RFID: In Kliniken herrscht oft noch Funkstille
12.11.2010 -
Im Krankenhaus sind viele Einsatzmöglichkeiten für RFID denkbar, allerdings ist die Technik der berührungslosen Informationsübertragung noch störanfällig. Doch in manchen Häusern hat sie ihre Aufgabe gefunden.
Nach dem großen Hype vor einigen Jahren ist es ruhig geworden um RFID (Radio Frequency Identification). Dennoch abseits des öffentlichen Interesses ging die Entwicklung der Technologie weiter. Viele Anbieter wie T-Systems oder Microsoft haben entsprechende Lösungen und Produkte etabliert. „Generell ist die RFID-Technik auf dem Vormarsch", glaubt Daniel Dünnebacke, Leiter der Fachgruppe Informationstechnologiemanagement am Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) der RWTH Aachen. „Gerade die medizinischen Anwendungsfälle nehmen zu", so der Wissenschaftler.
Zum einen bieten sich seiner Meinung nach in logistischen Prozessen und im Asset Management viele Möglichkeiten für die Funktechnik: Objekte wie Betten oder Wäschestücke können mit RFID-Tags versehen werden. Dieser ist ein Transponder, der Daten per Funk an ein Lesegerät überträgt; dieses übermittelt die Informationen an eine Software, die sie auswertet. Der Anwender des Systems erfährt so z.B., wo und in welchem Zustand sich das „getaggte" Objekt befindet.
Einsatzmöglichkeiten
Im Fall eines Krankenhausbetts kann ein Szenario wie folgt aussehen: An jedem Ausgang einer Station ist ein RFID-Portal installiert. Dieses registriert, wenn Betten mit einer Funketikette das Tor passieren. Das Krankenhaus ist also stets darüber informiert, wie viele Betten sich auf den Stationen befinden, sodass sie dem Bedarf entsprechend verteilt werden können. Ebenso lässt sich mit medizinischen Geräten verfahren - z. B. in der Notaufnahme. Das Klinikpersonal kann so Apparate für die Bluttransfusion schneller finden, wenn sie benötigt werden. „Hier entscheiden ja oft Sekunden", verdeutlicht Dünnebacke den Nutzen solcher Anwendungen.
Einige Krankenhäuser verwenden RFID bereits auf diese Weise oder haben dies zumindest vor. Das Klinikum rechts der Isar in München setzt die Funktechnik z.B. ein, um OP-Utensilien rückzuverfolgen. Die Universitätsklinik Aachen plant, mithilfe von RFID ihr Bettenmanagement zu verbessern.
Neben Daten von Objekten lassen sich auch Patienteninformationen per Funk übermitteln. Dünnebacke berichtet von Projekten, in denen Demenzkranke oder Babys RFID-Armbänder erhalten. Die Funktechnik erleichtert auch dabei die Suche - in diesem Fall nach den Patienten.
Der RFID-Chip gibt aber nicht nur Aufschluss über den Ort und die Identität eines Patienten. Er kann auch darüber informieren, welche Medikamente die jeweilige Person benötigt. Wenn es um die Vergabe und Dokumentation von Medikamenten geht, haben Krankenhäuser schließlich mit einer hohen Fehlerquote zu kämpfen. Diese lässt sich reduzieren, wenn Patient, Medikamentenbox sowie die elektronische Patientenakte per RFID miteinander abgeglichen werden. Daneben bieten sich viele weitere Einsatzmöglichkeiten - etwa das Taggen von Blutkonserven.
Technische Hürden
Doch trotz dieses breiten Spektrums gibt es bisher relativ wenige RFID-Implementierungen, die über den Status einer Pilotanwendung hinausgekommen sind. Denn der Technik stehen einige Hürden im Weg, die noch immer nicht vollständig aus dem Weg geräumt sind. Der Einfluss der Funkwellen auf andere technische Geräte stellt nach wie vor ein Pro¬blem dar. Das Universitätsklinikum Jena berichtet z.B. von nachgewiesenen Wechselwirkungen der RFID-Technik mit medizinischen Geräten.
Dort war die Technologie im Einsatz, um die Medikation der Patienten zu unterstützen. Die Verantwortlichen stellten dabei fest, dass die RFID-Lösung nicht nur andere Systeme beeinflusste, sondern umgekehrt auch selbst von diesen gestört wurde. RFID-Tags ließen sich beispielsweise deswegen nicht auslesen.
Immerhin: Experten wie auch Studien weisen darauf hin, dass passive RFID-Tags relativ wenige Auswirkungen auf ihre Umgebung haben. Die Transponder besitzen im Gegensatz zu aktiven Tags keine eigene Stromversorgung und sind daher strahlungsärmer. Die Störung technischer Geräte im Krankenhaus auf den Einsatz von RFID zurückzuführen, halten Anbieter wie Zebra Technologies ohnehin für Panikmache. Ihrer Meinung nach ist die Funktechnologie sicher.
Kosten-Nutzen-Rechnung
Doch auch wirtschaftliche Gründe halten Kliniken häufig davon ab, RFID-Systeme einzuführen. Denn die Technik ist teuer. Die Verantwortlichen in Jena errechneten jährliche Kosten von 450.000 € - allein für den Einsatz der RFID-Tags. Deren Preis lag zu Beginn des Projekts im Jahr 2006 bei 50 Cent pro Stück. Und aus hygienischen Gründen konnte jede Funketikette nur einmal verwendet werden.
Mit der Weiterentwicklung der Technik haben sich auch die Preise nach unten bewegt. Derzeit kostet ein RFID-Chip etwa 15-20 Cent. Doch es gibt ein prinzipielles Problem beim Thema RFID: Die Kosten für die Lösungen sind direkt greifbar. Für den Nutzen dagegen sprechen häufig eher weiche Faktoren wie etwa Qualitätsverbesserung oder eine erhöhte Patientensicherheit. Die gleichen Ergebnisse ließen sich mit einer anderen Technik jedoch kostengünstiger erzielen, heißt es im Erfahrungsbericht zum Jenaer Projekt. Gemeint ist damit ein Barcode-System.
Andere Beispiele belegen allerdings, dass sich der Nutzen von RFID auch in Zahlen ausdrücken lässt. Das Heartlands Hospital in Birmingham versorgt pro Jahr 574.000 Patienten. Diese tragen Armbänder mit RFID-Chips, damit Pflegepersonal und Ärzte jederzeit alle notwendigen Informationen über die Patienten in ihrem Lesegerät einsehen können. Die Abläufe konnten dadurch deutlich beschleunigt werden. Da sich jetzt mehr Behandlungen durchführen lassen, rechnet das Krankenhaus mit zusätzlichen Einnahmen von 70.000-270.000 £ pro Jahr.
Flächendeckende Strategie
Auch im Universitätsklinikum Aachen führte die Kosten-Nutzen-Rechnung zu einem Ergebnis, das die Installation einer RFID-Lösung rechtfertigt. Dort addierten die Verantwortlichen die Ausgaben, die anfallen, um die Krankenhausbetten zu warten, zu dokumentieren, zu suchen und bereitzustellen. „Und das ist nicht wenig", berichtet Dünnebacke. „Schließlich reden wir hier von etwa 1.300 Betten."
Das Krankenhausmanagement dachte aber noch weiter. Wenn die Infrastruktur für eine RFID-Lösung einmal installiert ist, lassen sich damit noch weitere Anwendungen umsetzen. Gut möglich also, dass in Aachen künftig nicht nur Betten RFID-Tags tragen werden.
Nach Meinung von Axel Oppermann, Analyst beim Marktforschungshaus Experton Group, müssen Kliniken beim Thema RFID sowieso im Großen denken: „Krankenhäuser werden an einer flächendeckenden und ganzheitlich integrierten RFID-Strategie nicht vorbeikommen." Ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis ließe sich nur erreichen, wenn die durch Funk-Tags gewonnenen Informationen für das gesamte Haus bereitgestellt werden.