Krankenhausabfälle kennen keine Grenzen
10.01.2011 -
Die fachgerechte Entsorgung von medizinischem Abfall wurde in den vergangenen Jahren immer wichtiger. Inzwischen fokussieren sich die Standards zunehmend auf die sichere Handhabung und Entsorgung desselben. Oft allerdings klappt diese nicht problemlos, und zudem ist sie nicht billig. Die Entsorgung umfasst das Verpacken, den Transport und die Verarbeitung des medizinischen Mülls.
Obwohl einzelne Krankenhäuser das Thema mittlerweile verstärkt angehen, gibt es auf europäischer Ebene bislang keine einheitlichen Gesetze. Ulrike Hoffrichter sprach hierüber mit Dipl.-Ing. Markus Gleis vom Umweltbundesamt, Berlin/Dessau-Roßlau.
M&K: Es gibt unterschiedlich gefährlichen Klinikabfall. In welchem Mengen- und Kostenverhältnis stehen die unterschiedlichen Abfälle zueinander?
Dipl.-Ing. Markus Gleis: Der Begriff „gefährlich" ist ein Zuordnungskriterium auf der Basis gefahrenrelevanter Eigenschaften aus der Terminologie des Europäischen Abfallrechtes, das in die nationale Gesetzgebung übernommen wurde. Für Abfälle aus dem Gesundheitsdienst trifft dies nur für wenige Abfallgruppen zu.
Im Fokus der Öffentlichkeit stehen meist die infektiösen Abfälle des Abfallschlüssels 18 01 03*, die je nach Klinik 1-3 % des Aufkommens der krankenhausspezifischen Abfälle ausmachen, deren Entsorgungskosten allerdings häufig um den Faktor 5 bis 10 höher sind als die Kosten für den nicht gefährlichen krankenhausspezifischen Abfall des Abfallschlüssels 18 01 04, der den Großteil des krankenhausspezifischen Abfalls ausmacht und in Deutschland jährlich zwischen 60.000 bis 80.000 t beträgt.
Unberücksichtigt bleiben bei dieser Betrachtungen Chemikalien- und Zytostatikaabfälle, die in der Regel eher in Universitäts- und Schwerpunktkliniken anfallen.
Was macht den Experten bei der Abfallentsorgung von medizinischem Abfall am meisten Kopfzerbrechen?
Dipl.-Ing. Markus Gleis: Aufgrund langjähriger Erfahrungen in Deutschland (das erste Merkblatt zur Krankenhausabfallentsorgung stammt von 1974) und umfänglicher wissenschaftlicher Arbeiten zu dieser Thematik gibt es keine echten Problemfelder bei der Entsorgung medizinischer Abfälle.
Die Schwierigkeit besteht eher darin, den hohen Standard bei der Abfallentsorgung unter dem gestiegenen Kostendruck und dem Personalabbau im Gesundheitsdienst zu erhalten. Eine hohe Disziplin bei der Trennung der Abfälle ist nur mit einem ausreichenden Zeitbudget möglich. Falls dieses nicht gewährleistet ist, muss die nachfolgende Entsorgung so aufgebaut sein, dass wieder mehr Abfälle einer weiteren Desinfektion unterzogen werden.
Auf der EMWC traten Experten vieler europäischer Länder erstmals an, um langfristig länderübergreifende Regelungen zur Entsorgung von medizinischem Abfall zu finden. Bitte benennen Sie die wichtigsten Ziele und erläutern diese kurz.
Dipl.-Ing. Markus Gleis: Das wichtigste Ziel war es, gleiche Standards für die Zuordnung und den Umgang mit den Krankenhausabfällen bei ihrer Entsorgung zu setzen. Dabei geht es eher um einheitliche Zielvereinbarungen als um absolut einheitliche Entsorgungswege, da die europäischen Staaten bei ihrer Entsorgungsstruktur noch erhebliche Unterschiede aufweisen; nur in wenigen Staaten (wie Deutschland) ist die Ablagerung unbehandelter Abfälle grundsätzlich untersagt, wenn sie nicht strenge Ablagerungskriterien einhalten.
Von grundsätzlichem Interesse ist ein Erfahrungsaustausch zur Organisation von Sammlung und Transport der Abfälle innerhalb und außerhalb der medizinischen Einrichtungen, die über die Vorgaben des internationalen Rechts zur Beförderung von Gefahrgütern hinausgehen.
Weiterhin interessant ist ein Erfahrungsaustausch über die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Behandlung infektiöser Abfälle mit dem Ziel, eine Keimverbreitung zu verhindern. Hier sind auch noch weitere Kriterien für international gleichen Umgang zu entwickeln.
In welchen Bereichen dürfte man am ehesten zu einer europaweiten Einigung kommen? In welchen weniger oder gar nicht?
Dipl.-Ing. Markus Gleis: Hier ist eine Prognose nur schwer möglich. Die bisherigen Erfolge beziehen sich auf eine einheitliche Nomenklatur bei der Definition und Zuordnung der einzelnen Abfallgruppen auf der Basis des Europäischen Abfallkatalogs. Auch die Standards der einzelnen Entsorgungsverfahren wurden europaweit stärker angeglichen. Dies macht den Erfahrungsaustausch unter den Kliniken einfacher, und auch Kostenstrukturen lassen sich besser vergleichen.
Hintergrund: Was verbirgt sich hinter EIMW?
Hinter dem Kürzel EIMW verbirgt sich das Europäische Institut für medizinische Abfälle mit Sitz in Amsterdam. Es erforscht die Entsorgung von medizinischen Abfällen und bildet medizinisches Personal aus. Das Institut ist in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Datendokumentation und Ausbildung tätig. Ziel ist es, die Entsorgung von medizinischen Abfällen über die Grenzen hinaus bekannt zu machen. Daher führte man auf der European Medical Waste Conference weltweites Know-how und Erfahrungen zusammen und erörterte den Bedarf einer gesamteuropäischen Gesetzgebung.
Die Konferenz Ende Februar in Amsterdam bot ein umfassendes internationales Programm mit Vertretern wichtiger Institutionen aus England, Frankreich und den USA. So trafen sich z. B. namhafte Vertreter vom National Health Service, Waste Not Want Not International, World ¬Health Organisation (WHO), Institut Pasteur und von der Société Nationale de Contrôle Technique, die das Verkehrsministerium in Luxemburg leitet. Das deutsche Gremium bestand aus Markus Gleis vom deutschen Umweltbundesamt, Tide Voigt von der Charité in Berlin, Martin Mielke vom Robert Koch-Institut und Ute Pieper von ETLog, einem Beratungsunternehmen mit dem Schwerpunkt auf internationalen Aktivitäten zur Krankenhausabfallentsorgung.