Die Rolle der Echokardiografie bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung
24.11.2011 -
Die koronare Herzerkrankung spielt eine herausragende Rolle in unserem Gesundheitswesen. Bekannte Symptome dieser Erkrankung sind Herzschmerzen (Angina pectoris), kardiale Luftnot und Palpitationen. Sie entstehen durch eine Minderversorgung des Herzmuskels mit Nährstoffen, die durch ein Missverhältnis von Angebot und Nachfrage entsteht.
Eine Verengung der Herzkrankgefäße durch sogenannte Plaque ist das Korrelat der koronaren Herzerkrankung, welches die Blutzufuhr zum Herzmuskel einschränkt. Bei einer stabilen koronaren Herzerkrankung führt eine Belastungssituation zu einer Minderversorgung des Herzmuskels, da der gesteigerte Nährstoffverbrauch des Herzens nicht durch eine ausreichende Blutzufuhr kompensiert werden kann.
Die Folge ist die sogenannte Ischämiekaskade, d.h. zuerst lokale Minderdurchblutung des Herzmuskels, dann regionale Kontraktilitätsabnahme des Muskels, dann EKG-Veränderungen und zuletzt Herzschmerzen, Luftnot oder Arrhythmien. Bei der instabilen koronaren Herzerkrankung bestehen in der Regel diese Symptome bereits in Ruhe, und es droht durch zusätzliche Thromben an den Plaques der Koronararterien ein Verschluss der betroffenen Herzkranzarterie und damit dann der Herzinfarkt. An der koronaren Herzerkrankung leiden mehrere Millionen Menschen in Deutschland. Zur Diagnostik und Therapie werden in Deutschland ca. 800.000 Herzkatheter durchgeführt. Viele dieser invasiven Untersuchungen schließen nur eine koronare Herzerkrankung aus, d.h., bei einer zuverlässigen nicht invasiven Diagnostik könnten viele rein diagnostische Herzkatheter vermieden werden.
Zunahme der Herzinsuffizienz
Die ökonomische Bedeutung in der Prävention, Diagnostik und Behandlung der koronaren Herzerkrankung wird dadurch unterstrichen, dass bei zu später Erkennung der Erkrankung meist der Herzinfarkt eintritt und sich dann durch Umbau des Herzmuskels (Remodeling) eine Herzinsuffizienz entwickelt. An Herzinsuffizienz leiden in Deutschland mehr als eineinhalb Mio. Menschen, und diese Zahl wird in den nächsten Jahren pro Jahr eine zweistellige prozentuale Zuwachsrate haben, sodass sich die Zahl der Erkrankten im Jahre 2020 nahezu verdoppelt haben wird.
Echokardiographie als preiswerte, zuverlässige Diagnosemethode
Früherkennung der koronaren Herzerkrankung ist somit der wichtigste Faktor im Kampf der Mediziner gegen diesen Feind. Der Herzultraschall (Echokardiografie) ist als ubiquitär verfügbare, mobile und preiswerte Methode als die Methode der Wahl in diesem Zusammenhang anzusehen. Konventionell werden mit der Echokardiografie regionale Wandbewegungsstörungen erkannt, die als Folge einer Minderdurchblutung in Ruhe oder während einer Belastungsuntersuchung auftreten. Das Problem der Subjektivität bei der rein visuellen Interpretation der Herzmuskelbewegung kann heutzutage leicht durch moderne Analyseverfahren gelöst werden, die den Befund objektivieren. Eine unauffällige Stress-Echokardiografie prognostiziert ein ereignisfreies Intervall von kardialen Ereignissen (z.B. Herzinfarkt; Angina pectoris) für die nächsten drei Jahre in 98% der Fälle.
Eine pathologische Stress-Echokardiografie bedeutet eine 84%ige Wahrscheinlichkeit für eine behandlungsbedürftige koronare Herzerkrankung - und dies bedeutet einen vergleichbaren oder besseren prognostischen Wert als für teurere Alternativverfahren. Würde man also nur bei einem funktionellen Nachweis einer regionalen Durchblutungsstörung des Herzens eine Katheteruntersuchung durchführen - so wie es eigentlich auch nach den Leitlinien gefordert wird -, könnte man auf viele derzeitige Katheteruntersuchungen verzichten - zumal wir in Deutschland die „Weltmeister" der unnötigen Herzkatheter sind.
Die Echokardiografie spielt aus ökonomischen Aspekten im Krankenhaus eigentlich eine wesentliche Rolle zur Entscheidungsfindung bei oder direkt nach der Aufnahme. Nicht nur zur Kodierung der Einweisungsdiagnose, sondern auch für die Entscheidungsbäume im Patientenmanagement ist die Echokardiografie von unschlagbarem Wert. Der Patient kann je nach Diagnose zu den geeigneten Institutionen geleitet werden, die die kardiologischen, pneumologischen oder intensivmedizinischen-internistischen Fragestellungen klären. Warum wird aber trotz dieser nicht zu widerlegenden Vorteile der Echokardiografie diese Methode derzeit nicht flächendeckend angewendet? Das Problem ist vielfältig. Es liegt zum einen darin, dass die einzelne echokardiografische Untersuchung im Krankenhaus und in der Praxis nicht vergütet wird und in der DRG oder einem kardiologischen Komplex enthalten ist. In der Praxis bedeutet dies, ob man eine Echokardiografie durchführt oder nicht, ändert nichts an der Vergütung - also kurzsichtig betrachtet kostet diese Methode nur Ressourcen - insbesondere im Personalbereich. Dies hat dazu geführt, dass Echokardiografie-Labore kontinuierlich bis zur Auflösung ausgedünnt wurden, da dieses Personal aus ökonomischen Gründen vordergründig besser im Herzkatheter-Labor einzusetzen war. Die Folge ist ein kontinuierlicher Verfall der Echokardiografie, da durch fehlendes Wissen und fehlende Ausbilder und Ausbildung die Möglichkeiten der Echokardiografie - und auch die neuen Entwicklungen dieser Methode - nicht weitergegeben bzw. gelehrt wurden. Das Problem endet in einer Abwärtsspirale, da durch fehlende Ausbildung die technischen Fertigkeiten und Ausbildungszeiten für das Erlernen dieser Methode nicht mehr vorhanden sind und damit die Methode durch Unwissen und falsche Anwendung mehr und mehr diskreditiert wird. So wissen heutzutage selbst Fachkollegen oft nicht mehr, welche Möglichkeiten die Echokardiografie in der Diagnostik bietet und wie sie damit zum Wohl des Patienten, aber auch zum ökonomischen Vorteil des Krankenhauses wirkungsvoll eingesetzt werden kann.
Echokardiografie im Vergleich zu anderen Bildgebenden Verfahren
Die Echokardiografie steht heutzutage zudem in Kompetition zu anderen Bildgebenden Verfahren in der Kardiologie, in erster Linie die Computertomografie(CT) und Kernspintomografie (MRT). Es wird derzeit immer mehr propagiert, die nichtinvasive Angiografie mittels Computertomografie zum Ausschluss einer koronaren Herzerkrankung einzusetzen. Die Nutzung des CTs erscheint aus Gründen der Strahlenhygiene und wegen der ALARA-Vereinbarung trotz permanenter Verringerung der Strahlenexposition nicht gerechtfertigt, da mit der Echokardiografie ein Verfahren existiert, welches zu vergleichbaren bzw. sogar besseren Ergebnissen führt, da anstelle der rein morphologischen Darstellung einer Verengung einer Herzkranzarterie der funktionelle Nachweis einer regionalen Durchblutungsstörung und damit die nach Leitlinien geforderte Begründung für eine invasive Behandlung erbracht wird.
Was heute jedoch den meisten Medizinern noch unbekannt ist, ist die Tatsache, dass die Echokardiografie neben dem indirekten Beleg einer Wandbewegungsstörung durch Minderperfusion auch direkt Koronararterien und/oder den Koronarfluss zwei- bzw. multidimensional darstellen kann. Moderne Entwicklungen verbessern die Echokardiografie kontinuierlich. So kann man bereits heute mit hohen Bildraten in den Anfangsbereich der rechten Koronararterie hereinschauen oder den Koronarfluss von großen Abschnitten der Koronararterien darstellen, Modalitäten, die mit keinem anderen Verfahren möglich sind. Sicherlich beschränkt die Physik durch das „Schallfenster" die Echokardiografie. Die Lösung dieser praktischen Probleme hängt von der Herangehensweise und dem Können des Untersuchers ab. Diese Tatsache unterstreicht wiederum den hohen Bedarf an guten Ausbildungsangeboten dieser Methode in Deutschland, damit die Echokardiografie als „Gatekeeper" für einen Ischämie-Nachweis eingesetzt werden kann und damit eine notwendige Herzkatheteruntersuchung belegt. Wenn man die Echokardiografie mit ihren Möglichkeiten richtig anwendet, muss sie einen zentralen Platz im Patienten-Management eines jeden Krankenhauses haben, da sie ungefährlich, beliebig oft wiederholbar und diagnostisch extrem genau ist sowie kostengünstig angewendet werden kann. Die Durchführung einer qualifizierten Echokardiografie ist zudem durch eine standardisierte vollständige Dokumentation belegbar und überprüfbar.