Kommunikation im Gesundheitswesen: Voraussetzung für nachhaltige Diabetologie
02.08.2011 -
Kommunikation im Gesundheitswesen: Voraussetzung für nachhaltige Diabetologie. Patienten verstehen ihre Ärzte nicht, Ärzte verstehen ihre Kollegen nicht, Kostenträger verstehen Ärzte nicht, Politiker verstehen Ärzte und Kostenträger nicht … und jeweils umgekehrt. Man könnte sich fragen, wer versteht eigentlich wen oder besser, wie ist es möglich, dass bei so mannigfaltigen Gelegenheiten des Miss- bzw. Unverständnisses das Gesundheitssystem mehrheitlich Nutzen erzeugt? Im Umkehrschluss ließe sich folgern, dass durch die Beseitigung von Verständnisbarrieren ein gewaltiges Effizienz- und Nutzenpotential erschließbar wird, von dem alle Beteiligten und nicht zuletzt die Patienten profitieren.
Hinter diesen Überlegungen steckt die triviale aber fundamentale Erkenntnis, dass medizinische Wahrheit bzw. Expertise nichts gilt, solange sie nicht für alle Parteien verstehbar und letztlich emphatisch zustimmungsfähig gemacht wird. Oder besser, die Nachhaltigkeit des Systems hängt von seiner Kommunikationsfähigkeit ab, denn nur der verständige Kranke wird den therapeutischen Empfehlungen in der für einen Heilerfolg notwendigen Weise folgen – Grundlage für alle Überlegungen durch Coaching die Reichweite der behandelnden Ärzte, aber auch die Langfristigkeit des erreichten Therapieerfolges sicherzustellen. Kommunikationsfähigkeit oder besser, die ihr zugrunde liegende emotionale Intelligenz wird zum erfolgsbestimmenden Faktor, sie wird selbst zum interventionellen Heilmittel. Diese für die medizinische Behandlungssituation richtige Betrachtung lässt sich aber leicht für den Behandlungskontext bzw. das Medizinsystem allgemein übernehmen. Nur wo Strukturen zwischen Prozessbeteiligten durch geeignete Kommunikationsinstrumente durchlässig gemacht werden, wird der Behandlungsprozess nachhaltig. Dabei ist es ein weit verbreiteter Irrglaube, dass diese Zusammenhänge Gültigkeit nur für die sprechende Medizin in ihrer Abhängigkeit von einem multidisziplinären Prozessgeschehen haben.
Das Gegenteil ist der Fall: Selbst hochkomplexe, in sich geschlossene Behandlungssysteme, wie beispielsweise die revaskularisierende Medizin, sind in der Nachhaltigkeit ihres primären Therapieerfolges von der nachhaltigen Sicherstellung, d. h. funktionierenden, zweiseitigen Schnittstellen bei der Übergabe der Patienten an die ambulante Nachsorge ggf. Rehabilitation abhängig. Die mittelfristige und erst recht die langfristige Kostenfunktion von Patienten wird daher weniger vom konkreten Aufwand für den akuten Behandlungsfall als vielmehr von der langfristigen Gewährleistung des primären Behandlungserfolges abhängig. Eine Einsicht, die auch der hartleibigen, betriebswirtschaftlichen Perspektive von Kostenträgern verständlich gemacht werden kann, wenn sich damit Gestaltungsoptionen für das medizinische Leistungsgeschehen begründen lassen. Mit dem zunehmenden Rechtfertigungsdruck für medizinische und betriebswirtschaftliche Sinnhaftigkeit von Medizinprodukten, Medikamenten oder Heil- und Hilfsmitteln ergibt sich zwingend, dass es in Zukunft zunächst wichtig ist, Konzepte zu finden, die alle Strukturkomponenten des Behandlungsprozesses berücksichtigen und dann Begründungsraum für neue, ggf. kostenaufwändigere Verfahrensweisen geben. Neben der strukturellen Komponente gewinnt Kommunikation hier einen kognitiven Überzeugungscharakter, der zur Grundlage einer konsensuellen Kontrahierung unterschiedlicher Interessen immer dringlicher gebraucht wird.
„Sprechende Medizin“
Die klinische Diabetologie gilt als Paradebeispiel für die „sprechende Medizin“, was für alle Stadien der Erkrankung von der Risikofaktorenebene bis zum manifesten Organbefall im Sinne diabetischer Komplikationen gilt. Natürlicherweise gilt das oben Gesagte ganz besonders für die Initiierung, Sicherstellung und Weiterentwicklung erfolgreicher klinischdiabetologischer Behandlungspfade über alle Versorgungsebenen. Diese Ansicht kann im Grunde als allgemein akzeptiert gelten, auch wenn etwa die „Disease-Management“- Programme nur holzschnittartige Masken eines integrierten Versorgungsprozesses sind und zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Gefahr besteht, die Chronizität der „Diabeteserkrankung“ zunehmend von ihren eigentlichen Organ-Endpunkten in der Akutmedizin zu trennen – ein Mechanismus, der unter Outcome- Gesichtspunkten aus dem Blickpunkt der evidenzbasierten Medizin als kontraproduktiv eingestuft werden muss. Auch und gerade hier gilt, dass Kommunikation bzw. Kommunikationsinstrumente erst die Voraussetzung schaffen, das ungeheure Effektivitätspotential integrierter Versorgungsketten zum Nutzen des Patienten zu erschließen.
Wir haben an dieser Stelle unter der Rubrik „Fokus Diabetes“ in den vergangenen zwei Jahren kontinuierlich über Entwicklungsfelder der klinischen Diabetologie, neue Chancen und neue Behandlungskonzepte berichtet. Leitmotto dieser 26-teiligen Serie war es immer, den Paradigmenwechsel zum stimmigen integrativen Behandlungskonzept in den einzelnen Problemkategorien aufzuzeigen, der erst den Begründungshintergrund für neue Dienstleistungen, Medikamente und Produkte schaffen kann. Die Berichts- und Informationsfunktion ist also eine zentrale Komponente der kommunikativen Tool-Box, denn erst mit der Präsentation des Möglichen beginnt die Suche nach konkreten Umsetzungsmodellen.