Richtig verbunden! Ruf- und Kommunikationsanlagen in Kliniken und Pflegeheimen
14.10.2021 - Rufanlagen in Krankenhäusern und Pflegeheimen gibt es als einfache Anlage ohne Sprache bis hin zu einer Lichtrufanlage in modernster IP-Technologie.
medAmbiente sprach über die jüngsten Entwicklungen und Trends bei Ruf- und Kommunikationsanlagen im Gesundheitsbereich mit Dr. Matthias Rychetsky. Er ist Geschäftsführender Gesellschafter der EFE Elektronik- Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft sowie u. a. langjähriger Vorsitzender des ZVEI-Fachkreises Rufanlagen.
Herr Rychetsky, die Ausstattung von Patienten- bzw. Bewohnerzimmern folgt dem allgemeinen Trend der Technisierung und Digitalisierung. Wie sind Ihre Erfahrungen in der Praxis: Schöpfen die Kliniken die vorhandenen Möglichkeiten aus?
Matthias Rychetsky: Das ist sehr stark abhängig von Pflegephilosophie und Budget des jeweiligen Krankenhausbetreibers. Es gibt hier grob zwei Philosophien: Die eine Betreibergruppe setzt auf eine hohe technische Ausstattung in den Kliniken, insbesondere um den Komfort zu steigern und Personalkosten zu optimieren. Hilfreich ist hier bettenweises Sprechen mit dem Patienten. Der Patient hat dann über die Rufanlage zusätzliche Steuerungsmöglichkeiten wie Lichtschaltung, Jalousiensteuerung, TV oder sogar die Anbindung an Multimediaterminals am Bett. Nützlich kann auch eine Serviceruffunktion sein, die es erlaubt, das Pflegepersonal bei Servicewünschen zu entlasten. Auch eine Integration in die Gebäudeautomation ist möglich. In den Patientenzimmern kommen moderne Zimmerterminals mit Glasfront und Farbdisplay sowie Sensortastenfunktion zum Einsatz. Dieser Ansatz wird häufig von Planern verfolgt, die gerne moderne und innovative Technik einsetzen.
Und die zweite Betreibergruppe …?
Matthias Rychetsky: … setzt auf Kostenreduktion bei der Beschaffung der Anlage durch möglichst einfache Technik. Dies sind dann Anlagen ohne Sprechen, allerdings gerne mit integrierten Anzeigedisplays im Zimmer. Somit kann zumindest in jedem Patientenzimmer das Pflegepersonal die Rufe aus weiteren Zimmern sehen. An den Betten werden einfache Geräte mit Ruffunktion und Taster zur Lichtschaltung verwendet. Für diese Ausstattungsvariante wird mit der eingeschränkten Nutzung komplexer Technik durch das Personal argumentiert.
In beiden Fällen werden meistens in den Fluren moderne Anzeigedisplays mit Klartextinformationen platziert. Die Stations-zimmer verfügen über Tischgeräte mit Touch-Bedienung und grafischer Anzeige der Zimmer. Die Gegensprechfunktion zum Patienten ist bei höherer Ausstattung vorhanden.
Für eine durchgängige Digitalisierung muss die Rufanlage natürlich offene Schnittstellen zu anderen Systemen bieten. Dies können z. B. DECT-Systeme oder Brandmeldeanlagen sein. Die zeitgemäße Protokollierung aller Ereignisse, wie z. B. Rufe und Störungen, mit Analyse- und Filterfunktionen, ist dringend zu empfehlen. All das hilft, Optimierungspotentiale auch wirklich zu nutzen.
Wie sieht es mit Pflegeheimen aus?
Matthias Rychetsky: In der Vergangenheit kamen in Pflegeheimen leider häufig Telefonanlagen mit Rufmöglichkeit zum Einsatz. Diese entsprechen aber nicht der DIN VDE 0834 und werden nun Zug um Zug ersetzt. In den Pflegeheimen ist der Kostendruck teilweise enorm, daher werden hauptsächlich Rufanlagen ohne Sprechen eingesetzt. In vielen Fällen gibt es in den Zimmern keine Anzeigemöglichkeit von weiteren Rufen aus anderen Zimmern der Station. Das kann z. B. sehr effizient durch eine kompakte Elektronik für das Zimmer in der Signalleuchte und lediglich Ruf- und Abstelleinheiten in den Zimmern erfolgen. Die gehobene Ausstattung entspricht dann in der Regel der erwähnten zweiten Betreibergruppe der Krankenhäuser.
Erweitert wird die Rufanlage in Pflegeheimen sehr häufig durch eine funkbasierende Personenruf- oder DECT-Anlage. Diese Systeme dürfen allerdings nach DIN VDE 0834 nur als Ergänzung genutzt werden und keinesfalls die Zimmersignalleuchte ersetzen. Schließlich findet man häufig noch eine Integration von Dementenschutz-Systemen in der Rufanlage, sowie an die Rufanlage gekoppelte intelligente Sensorik zur Sturzerkennung, die die Bewohnersicherheit erhöht.
Was sind eigentlich die wesentlichen Verbesserungen, die es bei Ruf- und Kommunikationsanlagen für Gesundheitseinrichtungen im Vergleich zu etwa vor zehn Jahren gegeben hat?
Matthias Rychetsky: Alleine die Neufassung der DIN VDE 0834 in 2016 hat einen großen Schritt nach vorn gebracht. Inzwischen müssen die Rufanlagen immer eine sichere Trennung nach EN 60601-1 mit 2 x MOPP (Means of Patient Protection) zum Patientenschutz beinhalten – etwas, das vorher uneinheitlich geregelt war und damit häufig nicht korrekt umgesetzt wurde. Außerdem wurde die Verknüpfung von Rufanlagen mit medizinischen elektrischen Geräten und die Risiken, die sich dabei ergeben, klargestellt. Wenn der Betreiber dies beachtet, erhöht sich die Patientensicherheit erheblich.
Auf der Produktseite, meine ich, sind dies z. B. mehr Informationsinhalte durch grafische Displays in den Zimmerterminals und im Stationszimmer. Zudem intuitive grafische Bedienmöglichkeiten für das Pflegepersonal an modernen Zimmerterminals mit Glasfront, die sich auch leichter reinigen lassen. Die optischen Anzeigeelemente beinhalten heute moderne LED-Technik. Dies führt zu deutlich gesenktem Stromverbrauch.
Eine wichtige Verbesserung sind Magnetanschlüsse für die Anbindung der Rufgeräte am Bett. Diese Abwurfsteckvorrichtungen sorgen dafür, dass sich die Reparaturhäufigkeit deutlich senkt, da nun nicht mehr unbeabsichtigt Anschlüsse herausgerissen werden. Dies ist günstig für das Servicebudget der Betreiber. An solche Bettanschlüsse können auch Funktaster oder medizinische elektrische Geräte angeschlossen werden. Bei Letzteren muss der Betreiber allerdings sehr sorgsam vorgehen, da hier ein sogenanntes verteiltes Informationssystem erzeugt wird und zwingend eine Risikoanalyse nach DIN EN 80001-1 durchzuführen ist.
Inzwischen hat auch die IP-Vernetzung mit ihren höheren Bandbreiten Einzug gehalten, die aber auch sicher und konform zur DIN VDE 0834 umgesetzt werden muss. Dazu beabsichtigt der ZVEI eine Neuveröffentlichung, die Planungssicherheit geben soll.
Könnten Sie uns einmal einen Überblick über die Möglichkeiten und Funktionen moderner digitaler Lösungen geben?
Matthias Rychetsky: Der Betreiber sollte sich auf jeden Fall vor der Beschaffung gründlich über die Rufanlage informieren und sich mehrere Varianten anbieten lassen. Dies beginnt bei einer einfachen Anlage ohne Sprache bis hin zu einer Lichtrufanlage in modernster IP- Technologie. Aber auch hierfür muss sich der Endkunde über den tatsächlichen Bedarf an Kommunikation im Klaren sein.
Es besteht die Möglichkeit, ein Rufsystem ohne Sprache mit der Option der nachträglichen Umrüstung auf ein Sprachsystem vorzusehen. Somit hat man zu einem späteren Zeitpunkt die Chance, eine einfache Rufanlage ohne größere Baumaßnahmen in ein Kommunikationssystem mit Sprache umzurüsten.
Rufanlagen dürfen nur durch einen geschulten Fachplaner für Rufanlagen geplant werden. Der Fachplaner hilft bei der normenkonformen Umsetzung der Rufanlage, sodass dann spätere Probleme und insbesondere Haftungsrisiken vermieden werden.
Zudem sollten die Rufanlagen nicht mit zu vielen technisch möglichen Zusatzfunktionen überfrachtet werden. Dies senkt die Akzeptanz bei Patienten und dem Pflegepersonal. Ob die Rufanlage in Bus- oder IP Technologie realisiert wird, spielt am Ende dann eigentlich eine untergeordnete Rolle.
Wie unterscheiden sich Lösungen für Krankenhäuser, Pflegeheime, Altenheime und psychiatrische Einrichtungen?
Matthias Rychetsky: Zunächst unterliegt in allen genannten Einrichtungen die Rufanlage in vollem Umfang der DIN VDE 0834. Dies trifft übrigens auch auf forensische Kliniken, Justizvollzugsanstalten, Verwahrzellen in Polizeistationen und sogar auf einzelne Behinderten-WCs zu. Das heißt, grundsätzlich muss also die technologische Grundlage in allen genannten Einrichtungen das gleiche Sicherheitsniveau erreichen. Eine einheitliche Basis bietet zudem noch die Möglichkeit, auch alle Mischformen, wie z. B. ein Justizvollzugskrankenhaus oder Pflegeheime mit Intensivpflege, sinnvoll abzudecken. Hier sind Hersteller klar im Vorteil, die das gesamte Spektrum abbilden können.
Natürlich kommt es dann für das einzelne Projekt auch auf die Flexibilität und den Erfahrungsschatz im jeweiligen Bereich an. Wie schon geschildert, wird im Pflegeheim die Kosteneffizienz im Vordergrund stehen und in aller Regel ein System ohne Sprache installiert werden. Es gibt aber auch große Pflegeheime, die sogar eine Bildschirmabfrage mit Gebäudegrundriss und Managementfunktionalität einsetzen, die man vielleicht eher in einem großen Krankenhaus erwarten würde.
Aus den Erfahrungen von forensischen und psychiatrischen Einrichtungen kann man sagen, dass dort eine Rufanlage in der Regel vandalismusgeschützt gebaut werden sollte. Es geschieht sehr häufig, dass die Gerätschaften in den Zimmern durch Gewalteinwirkung beschädigt oder zerstört werden. Hier können wir aus unserem Sortiment der Zellenkommunikation Geräte mit Edelstahlfront anbieten.
Die Systeme können ja sehr komplex sein – wie stark hängt die Ausschöpfung der Möglichkeiten von der Schulung der Mitarbeiter ab?
Matthias Rychetsky: Das Pflegepersonal ist äufig durch teilweise hohe Fluktuation nur ungenügend geschult – obwohl nach DIN VDE 0834 der Betreiber hier in der Pflicht steht. Dadurch werden die komplexen Anlagen leider nur unzureichend genutzt. Allerdings kann durch eine geschickte Bedienerführung über Touchbildschirme mit einer gut gemachten grafischen Oberfläche viel vereinfacht werden. Dann werden auch komplexe Funktionen für die Pflegekräfte intuitiv nutzbar.
Gleiches gilt auch für die technische Betreuung der Rufanlagen, da immer weniger speziell ausgebildete Techniker in den Häusern zu Verfügung stehen. Hier müssen sich die Betreiber ihres Haftungsrisikos im Klaren sein, denn an Rufanlagen dürfen nur speziell geschulte Fachkräfte für Rufanlagen arbeiten. Dies gilt immer, also auch wenn am Wochenende eine Störung vorliegt. Am Markt sind Seminare zur Ausbildung „Fachkraft für Rufanlagen nach DIN VDE 0834“ verfügbar, ohne deren erfolgreichen Teilnahme man nicht an einer Rufanlage arbeiten darf.
Als kritischer Punkt kann das Thema Datenschutz auftauchen. Es werden ja Rufdaten gespeichert, zum Beispiel im Pflegeheim: Wann, wo, wie lange, aus welchem Bewohnerzimmer. Und: Wie schnell hat das Pflegepersonal reagiert... – das kann zum Beispiel Leistungsüberwachung ermöglichen. Wie wird damit umgegangen?
Matthias Rychetsky: Zunächst einmal ist eine Speicherung der Rufdaten sehr wichtig, um das normenkonforme Handeln des Pflegepersonals und des Betreibers zu belegen. Wenn aus falsch verstandenem Datenschutz gar keine Speicherung der Rufdaten erfolgt, ist der Betreiber, aber auch sein Mitarbeiter, im Schadensfall einem ungleich höheren Haftungsrisiko ausgesetzt – eine Beweisführung für korrektes Handeln ist in vielen Fällen schlicht nicht möglich.
Beispielsweise ermöglicht die DIN VDE 0834 in Systemen mit Sprache die Fernabstellung von Rufen. Dies ist aber nur dann zulässig, wenn nachweislich vorher mit dem Patienten gesprochen wurde. Das heißt, hier wird implizit eine Protokollierung der Rufdaten gefordert.
Außerdem sollte eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Pflegedienstleitung und Pflegenden gar nicht erst den Verdacht der Mitarbeiterüberwachung aufkommen lassen. Dies kann z. B. durch technische Lösungen, wie ein Vieraugenprinzip beim Zugriff auf die gespeicherten Daten, unterstützt werden.
Mit einer guten Rufprotokollierung, die bei der heutigen digitalen Speicherung die Daten auch über große Zeiträume archivieren kann, ist es möglich, Angehörigen klar zu dokumentieren, wie schnell das Pflegepersonal reagiert hat. Hierbei werden ausschließlich der Ruf, die Markierung der Anwesenheit des Pflegepersonals sowie das Löschen des Rufs oder auch Störungen der Anlage protokolliert. Personendaten werden dabei nicht erfasst.
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