Aus den Kliniken

Jetzt! Schnell! Luft!

24.01.2020 -

Der Roboter REALITI findet automatisch den richtigen Weg in die Luftröhre.

Die schnelle Intubation kann das Leben eines Patienten retten. Für Ungeübte ist sie jedoch schwierig und zudem nur mit entsprechender Ausbildung erlaubt. Peter Biro, Anästhesiearzt im Universitätsspital Zürich, und Ingenieure des Multi-Scale Robotics Lab der ETH Zürich haben nun ein roboterassistiertes System zur Intubation entwickelt, das weniger erfahrene Ärzte und Retter unterstützt. REALITI findet mit Bilderkennung den Weg in die Luftröhre auch von allein.

Das schnelle und korrekte Einführen eines Beatmungsschlauchs in die Lunge (Intubation) ist überlebensentscheidend, wenn ein Unfallopfer beatmet werden muss. Aber auch während Narkosen oder bei Atemlähmung müssen Patienten intubiert werden, um ihre Atemwege für die künstliche Beatmung während der Operation oder auf der Intensivstation freizuhalten. Für Anästhesisten ist das Intubieren Routine. Intensiv- und Rettungsmediziner haben damit hingegen oft Probleme, weil es ihnen an Erfahrung und Übung mangelt. Und gerade in dringenden Fällen fehlt oft die Zeit, den Beatmungsschlauch rechtzeitig in die Luftröhre zu platzieren, bevor ein lebensbedrohlicher Sauerstoffmangel entsteht. Hinzu kommt, dass Intubationen auch in Notfällen nur von einem darin ausgebildeten Arzt vorgenommen werden dürfen.

Gefährliche Verzögerungen durch fehlende Routine

Größte Hindernisse bei einer Intubation sind die individuelle Anatomie jedes Menschen und die fehlende direkte Sicht in den Rachen-Hals-Raum. Gelangt deshalb der Beatmungsschlauch versehentlich in die Speiseröhre und bleibt dies unbemerkt, droht der Patient wegen Sauerstoffmangel zu ersticken. Doch auch bei richtiger Positionierung in der Luftröhre kann bei unerfahrenen Anwendern wertvolle Zeit verloren gehen, auch kann es zu Verletzungen im Mund- und Rachenraum oder Zahnschäden kommen. Dutzendfach wurde deshalb versucht, das seit rund 100 Jahren bestehende Verfahren zu verbessern; doch allen alternativen Techniken ist gemeinsam, dass auch sie spezielle Expertise und viel Übung erfordern.

REALITI zeigt mit Bilderkennung den Weg in die Luftröhre

Peter Biro, Anästhesist und Leitender Arzt am Universitätsspital Zürich, hat in Zusammenarbeit mit Bradley Nelson vom Multi-Scale Robotics Lab am Department of Mechanical and Process Engineering der ETH Zürich nun einen völlig neuen Ansatz entwickelt und getestet: REALITI (robotic endoscope-automated via laryngeal imaging for tracheal intubation) findet dank Bilderkennung automatisch den richtigen Weg in die Luftröhre und überträgt den ganzen Vorgang auf einen Videobildschirm. Das tragbare und einfache Gerät funktioniert wie ein Endoskop, auf das man den Beatmungsschlauch aufzieht und diesen dann in die Luftröhre vorschiebt. An seiner Spitze ist eine Kamera montiert, die nicht nur das Bild laufend auf einen Monitor überträgt, sondern es auch permanent mit gespeicherten Aufnahmen der menschlichen Anatomie im Schlund- und Kehlkopfbereich abgleicht. REALITI erkennt so die aktuelle Position der Endoskopspitze in Pharynx und Larynx und wendet sich in die richtige Richtung. Möglich macht dies die flexible Spitze des Geräts, die durch Miniaturmotoren in alle Richtungen bewegt wird. Der entscheidende Unterschied zu Systemen, die auf Robotertechnologie basieren ist, dass die Vorwärts- und Rückwärtsbewegung des Geräts – in den Atemweg hinein bzw. hinaus – rein manuell erfolgt. Lediglich die flexible Spitze wird bei Bedarf automatisch gesteuert. Damit behält der Anwender stets die absolute Kontrolle über den Vorgang.

Auch Ungeübte können mit REALITI intubieren

In einer publizierten Studie konnte das Team um Peter Biro nachweisen, dass es in einer lebensechten Simulationsumgebung auch Personen ohne reguläre Anästhesieausbildung bzw. ohne genügend klinische Erfahrung gelingt, mit REALITI schnell und erfolgreich zu intubieren. „Diese neue Technologie kann deshalb vor allem im Bereich der außerklinischen Notfall-, Rettungs- und Katastrophenmedizin die Erfolgschancen und Effizienz der lebensrettenden Maßnahmen erhöhen, wenn beispielsweise auch Rettungssanitäterinnen und -sanitäter intubieren können und dürfen“, ist Peter Biro überzeugt. Derzeit ist der dritte Prototyp von REALITI in Entwicklung, an dem die Technik weiter verfeinert wird und der in naher Zukunft in einer Studie auch an Menschen getestet werden soll.

 

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