DGTHG-Jahrestagung: Entwicklungen in der Behandlung von Herz- und Lungenversagen
11.03.2012 -
DGTHG-Jahrestagung: Entwicklungen in der Behandlung von Herz- und Lungenversagen. Zelltherapie oder Transplantation, Stent oder Bypass? Bei der 36. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herzund Gefäßchirurgie standen die neuesten Therapiemöglichkeiten bei Herz- und Lungenversagen im Mittelpunkt. Rund 1.300 Fachleute suchten in Hamburg Antworten auf die Fragen, welche Methode bei bestimmten Indikationen die aussichtsreichste ist oder welche bahnbrechenden Therapieansätze es für Patienten gibt, bei denen die Medizin bisher an ihre Grenzen stieß.
Tagungspräsident Prof. Dr. Hermann Reichenspurner, Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie am Universitären Herzzentrum Hamburg, wies auf die hoffnungsvollen Ansätze der Zelltherapie hin. Die Zelltherapie wird bei der Behandlung von Herzerkrankungen erst seit ca. fünf Jahren angewandt. Grundidee ist dabei, dass das Herzmuskelgewebe nach einem Infarkt in der Regel nicht mehr regeneriert und somit nur Narbengewebe mit deutlichem Funktionsverlust übrig bleibt. Das Konzept der Zelltherapie setzt mit Hilfe von Injektionen bestimmter Zellpopulationen an, die die Funktionen in den vom Infarkt betroffenen Arealen verbessern sollen. An der Universität Rostock z.B. wurden dazu im Rahmen von herzchirurgischen Eingriffen aus dem Knochenmark entnommene und gezüchtete adulte Stammzellen injiziert.
Eine Arbeitsgruppe in Paris arbeitet mit sog. Muskelvorläuferzellen. An der Phase-II-Studie dieses Projekts ist auch die Klinik für Herzund Gefäßchirurgie am Universitären Herzzentrum Hamburg beteiligt. „Die Zelltherapie steht für den Bereich des Herzens noch am Anfang, aber zeigt viel versprechende Ergebnisse und rechtfertigt eine intensive experimentelle und klinische Forschung auf diesem Gebiet“, lautete das Fazit von Prof. Dr. Hermann Reichenspurner. Prof. Dr. Axel Haverich, Direktor der Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover und designierter Präsident der DGTHG, führte aus, dass Lungenspezialisten an der Entwicklung einer Biohybridlunge forschen, bei der ebenfalls menschliche Stammzellen zum Einsatz kommen. Künstliche Membranen sollen so mit Zellen beschichtet werden, dass ein langfristiger extra- und letztendlich auch ein intrakorporaler Einsatz möglich wird.
Als entscheidenden Fortschritt bezeichnete er die Entwicklung neuer Beatmungssysteme, die extrapulmonal, den Sauerstoff-Kohlendioxid- Austausch für den Patienten vornehmen. Vorteil ist, dass nahezu natürliche Druckverhältnisse entstehen. „Die künstliche Beatmung außerhalb der Lunge ermöglicht einen Paradigmenwechsel. Die geschädigte Lunge wird vollständig entlastet. Hierdurch ist dieses Behandlungsverfahren prädestiniert für das akute oder chronische Lungenversagen bzw. als Überbrückung vor einer Transplantation“, sagte dazu Prof. Dr. Haverich. Zur Frage, ob der Einsatz von Stents oder Bypässen vorteilhafter ist, referierte Prof. Dr. Jochen Cremer, Direktor der Klinik für Herzund Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein am Campus Kiel und Sekretär der DGTHG.
Er wies auf die neuen Behandlungsleitlinien zur chronischen koronaren Herzkrankheit hin, die von einem umfangreichen Expertengremium erarbeitet wurden und die optimale Therapie für den jeweiligen Befund an den Herzkranzgefäßen festlegen. „Danach profitieren Patienten mit einer Dreigefäßerkrankung, bei der alle drei Versorgungsgebiete der Herzkranzgefäße betroffen sind, viel mehr von einer Bypassoperation als von der Anwendung mehrerer Stents“, so Prof. Dr. Cremer. Diese weniger invasive Methode ist bei anderen Befunden erste Wahl. Prof. Dr. Thomas Meinertz, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie, Universitäres Herzzentrum, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, vertrat die Meinung, dass der Einsatz von Stents keinesfalls die Koronarchirurgie überflüssig macht.
Es ist vielmehr notwendig, beide Techniken in randomisierten kontrollierten Studien zu vergleichen bzw. die Ergebnisse solcher Studien abzuwarten und genau zu analysieren, um dann auch die Leitlinien zu überarbeiten. „Bei einer unterschiedlich großen Patientenzahl ist die Indikation zwischen aortakoronarer Bypassoperation und koronarer Intervention nach den Leitlinien nicht ohne weiteres zu treffen. Diese Patienten erfordern Gespräche und Diskussion zwischen Kardiologen und Herzchirurgen“, unterstrich Prof. Dr. Meinertz.