Aus den Kliniken

Multiresistente Keime: pauschales Screening in Kliniken offenbar wenig effizient

16.09.2015 -

Ein wenige Punkte umfassender Katalog regional definierter Kriterien reicht offenbar für die gezielte und effektive Identifikation von Patienten mit Multiresistenten Keimen (MRE) bei der Aufnahme in ein Krankenhaus aus. Dies lässt sich aus einer ersten Studie des Zentralbereichs Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden ableiten, bei der die Daten von 355 Patienten zweier Intensivstationen (ITS) ausgewertet wurden. Die vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz finanzierte und am Vortag des 1. Internationalen Tags der Patientensicherheit vorgestellte Studie gibt zudem Hinweise darauf, dass beispielsweise Patienten, die in dem Jahr vor der Krankenhausaufnahme in einer Reha-Klinik behandelt wurden, überproportional oft MRE-Träger sind – ganz im Gegenteil zu Bewohnern von Altenheimen. Um die Ergebnisse der Studie jedoch wissenschaftlich weiter zu untermauern, ist eine Untersuchung mit höheren Patientenzahlen erforderlich.

Das Universitätsklinikum Dresden sieht sich durch die Ergebnisse der Studie in seiner Strategie bestätigt, dass sich die Patientensicherheit bei einem Krankenhausaufenthalt weniger durch vordergründige Maßnahmen wie das MRE-Screening bei allen stationär Behandelten erhöhen lässt, sondern vor allem durch gezielte Aktivitäten in den relevanten Bereichen. Dazu wurden hierfür verantwortliche Strukturen aufgebaut, die im Uniklinikum Dresden direkt der Krankenhausleitung unterstellt sind. Mit den Zentralbereichen Klinische Infektiologie, Krankenhaushygiene sowie Risiko- und Qualitätsmanagement entwickelte sich das Uniklinikum Dresden zum Vorreiter für ein effizientes Vorgehen beim Thema Patientensicherheit. Ihren vorläufigen Abschluss fanden diese Aktivitäten mit der vor knapp zwei Jahren erfolgten Etablierung der Infektiologie. Sie komplettiert die Strukturen, die die Sicherheit der Patienten auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten intern und klinikübergreifend auf höchstmöglichem Niveau verlässlich gewährleisten. Bereits seit mehreren Jahrzehnten werden die Belange der Patientensicherheit von der Krankenhaushygiene vertreten, zu der vor 15 Jahren am Dresdner Uniklinikum das Qualitätsmanagement hinzukam.

Von dieser durch die drei Zentralbereiche aufgebauten Expertise profitieren nicht nur die Patienten des Uniklinikums: Die Experten bilden regelmäßig auch externe Kollegen weiter und beraten zahlreiche Krankenhäuser. So findet am morgigen Donnerstag (17. September) das „Symposium Praxis der Krankenhaushygiene“ statt, das gemeinsam vom Zentralbereich Krankenhaushygiene und Umweltschutz sowie der Carus Akademie am Universitätsklinikum Dresden bereits seit mehr als 20 Jahren in dieser Form ausgerichtet wird. Auch Forschungsvorhaben wie zum Beispiel die nun abgeschlossene Studie „Surveillance von Multiresistenten Erregern auf Intensivstationen“, gehören zum Aufgabenspektrum von Krankenhaushygiene, Risiko- und Qualitätsmanagement sowie Infektiologie. Im Zeitraum der Studie – vom 15. Oktober bis zum 19. Dezember 2014 – wurden auf zwei ausgewählten Intensivstationen des Uniklinikums 560 Patienten behandelt. Davon beteiligten sich 355 an der Studie, indem sie ihre Teilnahme zugesagt und die Fragebögen ausgefüllt hatten.

Die Studie bestätigt das bisherige Vorgehen des Universitätsklinikums, Patienten nur dann auf Multiresistente Erreger zu testen, wenn bei ihnen bereits zu einem früherem Zeitpunkt MRSA nachgewiesen wurde, sie an chronischen Wunden leiden, sie direkt aus anderen Krankenhäusern sowie Rehabilitationskliniken aufgenommen wurden oder sie dialysepflichtig sind. „Dieses Studienergebnis ist ein Beleg dafür, dass Krankenhäuser das Thema der Multiresistenten Erreger nicht einfach mit dem vordergründigen Aktionismus eines flächendeckenden Screenings aller Patienten abhaken können. Vielmehr müssen zusätzliche Ressourcen gezielt in Strukturen wie unsere Zentralbereiche investiert werden, die das Auftreten der Infektionen während des stationären Aufenthalts auf ein Minimum reduzieren“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Dresdner Uniklinikums.

Klinische Infektiologie: Mehr Know-how und weniger Medikamente

Mit der Pharmazeutin und Internistin Dr. Dr. Katja de With hat das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden den Kampf gegen klinische Infektionen intensiviert. Als erstes deutsches Uniklinikum etablierte der Maximalversorger Anfang 2014 einen dem Vorstand direkt angegliederten „Zentralbereich Klinische Infektiologie“, den Dr. de With leitet. „Dieser neu hinzugekommene Bereich ist eine wichtige Ergänzung unseres langjährigen Engagements, unsere Patienten auf dem höchstem medizinischen Niveau zu behandeln – das schließt selbstverständlich auch die Fragen von Sicherheit und Qualität ein“, sagt Prof. Albrecht. Als Medizinischer Vorstand sind ihm die drei Zentralbereiche Infektiologie, Krankenhaushygiene sowie Risiko- und Qualitätsmanagement direkt unterstellt. Diese eng miteinander verzahnte Organisation stellt sicher, dass die von diesen Bereichen gesetzten Standards für das gesamte Universitätsklinikum gelten und es nicht von einzelnen Bereichen abhängt, wie sie mit den Anforderungen bei Hygiene, Sicherheit und Qualität umgehen. „Patientensicherheit auf höchstmöglichem Niveau lässt sich nur mit durchsetzungsfähigen Experten gewährleisten. Ein Hygieneexperte kann noch so kompetent sein – vermag er das ärztliche und pflegerische Personal nicht zu überzeugen und fehlt ihm die entsprechende Unterstützung des Krankenhausmanagements, bleibt vieles auf der Strecke. Die Stärke des Dresdner Uniklinikums ist es, dass wir mit Prof. Lutz Jatzwauk, PD Dr. Maria Eberlein-Gonska und Dr. Katja de With hochkompetente und durchsetzungsstarke Führungskräfte in den drei Bereichen haben. Nach unserem Verständnis als Klinikumsvorstände gehören eine starke Infektiologie und Krankenhaushygiene zu unserer Leitungsaufgabe, die wir deshalb entsprechend unterstützen“, sagt Prof. Albrecht.

Gerade bei der Frage der Multiresistenten Erreger ist ein enge Zusammenarbeit der Zentralbereiche erfolgsentscheidend: Während der Hygieneexperte Prof. Jatzwauk die Regularien des MRE-Screenings verantwortet, um die Patienten zu identifizieren, die solche Erreger bei der Krankenhausaufnahme tragen, geht es Dr. de With darum zu prüfen, inwieweit diese oder andere Erreger überhaupt eine Infektion bei den Patienten ausgelöst haben. Denn die Feststellung, dass Patienten MRE-Träger sind, bedeutet noch nicht, dass eine behandlungspflichtige Infektion vorliegt. In dieser Situation unkritisch massiv Antibiotika einzusetzen, ist oft der falsche Weg. – Dass weniger mehr sein kann, ist für Dr. de With Alltag. Denn der intensive Einsatz von Antibiotika kann sich leicht ins Gegenteil umkehren: „Wenn durch Antibiotika lebensnotwendige Bakterien komplett vernichtet werden, kann das die Besiedlung mit anderen, antibiotikaresistenten Erregern fördern“, erklärt die Infektiologin.

Auch gibt es weitere Risiken: Antibiotika können vielfältige, bis hin zur Einschränkung von Organfunktionen, oft schwer zu erkennende Nebenwirkungen haben. Fast immer bringen sie die auf schützenden Bakterien beruhende Darmflora in ein Ungleichgewicht. Deshalb ist es wichtig, die Entscheidungen des einzelnen Arztes über den Einsatz von Antibiotika – sei es die Wahl des Medikaments, dessen Dosis oder die Dauer der medikamentösen Therapie – durch einen interdisziplinär tätigen Experten zu unterstützen. Hierzu bietet Dr. de With im Dresdner Uniklinikum einen infektiologischen Konsildienst und infektiologische Visiten auf Intensivstationen an. In ihrer doppelten Qualifikation als Pharmazeutin und Internistin sorgt sie für neue Perspektiven und kann gemeinsam mit den Klinikärzten eine optimale Therapiestrategie erarbeiten. Basis dafür ist die von sieben medizinischen Fachgesellschaften getragene Leitlinie „Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus“, die erstmals für den deutschen Sprachraum die Grundlagen für eine gezielte Antibiotikatherapie in einem wissenschaftlich erarbeiteten Dokument zusammengefasst hat. Als Koordinatorin dieses Vorhabens hat Dr. de With wesentlich an den Empfehlungen mitgewirkt.

Hygiene: Qualität sichern durch Fortbildung, Kontrolle und Transparenz

Dass am Dresdner Uniklinikum seit Jahren die in den Intensivstationen gemessenen Infektionsraten sinken, ist auch eine Bestätigung der Arbeit des von Prof. Lutz Jatzwauk geleiteten Zentralbereichs Krankenhaushygiene. Ein Erfolgsfaktor dafür ist neben der kontinuierlichen Arbeit des Teams die Kombination aus Kontrolle, Transparenz und Unterstützung. In den letzten 20 Jahren sorgte der Bereich dafür, dass das Thema der im Krankenhaus erworbenen Infektionen eine hohe Aufmerksamkeit beim ärztlichen und pflegerischen Personal genießt. Um den positiven Trend weiter zu verstetigen, wurde 2012 die Pflicht für neue Mitarbeiter eingeführt, eine Onlineschulung zur Händedesinfektion zu absolvieren. Zudem beobachten die fünf Hygieneschwestern regelmäßig Mitarbeiter der Intensivstationen, ob sie die Hygienevorschriften befolgen. Sehr engmaschig ist die Verfahrensweise bei akut auftretenden Infektionen: In regelmäßigen Gesprächen erörtern die Hygieneschwestern mit dem zuständigen Arzt die Schutzmaßnahmen. Diese Infektionen werden zentral dokumentiert und statistisch aufbereitet. Die auch im Jahresbericht des Universitätsklinikums veröffentlichten Daten machten das Geschehen zudem transparent.

Qualität in der Krankenversorgung benötigt viele Detaillösungen

Vor 15 Jahren wurde am Dresdner Uniklinikum das Qualitätsmanagement in Form eines dem Vorstand direkt unterstellten Zentralbereichs etabliert und in den Folgejahren durch die Leiterin PD Dr. Maria Eberlein-Gonska kontinuierlich ausgebaut. So verfügt das Klinikum heute über eine Vielzahl an Aktivitäten, Maßnahmen und Projekten, die nachweislich die Qualität und Sicherheit der Behandlung garantieren. Aktuell arbeitet ein zehnköpfiges aus verschiedenen Berufsgruppen bestehendes Team im Zentralbereich Qualitäts- und Medizinisches Risikomanagement, die die Klinikumsmitarbeiter bei der Erbringung einer qualitativ hochwertigen Patientenversorgung mit ganz konkreten Maßnahmen unterstützen. Beispielhaft für die Aktivitäten des Qualitätsmanagements ist das interne Berichtswesen als wesentliche Grundlage für einen transparenten Umgang mit Qualitätskennzahlen im Klinikum: Hier können alle Mitarbeiter zeitnah auf regelmäßig aktualisierte statistische Datenauswertungen zu Qualität und Sicherheit ihrer Klinik zugreifen und so frühzeitig Auffälligkeiten erkennen und gegebenenfalls mit Verbesserungsmaßnahmen gegensteuern. Weitere Maßnahmen im Sinne der Patientensicherheit sind Patientenidentifikationsbänder für das Handgelenk, ein Sturzassessment für Patienten, um gefährdete Patienten gleich bei Krankenhausaufnahme zu identifizieren, ein OP-Sicherheitscheck mit integriertem „Team-Time-out“ am OP-Tisch zur letzten Absicherung, dass der richtige Patient die vorher festgelegte Therapie erhält oder das Meldesystem für so genannte Beinahefehler – das Critical Incident Reporting System (CIRS). Herausragend ist die seit zwei Jahren bestehende Kooperation mit dem Zentrum für evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, bei dem die wissenschaftliche Evaluation zahlreicher QM-Aktivitäten im Vordergrund steht, um den Nutzen für den Patienten und auch den Aufwand für die Mitarbeiter zu identifizieren. Dies ist für die Weiterentwicklung und Akzeptanz von Qualitäts- und medizinischem Risikomanagement richtungsweisend.

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