Intensiv- und Notfallmedizin in Deutschland: „Vereinen, vernetzen und voranbringen“
12.04.2017 -
Jede Sekunde zählt, wenn es in der Intensiv- und Notfallmedizin um das Patientenwohl geht.
Wenn es dagegen um die Interessen der behandelnden Mediziner und angeschlossener Berufsgruppen geht, da zählen alle auf die Arbeit der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Deren neu gewählter Vorstand ist nun 100 Tage im Amt, Zeit für eine erste Bilanz. Als Präsident steht seit Anfang Januar Prof. Stefan Schwab, Direktor der Neurologischen Klinik am Universitätsklinikum Erlangen, an der Spitze der DIVI. Sein Ziel ist, mit neuer Kraft die Bedeutung der Intensiv- und Notfallmedizin in Deutschland zu stärken.
Dafür sind Schwab und seine 13 Präsidiumskollegen angetreten. Unter dem Dach der DIVI versammeln sich wissenschaftliche Fachgesellschaften, Ärzte sowie die Gesundheitsfachberufe wie Pfleger, Physiotherapeuten, Medizin-Informatiker, Pharmakologen, Mikrobiologen oder Seelsorger, die sich mit der Intensivmedizin beschäftigen. Im ersten Interview seiner Amtszeit spricht DIVI-Präsident Schwab darüber, wie er die Belange der Intensiv- und Notfallmedizin in Zukunft bei Kostenträgern, Politik und Ärzteschaft stärker vertreten will.
Herr Prof. Schwab, welche Aufgaben haben Ihre Amtszeit in den ersten 100 Tagen geprägt?
Prof. Stefan Schwab: Prägend waren vor allem zwei Aufgabenbereiche, die uns im Präsidium auch in den kommenden Monaten beschäftigen werden: Wir wollen einerseits die DIVI als Fachgesellschaft weiter professionalisieren. Und wir wollen in der Öffentlichkeit die Bedeutung der Intensiv- und Notfallmedizin deutlich stärken.
Was meinen Sie mit dieser Professionalisierung genau?
Schwab: Wir müssen uns viel deutlicher als bisher als interdisziplinärer Dachverband präsentieren. Gerade der Austausch unter so vielen unterschiedlichen Fachkollegen ist unsere Stärke. Die unterschiedlichen Interessen zu vereinen, zu vernetzen und in der Summe nach vorne zu bringen ist unser Anspruch Immerhin vereinen wir mehr als 2200 Mitglieder unter dem Dach der DIVI. Das sind Einzelmitglieder, wissenschaftliche Gesellschaften und Berufsverbände – jeder mit ganz eigenen Interessen. Wir wollen alle Beteiligten der Intensiv- und Notfallmedizin vereinen, vernetzen und voranbringen in ihrer Arbeit. Dafür werden wir uns besonders einsetzen.
Und soll damit auch in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für die Intensiv- und Notfallmedizin gestärkt werden?
Schwab: Es ist zumindest ein Teil unserer Strategie. Die DIVI ist die wichtigste Stimme der Intensiv- und Notfallmedizin. Als solche werden wir uns in Zukunft noch stärker bemerkbar machen. Nicht nur gegenüber den Mitgliedsgesellschaften. Wir wollen auch nach außen hin deutlicher erkennbar machen, welche Bedeutung die Intensiv- und Notfall in unseren einzelnen Fachdisziplinen - Anästhesie, Chirurgie, Innere Medizin, Kinder- und Jugendmedizin, Neurologie und Neurochirurgie - für die Gesundheitsversorgung in Deutschland haben. Das gilt es noch besser darzustellen, zu stärken und auch gegenüber den Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen zu verdeutlichen.
Wird die DIVI nach Ihrer Meinung in der Politik noch zu wenig wahrgenommen?
Schwab: Das glaube ich nicht. Gerade mit der Politik und den Kostenträgern pflegen wir heute schon gute Kontakte. Für diese sind wir schon lange einer der entscheidenden Ansprechpartner, wenn es um Fragen zur Intensiv- und Notfallmedizin geht. Aber das alleine reicht nicht. Nur wenn wir mit unseren rund 20 Mitgliedsgesellschaften noch enger zusammenarbeiten als bisher, können wir zusammen mehr Gewicht in die Waagschale legen, um unsere gemeinsamen Interessen durchzusetzen. Zum Beispiel wenn es um Fragen der Weiterbildungsordnung oder die Zuständigkeiten auf Intensivstationen und in der Notfallmedizin geht. Da gibt es viele berufspolitische Fragen, die klare Antworten brauchen.
2017 ist ein Wahljahr und Politiker machen gerade jetzt viele Versprechungen. Welche Forderungen haben Sie an die Volksvertreter?
Schwab: Wir wollen der Politik klarmachen, dass die hohe Qualität in der Intensiv- und Notfallmedizin ihren Preis hat, aber auch entsprechend gute Ergebnisse für unsere Patienten bringt. Intensivmedizin ist natürlich kostenintensiv. Wir können auch nachvollziehen, dass die Abrechnungsmodalitäten in Deutschland immer wieder zu Streitigkeiten zwischen den Kostenträgern und den Kliniken führen. Wir müssen hier gegenüber der Politik noch viel schärfer als zuvor unsere Ziele für die Intensiv- und Notfallmedizin verdeutlichen.
Ihre Mitglieder sind sehr unterschiedlich. Wie können Sie alle politischen Interessen gleichermaßen vertreten?
Schwab: Es ist nicht immer ganz leicht, alle Interessen auf einen Nenner zu bringen. Es ist manchmal sicher eine Herausforderung, alle Mitgliederanliegen zu berücksichtigen. Das ist aber auch der Reiz der DIVI, nicht nur eine einzelne Fachgesellschaft zu repräsentieren, sondern eben über 20 – eine ganz besondere Aufgabe. Wir sehen unsere Stärke auch darin, unseren kleineren Mitgliedsverbänden zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen können, die sie alleine nicht bekommen würden.
Was ist Ihnen beim diplomatischen Interessensausgleich zwischen den Gruppen besonders wichtig?
Schwab: Entscheidend ist, dass wir bei unserer Arbeit alle fünf Säulen der DIVI - Anästhesie, Chirurgie, Innere Medizin, Kinder- und Jugendmedizin sowie Neuromedizin - gleichermaßen berücksichtigen. Sprich die Interessen der Anästhesisten, Chirurgen, Internisten, der Neurologen und der Pädiater insgesamt im Auge behalten. Das kann manchmal im Detail sehr schwierig sein, aber nur so können wir die Einzelinteressen bündeln, mit einer Stimme sprechen und uns stark repräsentieren.
Müssen Sie dann nicht gegenüber den politischen Parteien viel mehr Druck ausüben, um Einfluss zu nehmen?
Schwab: Wir wollen sicher nicht mit der Brechstange agieren, um so politischen Druck bei Parteien zu erzeugen. Als DIVI-Vorstand müssen wir uns und unseren Mitgliedern durch fachliche Kompetenz mehr Gehör verschaffen. Die Politik muss dabei wissen, dass wir der wesentliche Ansprechpartner in der Intensiv- und Notfallmedizin sind.
Welche Rolle spielen dabei die Vorstände der DIVI-Mitgliedsgesellschaften?
Schwab: Eine ganz entscheidende Rolle. Die gemeinsame Lobbyarbeit müssen wir noch intensiver untereinander koordinieren. Aktuelle politische Entwicklungen müssen wir gemeinsam beobachten und kommentieren. Da ist der Input jeder Gesellschaft und jedes aktiven Mitgliedes gefragt, um durch gemeinsame Aktionen voranzukommen.
Welche Möglichkeiten bieten Sie als Präsident in Zukunft insbesondere unabhängigen Einzelpersonen, die in der DIVI aktiv sein wollen?
Schwab: Gerade für Einzelpersonen ist die DIVI interessant, weil wir eine bunte Mischung medizinischer Disziplinen und Interessensgruppen vereinen. Unser System ist sehr durchlässig, wer sich engagieren möchte, kann sich jederzeit an den Vorstand wenden. Jedes Einzelmitglied sollte auch erkennen, dass wir die Interessen der Intensivmediziner und Notfallmediziner noch besser durchsetzen, wenn wir weiterwachsen. Ob wir nun Vorschläge für die Bundesärztekammer vorbereiten oder berufsrelevante Fragen kläre – jede Stimme zählt. Deswegen wollen wir natürlich noch viel mehr Einzelmitglieder gewinnen. Auch das zähle ich zu den wichtigen Aufgaben meiner Amtszeit.
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