Krebstherapie: Klaus Tschira Stiftung fördert Forschungsprojekt an der Nuklearmedizin Heidelberg
13.03.2012 -
Krebszellen in Prostatatumoren und ihren Tochtergeschwülsten tragen an ihrer Oberfläche ein Eiweiß, das im menschlichen Körper sonst sehr selten ist. Diese Eigenschaft nutzen Nuklearmediziner der Radiologischen Universitätsklinik Heidelberg in neuen Diagnose- und Therapieverfahren: Mit maßgeschneiderten radioaktiven Wirkstoffen, die ausschließlich an dieses Eiweiß binden, wird der Tumor für die Bildgebung markiert oder von innen heraus bestrahlt. Gesundes Gewebe wird dabei geschont.
Nun wollen die Wissenschaftler diese Verfahren, die bisher nur am Universitätsklinikum Heidelberg angeboten werden, weiterentwickeln und den Einsatz bei anderen Krebserkrankungen prüfen. Die Klaus Tschira Stiftung unterstützt sie dabei in den kommenden drei Jahren mit insgesamt 436.500 €.
Prostatakrebs ist in Deutschland die häufigste Tumorerkrankung des Mannes, rund 15.000 Männer sterben jährlich daran. Da Beschwerden erst spät auftreten, haben sich zum Zeitpunkt der Diagnose häufig bereits Tochtergeschwülste gebildet. Um Tumor und Metastasen lokalisieren und präzise bestrahlen zu können, verwenden die Mediziner sehr geringe Mengen eines radioaktiv markierten Medikaments, das, in die Blutbahn injiziert, bevorzugt an Tumorzellen bindet bzw. von diesen aufgenommen wird. Mit Hilfe der Positronen-Emissionstomographie (PET) kann selbst diese geringe, ungefährliche Konzentration radioaktiver Strahlung im Gewebe dargestellt werden. Nebenwirkungen treten nicht auf.
Grenzen zwischen Tumor und gesundem Gewebe besser erkennbar
Die neue Substanz, eine Entwicklung der Abteilung Radiopharmazie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Kooperation mit den Nuklearmedizinern des Universitätsklinikums, zeichnet sich durch eine höhere Treffgenauigkeit als gängige radioaktive Kontrastmittel (Radiopharmaka) aus. Sie bindet ausschließlich an das Eiweiß PSMA (Prostata-spezifisches Membran-Antigen), das in Prostatakarzinomen und ihren Metastasen in bis zu zehnmal höherer Konzentration als in gesundem Gewebe gebildet wird. "Je aggressiver der Tumor, desto mehr PSMA und damit mehr Bindungsstellen für das neue Radiopharmakon tragen die Tumorzellen an ihrer Oberfläche", erklärt Prof. Dr. Uwe Haberkorn, Ärztlicher Direktor der Abteilung Nuklearmedizin an der Radiologischen Universitätsklinik Heidelberg und am DKFZ. In der gesunden Prostata, gutartigen Prostataveränderungen und in einigen anderen Organen kommt PSMA nur in sehr geringen Mengen vor.
Gängige Radiopharmaka markieren in der Regel Stoffwechselveränderungen oder schnell wachsendes Gewebe. Zwar trifft das auf Tumoren zu - aber nicht nur auf diese und nicht auf alle Tumorbereiche. "Im Vergleich zu den Standardverfahren erreichen wir mit dem neuen radioaktiven Marker einen deutlich besseren Kontrast zwischen Tumor und gesundem Gewebe und können nun kleinere Metastasen oder Rezidive, also erneut gewachsene Tumoren, besser erkennen", sagt Haberkorn. "Das verbessert die Therapieplanung." Seit 2011 setzt er das neue Kontrastmittel, bestückt mit dem nur wenige Stunden haltbaren radioaktiven Isotop Gallium-68, mit Erfolg in der Krebsdiagnostik ein.
Radioaktives Medikament verstrahlt Tumoren von innen
Darüber hinaus ist PSMA ein vielversprechendes Ziel für die Therapie. Dazu wird das PSMA-bindende Radiopharmakon mit einem etwas stärker strahlendem Element, z.B. radioaktivem Jod-131, beladen. Die natürliche Funktion von PSMA unterstützt die therapeutische Wirkung: Das Eiweiß transportiert angelagerte Moleküle ins Zellinnere. So gelangt die Strahlung in die Tumorzellen und kann ihre zerstörerische Wirkung voll entfalten. Da nahezu ausschließlich Krebszellen das Radiopharmakon aufnehmen, wird nur in Tumoren eine schädliche Strahlendosis erreicht. "Diese selektive Anreicherung des radioaktiven Medikaments im Tumorgewebe erreichen wir derzeit mit nur wenigen gängigen Therapien", so Haberkorn.
Entwickelt wurde das Medikament von Kooperationspartnern einer amerikanischen Firma und erwies sich im Tierversuch als sehr erfolgreich: Mit einer ein- bzw. zweimaligen Gabe konnte das Tumorwachstum langanhaltend unter Kontrolle gebracht werden. Seit 2011 erhalten in Heidelberg erste Patienten mit fortgeschrittenem, therapieresistentem Prostatakarzinom das radioaktive Arzneimittel.
Im Rahmen des geförderten Projektes will das Team um Prof. Haberkorn das PSMA-Radiopharmakon nun einer breiteren Anwendung zugänglich machen. Dazu sollen weitere therapeutische Wirkstoffe sowie ein Kontrastmittel mit etwas länger haltbarem radioaktiven Element hergestellt werden. So kann es auch in weiter entfernte Kliniken und Praxen transportiert werden. "Parallel dazu erforschen wir, ob sich PSMA-Radiopharmaka auch in der Diagnose und Therapie anderer Tumorerkrankungen wie Darm-, Brust- und Hautkrebs einsetzen lassen. Auch diese Tumoren bilden verstärkt PSMA, allerdings nur in den im Tumor neu gebildeten Blutgefäßen", sagt der Nuklearmediziner.
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