globale „Förderprogramm Klinikpartnerschaften – Partner stärken Gesundheit“ der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) fördert mehrere Diagnostiklabor-Projekte des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene. Dieses Förderprogramm wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gemeinsam mit der Else Kröner-Fresenius-Stiftung initiiert. Es ist eingebettet in die Agenda der Ziele für Nachhaltigkeit der Vereinten Nationen.

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