Gesundheitsökonomie

Reanimationsexperten fordern Strategie

12.03.2025 - Der volkswirtschaftliche Schaden durch plötzlichen Herz-Kreislaufstillstand ist enorm.

2023 haben in Deutschland laut Hochrechnungen des Deutschen Reanimationsregisters rund 140.000* Menschen außerhalb eines Krankenhauses einen plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand erlitten. Bei ca. 71.000* davon konnten Rettungsdienst oder Notärzte mit der Reanimation beginnen, am Ende überlebten von diesen reanimierten Patientinnen und Patienten nur etwas mehr als zehn Prozent. „Die Zahlen machen deutlich, dass hier absoluter Handlungsbedarf besteht“, erklärt Prof. Dr. Matthias Fischer vom Organisationskomitee des von der DGAI getragenenen Reanimationsregisters. Denn neben dem großen menschlichen Leid verursachen diese Ereignisse auch erhebliche wirtschaftliche Schäden.

Im Rahmen der Bad Boller Reanimations- und Notfallgespräche, die einmal im Jahr von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI), dem Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. (BDA) sowie dem Deutschen Reanimationsregister veranstaltet werden, hat Prof. Fischer erstmals umfassende Berechnungen zu den volkswirtschaftlichen Folgen von Herz-Kreislauf-Stillständen vorgestellt. Dabei betonen die drei Verbände: Es geht nicht darum, einen finanziellen Wert für ein Menschenleben zu berechnen. Vielmehr sollen die Daten verdeutlichen, dass jeder vermiedene Herz-Kreislauf-Stillstand und jede erfolgreiche Reanimation nicht nur individuelles Leid verhindert, sondern auch gesamtgesellschaftlich von großer Bedeutung ist.

Bislang keine flächendeckende Initiative

Laut den Berechnungen von Prof. Fischer betragen die volkswirtschaftlichen Kosten infolge von plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillständen etwa 35 Mrd. Euro pro Jahr. Diese entstehen insbesondere durch verlorene Arbeitsjahre, außermarktwirtschaftliche Wertschöpfungsverluste und hohe Behandlungskosten. Zum Vergleich: Die jährlichen Kosten von durch Verkehrsunfälle verursachten Personenschäden betragen laut Bundesanstalt für Straßenwesen zwischen 11,8 und 15,2 Mrd. Euro. Während jedoch Präventionsstrategien im Verkehr wie Tempolimits, Anschnallpflicht oder Fahrassistenzsysteme bereits etabliert sind, fehlt eine vergleichbare Initiative zur Senkung der Todeszahlen durch Herz-Kreislauf-Stillstände. „Es gibt zwar vielerorts einzelne Maßnahmen wie Reanimationsschulungen, aber keine vergleichbare, flächendeckende Initiative, um die Zahl der Todesfälle durch plötzlichen Herzstillstand systematisch zu senken“, bedauert auch Prof. Dr. Jan-Thorsten Gräsner, Sprecher des Organisationskomitees des Deutschen Reanimationsregisters.

„Um es konkret zu machen: 2023 starben in Deutschland 2.839 Menschen durch Verkehrsunfälle“, erklärt Fischer. Demgegenüber stehen knapp 64.000 Patientinnen und Patienten, die nach einem plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand trotz Reanimationsversuchen verstarben. Nur etwa 7.500 Patientinnen und Patienten konnten am Ende lebend aus dem Krankenhaus entlassen werden – 80 % von ihnen in guter neurologischer Verfassung. Damit war der plötzliche Herz-Kreislauf-Stillstand 2023 die dritthäufigste Todesursache in Deutschland.

„Jede Reanimation ist mehr als eine medizinische Maßnahme – sie bedeutet eine zweite Chance auf Leben. Deshalb müssen wir alles daransetzen, die Zahl der vermeidbaren Todesfälle zu reduzieren“, betont Prof. Dr. Gernot Marx, der als Präsident der DGAI die diesjährigen Bad Boller Reanimations- und Notfallgespräche begleitet hat. „Die neuen Berechnungen unterstreichen eindrucksvoll, dass eine verbesserte Reanimationsversorgung nicht nur medizinisch, sondern auch gesellschaftlich und wirtschaftlich von hoher Bedeutung ist.“

Weckruf an die Politik

Auch Prof. Dr. Grietje Beck, Präsidentin des BDA, fordert ein konsequentes Umdenken: „Wir dürfen nicht nur auf den Notfall reagieren, sondern müssen gezielt präventiv handeln. Dazu gehören umfassende Schulungen der Bevölkerung in Wiederbelebungstechniken, beginnend bei den Kindern in den Schulen bis ins hohe Erwachsenenalter, und eine konsequente Weiterentwicklung der notfallmedizinischen Strukturen."

Die Experten fordern daher, dass die Erkenntnisse aus den Bad Boller Reanimations- und Notfallgesprächen stärker in die gesundheitspolitische Diskussion einfließen. In den vergangenen Jahren haben sie zentrale Stellschrauben zur Verbesserung der Überlebensrate nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand identifiziert und in ihren „10 Thesen für 10.000 Leben“ zusammengefasst. Dazu zählt auch die 2024 vorgenommene Erweiterung der klassischen Rettungskette zu einer umfassenden Überlebenskette, die neben der Akutversorgung, Rehabilitation und Nachbetreuung insbesondere auch die Prävention umfasst. Ein entscheidender Baustein ist auch die Einrichtung von Post-Reanimationsambulanzen, die Überlebende und ihre Familien langfristig begleiten und erneute Notfälle verhindern können.

Mit neuen volkswirtschaftlichen Berechnungen soll nun ein Umdenken angestoßen werden: „Jeder verhinderte Herz-Kreislauf-Stillstand und jede erfolgreiche Reanimation bedeutet einen Gewinn – für die Betroffenen, ihre Familien und die Gesellschaft als Ganzes“, so Prof. Dr. Jan-Thorsten Gräsner.

*Die Daten des Deutschen Reanimationsregisters für das Jahr 2023 stammen von 146 Notarzt- und Rettungsdiensten aus Deutschland, die eine Gesamtbevölkerung von ca. 39 Mio. Menschen versorgen. Davon weisen 46 teilnehmende Notarzt- und Rettungsdienste, die sogenannten Referenzstandorte, eine besonders hohe Datenqualität auf. Aus diesem Grund wurden letztere in diesem Zusammenhang als Grundlage für die Hochrechnung der Zahlen genutzt. Weitere Informationen zur Berechnung finden Sie im außerklinischen Jahresbericht des Deutschen Reanimationsregisters.

Kontakt

Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin DGAI

Neuwieder Straße 9
90411 Nürnberg

0911-933 78 25

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