Prozessoptimierung durch Vollautomatisierung
04.06.2012 -
Prozessoptimierung durch Vollautomatisierung. „Wenn ich nicht die ganze Laboratoriumsmedizin abdecken könnte, dann würde mir etwas fehlen“, sagt Priv.-Doz. Dr. Heike Weißer. Deshalb habe sie vor anderthalb Jahren gerne die Leitung des Labors im Klinikum Fulda übernommen, wenngleich sie „komplett universitär sozialisiert“ sei, erklärt die 43-Jährige. „Aber an den klassischen Universitäten sehen Sie laborseitig nie den ganzen Patienten.“ Klinische Chemie, Transfusionsmedizin/Immunologie und Bakteriologie gehörten dort in der Regel getrennten Disziplinen an. Am Institut für Laboratoriumsmedizin in Fulda sei das anders. Auf rund 800 m² vereine es alle Gebiete der Laboratoriumsdiagnostik und eröffne ihr echte Gestaltungsspielräume. „Mit seinen 29 Kliniken und Instituten hat dieses Krankenhaus Universitätsniveau, es gibt kein Fachgebiet, das hier nicht vertreten ist.“
In der Tat beschert die besondere Lage Fuldas – einst im Zonenrandgebiet, jetzt in der Mitte Deutschlands – dem Klinikum der Stadt einen enorm großen Einzugsbereich von 500.000 Einwohnern, für die fast 1.000 Betten bereitstehen. 40.000 Patienten werden hier jährlich stationär behandelt, die doppelte Anzahl ambulant. Entsprechend groß ist auch das Institut für Laboratoriumsmedizin mit rund 2,4 Millionen Analysen und 195 Millionen GOÄ-Punkten pro Jahr. „Ich habe ein gut geleitetes Labor in neu bezogenen Räumen vorgefunden, als ich hier im Oktober 2005 anfing“, erinnert sich Heike Weißer.
Vorher war sie vier Jahre lang als Oberärztin im Institut für Medizinische Mikrobiologie der Friedrich- Schiller-Universität in Jena tätig gewesen. Als ihre Heimatuniversität sieht sie nach wie vor die Universität Bochum an, wo sie nach ihrem Medizinstudium in Köln 11 Jahre lang arbeitete und 1999 in Klinischer Chemie und Pathobiochemie habilitiert wurde. Zusätzlich zu den akademischen und ärztlichen Aufgaben, die sie gewohnt war, stellte sie der Start als Direktorin in Fulda vor neue Herausforderungen in Sachen Labormanagement. „Die Einführung der DRGs macht es notwendiger denn je, im Labor möglichst schnell, gut und gleichzeitig günstig zu arbeiten. Also habe ich nach Ansatzpunkten gesucht, um diesem Ziel so nahe wie möglich zu kommen.“
Zeit- und Kostenfresser finden
Diese Suche nach den Zeit- und Kostenfressern war erfolgreich: Es gab im Labor eine große Zahl vereinzelter Arbeitsstationen, die von verschiedenen Lieferanten kamen und technisch teilweise nicht auf dem neuesten Stand waren. Das betraf insbesondere die Bereiche Klinische Chemie, Serologie/Virologie und Immunologie sowie die Gerinnungsanalytik – die im Fuldaer Labor mit etwa 910 Proben pro Tag rund 70 % der gesamten Laboranalytik ausmachen.
In der Präanalytik hatten die MTAs in diesen Bereichen mit hohem manuellem Aufwand eine Vielzahl verschiedener Primärgefäße zu sortieren. Überdies wurden Notfall- und Routineanforderungen getrennt bearbeitet. Um zu einer optimalen Balance von Qualität, Geschwindigkeit und Wirtschaftlichkeit zu kommen, entschieden sich Heike Weißer und ihr Team deshalb für eine Strategie der Konsolidierung des Kernlabors, bei der die Einzelarbeitsplätze in der Serum- und Gerinnungsdiagnostik zusammengeführt und gleichzeitig die Präanalytik und die Analytik integriert werden sollten. Sie stellten eine präzise Liste ihrer Anforderungen auf, die sie dann mit den verschiedenen Anbietern ausführlich diskutierten. Nach gründlicher Prüfung entschieden sie sich für das Angebot von Roche Diagnostics: So wurde Fulda zum weltweit ersten Standort einer Laborstraße, die die Geräte Modular Pre-Analytics (MPA) und cobas 6000 integriert.
Erfahrung, Innovation und Ausfallsicherheit
Trotz des hohen Einsparpotentials „haben die Kosten bei der Entscheidung keine Rolle gespielt“, sagt Heike Weißer. Sie seien von allen Anbietern ähnlich kalkuliert worden. Als entscheidendes Kriterium wertete sie dagegen ein überzeugendes Geräte-Back-up, das eine 100%ige Ausfallsicherheit gewährleistet. Ebenso wichtig erschien das Kriterium „Innovation“ – wer eine neue Gerätegeneration mit First Customer Status anbieten konnte, hatte in Fulda die besten Karten.
Roche Diagnostics kam auch deshalb zum Zug, weil das Unternehmen reichhaltige Erfahrung in der Laborautomatisation mitbringt und seine Systeme geschlossen aus einer Hand liefert, so dass nicht viele Einzelhersteller im Hintergrund stehen. Vor allem aber konnte Roche zusagen, in absehbarer Zeit neben der Klinischen Chemie und der Immunologie auch die Gerinnungsanalytik an die neue Laborstraße anzuschließen. „Es ist schön“, ergänzt Heike Weißer, „dass die Straße von Roche auch optisch ansprechend ist. Sie ist von der Höhe her so konstruiert, dass die Mitarbeiterinnen sich sehen und miteinander reden können, so dass Hand in Hand gearbeitet werden kann.“ Entsprechend angenehm ist die Arbeitsatmosphäre in dem großen Raum, der vor der Installation umgebaut wurde.
In der Ecke neben dem Eingang werden die Proben angenommen – meist über die Rohrpostleitung, die schräg aus der Decke läuft. Leise schnurrend und piepsend prozessiert die Laborstraße in der Mitte des Raumes die Proben. Dabei wird sie von Mitarbeitern mit Hilfe modernster Datenverarbeitung aufmerksam überwacht. Automatisch transportiert das Modular Pre- Analytics System die Röhrchen zur Zentrifuge, zum Destopper, Aliquotierer, Etikettierer, Restopper und Sortierer. Die Primärproben stehen innerhalb kurzer Zeit bereits im Archiv, da für die verschiedenen Arbeitsplätze Aliquots erstellt werden. Dies hat den Vorteil, dass die Arbeitsplätze parallel mit Probenmaterial versorgt werden und die Primärprobe verschleppungsfrei bleibt. Bis zu 400 Proben pro Stunde kann die MPA-Straße rund um die Uhr vorbereiten, Notfallproben können über einen speziellen Eingang problemlos in das System eingeschleust werden. MPA schleust die Proben in den cobas 6000 ein, der in Fulda vorerst 104 Tests gleichzeitig bearbeitet und damit noch nicht voll ausgelastet ist. Der Anschluss für die Gerinnungsanalytik ist bereits reserviert.
Sachkosten deutlich gesunken
„Ohne das zur Implementierung gebildete MTA-Kernteam und die leitenden MTAs wäre das nicht möglich gewesen“, sagt Heike Weißer. „Sie waren die Kristallisationspunkte in diesem Implementierungsprozess.“ Aber auch Roche Diagnostics habe mit seiner „sehr kompetenten Beratercrew“ ein hohes Maß an Unterstützung geleistet – von der Bauplanung bis zur Schulung und Parameteroptimierung. „Unsere Sachkosten sind durch die neue Straße deutlich gesunken. Die geringere Personalbindung im Kernlabor erlaubt uns eine personalneutrale Neugestaltung des Rahmendienstplans und die Einführung neuer Technologien im Bereich der molekularen Diagnostik.“
Durch die Auflösung der Einzelarbeitsplätze sei die Arbeit jedes Mitarbeiters überdies vielfältiger und reichhaltiger geworden. „Jedem wird mehr Expertise abverlangt.“ Ihr Labor verfüge mit dem neuen System nun über einen klar strukturierten, standardisierten Workflow. Das eröffne lohnende Perspektiven. Denn es könne nun über die üblichen Spitzenzeiten der Klinik hinaus den ganzen Tag ausgelastet werden. Das könne die Liegezeiten im Krankenhaus verkürzen und erschließe neue Kunden, etwa im ambulanten Bereich. Dadurch steige wiederum die Qualität der Gesundheitsversorgung im Einzugsbereich des Klinikums. Heike Weißer muss es wissen. Sie bereitet sich gerade auf ihren Abschluss als Master of Business Administration vor – im Fachgebiet Health Care Management.