Kranke Kinder brauchen sicheren Zugang zu lebenswichtigen Medizinprodukten
28.06.2023 - Zusammen mit einer großen Gruppe führender europäischer Verbände aus dem Bereich der Kindermedizin hat sich die Stiftung Kindergesundheit in einem offenen Brief an EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides gewandt. Darin fordern die Organisationen dazu auf, den Zugang von Kindern und Patient*innen mit seltenen Krankheiten zu lebenswichtigen Medizinprodukten sicherzustellen.
Zu den Unterzeichnern des Briefes gehören u. a. die European Academy of Paediatrics (EAP) und die European Confederation of Primary Care Paediatricians (ECPCP).
„Die aktuelle Situation ist äußerst besorgniserregend. Wir sehen uns als medizinische Verbände in der Verantwortung, uns für den Schutz und die Versorgung dieser vulnerablen Patientengruppen einzusetzen“, sagt Prof. Dr. Berthold Koletzko, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. Er und die anderen Unterzeichner sehen die Versorgung der verletzlichsten Mitglieder unserer Gesellschaft in Gefahr. Es geht um die EU-Medizinprodukteverordnung (MDR). 2017 in Kraft getreten, ist diese seit Mai 2021 gültig. Die Übergangsbestimmungen dauern noch bis Ende 2028 an.
Die Richtlinie soll die Sicherheit von Medizinprodukten durch ein verändertes Zulassungsverfahren verbessern. Allerdings führt die Umsetzung dieser Verordnung zu sehr hohen Kosten und einem langwierigen Zulassungsprozess, der 18 bis 24 Monate dauern kann. Die Zulassungskosten eines einzigen Produkts können für einen Marktzugang für die Dauer von höchstens 5 Jahren beispielsweise über 800.000 € betragen. Das sind mehr als das 150-fache der Kosten für einen unbefristeten Marktzugang in den USA für dasselbe Produkt. Bei Medizinprodukten für Kinder, die nur in geringen Stückzahlen verkauft werden, können die Hersteller diese hohen Regulierungskosten nicht decken. Deshalb werden solche Produkte vom Markt genommen, obwohl sie für eine Behandlung bei bestimmten Erkrankungen unverzichtbar sind. Es droht der Verlust von Medizinprodukten mit essentieller Bedeutung für Kinder und anderen Patient*innen mit seltenen Krankheiten in der EU. Auch die Entwicklung neuer und besserer Behandlungsmethoden wird ausgebremst.
Diese Situation hat bereits heute Auswirkungen auf die Patientenversorgung. So sind beispielsweise bestimmte lebensrettende Medizinprodukte für Neugeborene mit angeborenen Herzfehlern nicht mehr am Markt verfügbar und die behandelnden Kliniken können nur noch ihre Restbestände einsetzen. Für jüngere Kinder mit Nierenerkrankungen im Endstadium droht ein Versorgungsengpass mit altersgerechten Dialysegeräten.
„Wir fordern die Verantwortlichen auf EU- und auf nationalen Ebene auf, rasch Lösungen zu finden, die die angemessene Versorgung schwer erkrankter Kinder ermöglichen“, so Koletzko weiter. Die Politik müsse dringend und umgehend Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass diese Medizinprodukte verfügbar blieben. Neben Übergangslösungen brauche es ein EU-weites Überwachungssystem, um das Verschwinden oder den Mangel an bestimmten Medizinprodukten zu erkennen sowie schnelle und kostengünstige Prüfverfahren für hochrisikoreiche Medizinprodukte.