Aus den Kliniken

Neuer Ansatz bei schweren Verläufen von Prostatakrebs

16.02.2024 - Prostatakrebs ist bei Männern in Deutschland die häufigste Krebsart und die zweithäufigste Todesursache bei einer Krebserkrankung.

Früh erkannt, sind die Aussichten auf eine erfolgreiche Therapie gut. Im späteren Stadium kann sich der Krebs jedoch ausbreiten. Über die Prostata wächst er dann in umliegendes Gewebe ein oder bildet Metastasen.

Für metastasierenden Prostatakrebs gibt es bisher nur begrenzte Behandlungsmöglichkeiten. Wissenschaftler*innen am OncoRay haben nun eine Möglichkeit gefunden, um das Ansprechen des Patienten auf die Strahlentherapie und deren Erfolg vorherzusagen. Dafür schauten sie sich besondere Gene an, wie sie im Fachjournal Theranostics berichten.

Laut Informationen des Robert Koch-Instituts erkrankten allein im Jahr 2020 deutschlandweit insgesamt 65.820 Menschen neu an Prostatakrebs. Das Zentrum für Krebsregisterdaten verzeichnete für jenes Jahr 15.403 Sterbefälle aufgrund eines Prostatakarzinoms. Die meisten Prostatakrebsarten sind für ihr Wachstum auf männliche Geschlechtshormone, Androgene, angewiesen. Unabhängig von Operation und Strahlentherapie gilt der Entzug der Androgene für Patienten mit Prostatakrebs in fortgeschrittenen Stadien der Krankheit als Standardbehandlung. Bei langem Androgenentzug wird der Prostatakrebs jedoch androgenunabhängig und wächst weiter. Die Aggressivität eines Tumors hängt stark mit den sogenannten Tumorstammzellen zusammen. Dabei handelt es sich um eine kleine Gruppe von Zellen mit besonderen Eigenschaften. Sie können sich selbst erneuern und im Tumor in verschiedene Zelltypen entwickeln. Im Vergleich zu anderen Tumorzellen sind sie besonders beweglich. „Wir gehen davon aus, dass diese Tumorstammzellen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Tumoren und der Bildung von Metastasen spielen“, sagt die Leiterin der OncoRay-Arbeitsgruppe „Biomarker für die individualisierte Strahlentherapie“, Prof. Anna Dubrovska.

Besonders problematisch ist, dass sich Tumorstammzellen resistent gegenüber herkömmlichen Tumortherapien zeigen. Deshalb könnten sie maßgeblich für das Wiederauftreten von Tumoren nach einer Strahlentherapie verantwortlich sein. Die Anzahl der Tumorstammzellen und ihre Strahlenempfindlichkeit ist je nach Tumortyp unterschiedlich. „So individuell wie die Patienten sind, so individuell sind auch ihre Krebserkrankungen“, erklärt Dubrovska. Erfolgreiche Therapien für die Zukunft müssen deshalb viel spezifischer auf den einzelnen Patienten zugeschnitten sein. Die Wissenschaftler widmen sich in ihrer Arbeit deshalb speziellen Merkmalen der Tumorstammzellen, den sogenannten Biomarkern. „Durch sie bekommen wir Hinweise auf die Eigenschaften und die Anzahl der Tumorstammzellen.“ Die Forschenden schauen so ins Innenleben des Tumors.

Gene verraten weiteren Krankheitsverlauf

In Bezug auf den Prostatakrebs beschäftigten sie sich mit zwei Genen als Biomarker: mit den Aldehyd-Dehydrogenasen (ALDH) ALDH1A1 und ALDH1A3. Aldehyd-Dehydrogenasen sind Enzyme, die eine wichtige Rolle im Stoffwechsel des Menschen und anderer Lebewesen spielen. Ihr Hauptzweck besteht darin, Aldehyde, also organische Verbindungen, zu oxidieren. Bisher sind 19 solcher ALDH-Gene im Menschen bekannt. Sie sind auch an der Regulation von Stammzellprozessen beteiligt. Schon länger gelten sie deshalb in der Wissenschaft als mögliche Biomarker für Krebserkrankungen, weil eine erhöhte Aktivität der ALDH mit Tumorstammzellen in Verbindung gebracht wird. Lassen sich damit also auch aggressive Krebszellen und damit für Patienten schlechtere Krankheits-verläufe frühzeitig erkennen?

Für ihre Studie wendete die Forschungsgruppe des OncoRay, das gemeinsam vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR), dem Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden und der Medizinischen Fakultät TU Dresden getragen wird, verschiedene Methoden an, um die Rolle von ALDH1A1 und ALDH1A3 bei Prostatakrebs zu untersuchen. In Zellkulturen, Zebrafischen und im Mausmodell schalteten sie die beiden Gene aus, um zu sehen, wie sich das auf den Krebs auswirkt. Zusätzlich analysierten sie verschiedene Tumor-Gewebeproben von Patienten mit Prostatakrebs. Die Untersuchungen zeigten, dass ALDH-Gene das Überleben von Tumorzellen im Blutkreislauf und die metastatische Verbreitung regulieren und so die Resistenz gegenüber Strahlentherapie und das Bilden von Knochenmetastasen beeinflussen. Die Forscher*innen wiesen damit nach, dass die Gene als potentielle Biomarker für den Krankheitsverlauf bei Patienten mit Prostatakrebs dienen können. Mit weiteren molekularen Untersuchungen klärten sie außerdem, welche Rolle sie bei einer weiteren Ausbreitung von Prostatakrebs im menschlichen Organismus spielen.

Chance für neue Therapien

„Wir haben gesehen, dass ALDH1A1 das Überleben von Krebszellen im Blutkreislauf und auch deren Ausbreitung im Körper fördert“, erläutert Dr. Ielizaveta Gorodetska, Genetikerin in der Forschungsgruppe. Im Vergleich dazu spielt ALDH1A3 eine entgegengesetzte Rolle und beeinflusst diese Prozesse negativ. In Prostatakrebsgeweben, die sich bereits in andere Teile des Körpers ausgebreitet haben, stellten die Forscher*innen unterschiedliche Mengen von ALDH1A1 und ALDH1A3 fest. „Zeigen die Proben von Krebspatienten höhere Mengen von ALDH1A1, ist die Prognose für eine erfolgreiche Therapie schlechter. Sind dagegen die ALDH1A3-Konzentrationen hoch, fällt die Prognose besser aus“, fasst Dubrovska zusammen. Den Dresdner Wissenschaftler*innen ist damit erstmals der Nachweis gelungen, dass die ALDH-Gene als Biomarker für die Vorhersage der Metastasen-Ausbreitung und der Strahlenresistenz bei Patienten mit Prostatakrebs funktionieren.

Diese Rolle der ALDH-Gene wird durch ihr Zusammenspiel mit Androgenen in Prostatakrebszellen vermittelt. Daraus ergeben sich neue Chancen, um wirkungsvolle Therapien zu entwickeln, die auch gegen widerstandsfähige Tumorstammzellen helfen. Die Direktorin des HZDR-Instituts für Radioonkologie – OncoRay und der Klinik für Strahlentherapie, Prof. Mechthild Krause, erklärt die Chancen für eine Umsetzung zugunsten der Patienten: „Wir können mit diesem Wissen weitere Untersuchungen durchführen, um die Diagnose und die Behandlung der Patienten zukünftig erheblich zu verbessern, sei es mit Medikamenten oder einer individuell angepassten Strahlentherapie.“ Im nächsten Schritt soll nun geprüft werden, ob die Ergebnisse auch bei anderen Krebsarten wie Kopf-Hals-Tumoren, Brustkrebs oder einem Glioblastom zutreffen.

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