Hygiene

Januvia: orales Antidiabetikum für die bedarfsgerechte Insulinausschüttung

09.07.2012 -

Januvia: orales Antidiabetikum für die bedarfsgerechte Insulinausschüttung. Mit dem Präparat Januvia (Wirkstoff Sitagliptin) hat MSD sein erstes Diabetesmedikament in den Markt gebracht. Die Firma begibt sich damit in ein Indikationsgebiet, in dem sie bisher nicht tätig war. Luise Mansel sprach für Management & Krankenhaus mit Kevin Ali, dem Hauptgeschäftsführer Deutschland von MSD Sharp & Dohme, über seine Einschätzung der Marktsituation für ein neues Antidiabetikum und über die Zukunftsvorstellungen der Firma MSD zu ihrer Position im Indikationsgebiet Diabetes.

Management & Krankenhaus: Herr Ali, glauben Sie, dass MSD als Wettbewerber in diesem hart umkämpften Feld der Diabetesbehandlung akzeptiert wird?

Kevin Ali: Wir sind überzeugt, dass MSD in dem Indikationsgebiet Diabetes eine herausragende Position beziehen wird. Nebenbei gesagt sind wir seit langem für unsere Kompetenz im Herz-Kreislauf-Bereich bekannt und sprechen auf Ärzteseite hier weitgehend die gleiche Zielgruppe an, nämlich neben den Diabetologen die Internisten, Kardiologen, aber natürlich auch die große Gruppe der Allgemeinmediziner. Sitagliptin ist für uns tatsächlich der Anfang im speziellen Segment der Diabetologie. Wir glauben, dass bereits dieses erste Produkt deutlich unsere Kompetenz zeigt und werden in dieser Überzeugung durch nationale und internationale Wissenschaftler von höchstem Rang bestärkt. Unsere weiteren Entwicklungen werden diese Position noch mehr stärken. Ich bin sicher, dass man in einigen Jahren sagen wird: Ja, MSD ist mit seiner Produktpalette ein sehr wichtiger Partner für die Behandlung des Diabetes.

Management & Krankenhaus: Will denn MSD weitere Produkte zur Behandlung von Diabetes entwickeln?

Kevin Ali: Ja, natürlich, aber wir sprechen nur ungern über Produkte, die sich noch in der Pipeline befinden. Das ist sehr riskant, weil falsche Hoffnungen geweckt werden können. Man weiß nie genau, ob man wirklich erfolgreich damit ist. Daher warten wir lieber, bis wir in der Zulassung sind, ehe wir etwas sagen. Aber sicher ist, dass wir neue Antidiabetika entwickeln. Wir sind mit mehreren Wirkstoffen in den Prüfphasen I, II und III. Der nächste und nahe liegende Schritt wäre eine Kombination unseres innovativen DPP-4-Hemmers Januvia mit dem etablierten Metformin. Beide Substanzen würden sich hinsichtlich ihres Wirkmechanismus ideal ergänzen.

Management & Krankenhaus: Januvia wurde kürzlich zur Kombination mit Metformin bzw. Glitazonen zugelassen. Sie sprechen von einem innovativen Medikament. Ist es das wirklich, oder stellt es nur ein add-on zu bestehenden Therapien dar?

Kevin Ali: Alle Experten werden Ihnen bestätigen, dass wir hier eine wirkliche Innovation vor uns haben. Der Wirkmechnismus ist einzigartig: Er hilft dem Körper, die eigenen Inkretinhormone zu nutzen, um den Blutzuckerspiegel zu regulieren. In Abhängigkeit von der Nahrungsaufnahme wird je nach Bedarf die Insulinausschüttung in der Betazelle anoder abgestellt. Dieser „physiologische“ Effekt unterscheidet die neue Substanz von allen herkömmlichen oralen Antidiabetika. Einige Experten haben es so formuliert, dass wir hier mit Physiologie und nicht mit Pharmakologie therapieren. Was wir neben der Faszination für das Wirkprinzip aus den klinischen Studien wissen: Januvia ist sehr wirkstark in der Blutzuckersenkung und für den Patienten sehr gut verträglich. Wenn sich jetzt noch tierexperimentelle Daten bestätigen sollten, die eine erhaltende bzw. regenerierende Wirkung auf die Betazellen gezeigt haben, dann hätten wir einen zukunftsweisenden Durchbruch für die Diabetestherapie vor uns.

Management & Krankenhaus: Welche Vorteile ergeben sich für den Patienten daraus?

Kevin Ali: Dem Patienten steht ein wirkstarker Blutzuckersenker mit einer sehr guten Verträglichkeit zur Verfügung. Viele der bislang verfügbaren Präparate waren mit Nebenwirkungen verbunden, z.B. Hypoglykämien, Gewichtszunahme oder gastrointestinale Beschwerden. Anders mit Sitagliptin: Bedingt durch den Wirkmechanismus tritt eine Blutzuckersenkung nur im Anschluss an eine Nahrungsaufnahme ein. Daher beobachten wir Hypoglykämien nicht häufiger als unter Placebo. Auch das Körpergewicht wird nicht erhöht, was für viele Diabetiker sehr wichtig ist. Darüber hinaus ist die Einnahme sehr patientenfreundlich: eine Tablette einmal täglich – und das unabhängig von den Mahlzeiten.

Management & Krankenhaus: Jeder weiß, dass die Entwicklung neuer Arzneimittel mit hohen Kosten verbunden ist. Wie hoch waren diese bei Januvia?

Kevin Ali: Normalerweise rechnet man mit einer Entwicklungszeit von acht bis zwölf Jahren und Kosten zwischen 750 Mio. und 1,2 Mrd. US Dollar. Meines Wissens lagen wir mit Januvia in dieser Größenordnung. Der Ausgang der Forschung ist ja immer ein riskantes Spiel. Und letztlich ist es so, dass von zehn eingeführten Substanzen nur drei wirklich profitabel sind, die dann sämtliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung einspielen müssen. Wichtig ist aber, dass alle dazu beitragen, den Patienten zu helfen und ihr Leben zu erleichtern.

Management & Krankenhaus: Warum sind innovative Produkte in Deutschland teurer als in anderen Ländern?

Kevin Ali: Das ist so nicht zutreffend. Die Preise in Deutschland liegen in etwa auf dem gleichen Niveau wie in den meisten europäischen Ländern. Insgesamt sind die Preise in der Schweiz am höchsten und in Griechenland am niedrigsten. Generell ist es die Politik von MSD, dass zumindest in Europa die Preise in allen Ländern etwa im gleichen Korridor liegen sollen. Die Unterschiede betragen nicht mehr als 10 %. Zwischen Europa und den Entwicklungsländern gibt es für Produkte wie Januvia auch keine großen Unterschiede. Die höchsten Preise erzielen Neuentwicklungen in den USA. Dort sind die Preise etwa um ein Drittel höher als in Europa. Es ist eine freie Preisgestaltung möglich, die natürlich neuen Forschungsaktivitäten zugute kommt.

Management & Krankenhaus: Die höheren Preise neuer Medikamente werden ja oft damit gerechtfertigt, dass sie therapeutische Verbesserungen mit sich bringen, die Kosten sparend wirken. Ist das bei Januvia auch so?

Kevin Ali: Aus meiner Sicht ist dies ein wichtiges Kriterium für eine Innovation. Es ist natürlich schwierig zu kalkulieren. Aber Sie können davon ausgehen, dass Sitagliptin Kosten sparend wirkt, u. a. weil keine Hypoglykämien auftreten, das Gewicht stabil bleibt und kein kardiovaskuläres Monitoring erforderlich ist. Die Hospitalisierungskosten werden geringer sein und ebenso die für Blutzuckerbestimmungen. Zukünftige Studien werden zeigen müssen, ob wir auch schwierige Komplikationen wir Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenversagen reduzieren können.

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