Containment-Strategie: Wie lässt sie sich durchführen?
15.06.2012 -
Containment-Strategie: Bei einem gehäuften Auftreten von akuten Gastroenteritiden in Gesundheitseinrichtungen kann es sich um den Ausbruch einer nosokomialen Norovirus-Infektion handeln.
Im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg ereignete sich 2010 ein größerer, Norovirus-bedingter Gastroenteritisausbruch. Das Infektionsgeschehen breitete sich in mindestens drei Wellen über sieben Wochen aus und erfasste über 200 Erkrankte. Die Dimension und der Zeitpunkt des Ausbruchs sowie besondere bauliche und personelle Bedingungen stellten spezielle Probleme bei der Bewältigung dar. Retrospektiv ließ sich der Erfolg einer konsequenten Containment-Strategie zeigen, wie K. P. Ebert, A. Binder und U. Schotte in einer ausführlichen Publikation (Wehrmed. Monatsschr. 7/2011) darstellten.
Labordiagnostik mit Lehreffekt
Die Diagnostik erfolgte durch einen Erregernachweis von Noroviren im Stuhl. Zudem fand eine Parallelbestimmung mit einem Schnelltest statt (auch zur Validierung des neuen Tests), und es wurde eine Real-Time (RT)-PCR durchgeführt. Bei einigen Problempatienten wurden die PCR-Kontrollen wiederholt. Die Ergebnisse bewerteten die Autoren als lehrreiche Erkenntnisse, denn gelegentlich gelang der Virusnachweis trotz klinischer Symptomatik erst sehr spät. Besonders bei immunkompromittierten Problempatienten war eine lang anhaltende, teilweise undulierende Symptomatik bei hoher Virusausscheidung eine ebenfalls interessante Beobachtung.
Umgebungsuntersuchungen von Bedeutung
Im laufenden Betrieb wurden Oberflächentupferproben in Patientenbereichen, Küche und Kantine sowie in Bereichen mit Publikumsverkehr entnommen. Gemeinschaftlich genutzte Automaten (für Getränke, Lebensmittel, Geld und Telefon) sowie Toiletten (Patienten, Personal, Besucher) standen besonders im Fokus der Untersuchung. In einer ersten Untersuchungsserie waren 30,3 % der Proben signifikant belastet, bei einer Wiederholung nach fünfeinhalb Wochen nur noch 9,8 %. Dies zeigte den Autoren zufolge einerseits, dass es gelungen war, zuvor bestehende Lücken im klinischen Barriere-Management zu schließen. Andererseits belegt es die Bedeutung solcher Befunde, wenn man bedenkt, dass Norovirus-Ausbrüche trotz aller Sanierungsmaßnahmen auch nach mehreren Wechseln von Passagieren und Crewmitgliedern immer wieder aufgeflackert sind.
Strategien zur Bewältigung des Ausbruchs
Die eingeleiteten Maßnahmen entsprachen wesentlich den allgemein empfohlenen Standardmaßnahmen, wegen der weiteren Ausbreitung der Erkrankung mussten sie jedoch eskaliert werden. Zweimal mussten Stationen komplett geräumt, desinfiziert und alles Verbrauchsmaterial vernichtet werden. Einmal gelang die Sanierung einer Station in Abschnitten.
Mögliche Lücken in Barriere-Strategien
Die Autoren nennen unterschiedliche Gründe, die zu Lücken in der Barriere-Strategie führen können. Das Personal ist, zwar in unterschiedlichem Maß, ebenfalls von Erkrankungswellen betroffen. Bei medizinischem Personal, auch bei Ärzten, besteht oft eine Tendenz zur Verleugnung der eigenen Infektion. Darüber hinaus ist bei den in der Regel multimorbiden Patienten die Compliance häufig nicht ausreichend.
Als besonders schwierig durchsetzbar erwiesen sich alle Maßnahmen, die Einschränkungen des klinischen Betriebs nach sich zogen. Manche Regelung, die von der Hygiene für notwendig gehalten wurde, weil bestimmte Probleme antizipiert wurden, konnte anfangs mangels harter Datengrundlage nicht proaktiv durchgesetzt werden, sodass die Probleme anschließend reaktiv bearbeitet werden mussten.
Retrospektive Bewertung
Ein großer Teil der Zusammenhänge zeigte sich, so die Erkenntnis der Autoren, erst bei einer retrospektiven Analyse, nachdem alle Daten vorlagen. Es kam offensichtlich trotz maximaler Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen zur Generierung eines infektionsrelevanten Erregerreservoirs durch Patienten aufgrund der späten Identifizierung der Fälle und der Verteilung von unerkannt Erkrankten oder Langzeitausscheidern.
Klinische, zeitliche und epidemiologische Verläufe von Norovirus-Infektionen seien wahrscheinlich in der Realität wesentlich variabler, als dies im Bewusstsein der Fachöffentlichkeit präsent ist. Dank des stärkeren Einsatzes hoch sensitiver Virusnachweisverfahren werden offenbar oligosymptomatische und atypische, oft aber lange anhaltende Verläufe eher wahrgenommen, die ohne wirksame Infektionsschutzmaßnahmen trotzdem ein hohes Übertragungspotential haben.
Die Umgebungskontamination mit Noroviren ist epidemiologisch äußerst bedeutsam, was anfangs unterschätzt worden sei.
Einzelne immunkompromittierte und teilweise wenig kooperative Patienten mit lange andauernder Norovirus-Ausscheidung haben in der Ausbruchssituation wohl ein von allen Handelnden unterschätztes Erregerreservoir dargestellt. In Zukunft sei bei der zu erwartenden Morbiditätsentwicklung mit solchen Problemen gehäuft zu rechnen.
Lessons learned
- bei einer Gastroenteritis differenzialdiagnostisch immer auch an Noroviren denken,
- Eigenschutz/Umgebungsschutz vor Kontamination durch persönliche Schutzausrüstung und Norovirus-wirksame Händedesinfektion,
- bei Personalerkrankung konsequentes Fernhalten vom Arbeitsplatz (einschließlich Sperrzeit in der Phase hoher Virusausscheidung),
- konsequente fortlaufende Sanierung des Umfelds,
- konsequente Containment-Strategie,
- persistierende Erregerreservoire bei Problempatienten in die Überlegungen einbeziehen.
Ausblick
Ein interessanter Ansatz kommt von einer Brüsseler Arbeitsgruppe (Vanderpas J et al.: Mathematical model for the control of nosocomial norovirus. J Hosp Infect 2009; 71: 214-222): Man könnte den Verlauf eines Norovirus-Ausbruchs in einer temporär geschlossenen oder halbgeschlossenen Einrichtung mit mathematischen Modellen beschreiben und den tatsächlichen Verlauf eines Ausbruchs mit den daraus abgeleiteten Vorhersagen vergleichen, um die Auswirkungen unterschiedlicher Infektionskontrollstrategien vorab einzuschätzen. Solche Modelle müssen sich jedoch als belastbar erweisen. Dann könnten sie bei der Planung von Interventionen hilfreich sein.