Hygiene

Legionellen-Infektionen: Nur ein Bruchteil wird diagnostiziert

28.06.2014 -

Legionellen-Infektionen: Nur ein Bruchteil wird diagnostiziert. Die Situation in Deutschland ist seit einiger Zeit unverändert: Tausende von Legionellen-Infektionen werden nicht als solche gemeldet, weil sie nicht als Legionellosen erkannt werden.
So ist bei uns nach wie vor von einer hohen Untererfassung der Legionellosen auszugehen.
Wie das Robert Koch-Institut im Epidemiologischen Bulletin vom 2. Dezember 2005 meldete, gilt das besonders für das Pontiac-Fieber.
Aber auch bei Pneumonien wird recht selten eine spezifische Erregerdiagnostik durchgeführt.
Deshalb ist davon auszugehen, dass höchstwahrscheinlich nur wenige Infektionen als Legionärskrankheit identifiziert werden.
So bleibt es weiterhin trotz Meldepflicht schwierig, verlässliche Zahlen zur tatsächlichen Erkrankungshäufigkeit zu erhalten.

Tatsache ist lediglich, dass dem Robert Koch-Institut im Jahr 2004 insgesamt (nur) 475 Legionellosen gemäß Referenzdefinition übermittelt wurden.
Dies entspricht bundesweit einer Inzidenz von knapp sechs Erkrankungen pro einer Million Einwohner.
Damit liegt Deutschland nach wie vor unter dem europäischen Durchschnitt. Gegenüber dem Vorjahr ist diese Zahl zwar um etwa 20 % gestiegen, doch dieser Anstieg ist zum Teil Folge einer Änderung der Falldefinition.
Darüber hinaus dürfte er auch auf eine verbesserte Meldung bzw. Erfassung von diagnostizierten Erkrankungsfällen zurückzuführen sein.
Mit Blick auf aktuelle Studien des Kompetenznetzwerks für ambulant erworbene Pneumonien (CAPNetz) ist trotzdem anzunehmen, dass die übermittelten Fälle lediglich einen Bruchteil der tatsächlich aufgetretenen Erkrankungen repräsentieren.
Auch andere europäische Länder kennen das Problem der Untererfassung.
Doch aufgrund der verbesserten Surveillance in vielen europäischen Staaten lässt sich seit 1993 europaweit eine stetige Zunahme der Erkrankungszahlen feststellen.
So stieg die Gesamtinzidenz innerhalb Europas von durchschnittlich 4,1 Erkrankungen pro eine Million Einwohner im Jahr 1993 auf derzeit 8,2 Erkrankungen pro eine Million Einwohner im Jahr 2004; allerdings bestehen starke Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern.
Ulrike Hoffrichter sprach hierüber mit Prof. Dr. Martin Exner, Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn.

M & K: Eine gute Surveillance, hohe Sensibilisierung für eine mögliche Legionellen-Infektion und ein entsprechendes Diagnoseverhalten beeinflussen sich gegenseitig, so lehrt die Erfahrung anderer europäischer Länder.
Wie beurteilen Sie die momentane Situation in Deutschland?
M. Exner: In der Tat ist deutlich geworden, dass sich in anderen europäischen Ländern durch eine verbesserte Aufklärung von Ärzten über die Bedeutung von Legionellen auch das Diagnoseverhalten geändert hat:
Vermehrt werden Legionellen aufgrund entsprechender intensiverer Untersuchungen festgestellt.
In Deutschland ist diese Tendenz bislang nicht feststellbar.
Das Robert Koch-Institut hat erst kürzlich in seinem Epidemiologischen Bulletin vom 2. Dezember 2005 darauf hingewiesen, dass aufgrund einer Studie über ambulant erworbene Pneumonien in Deutschland mit 500.000 ambulant erworbenen Pneumonien zu rechnen ist.
In 6% der Fälle, so lauten die Schätzungen von CAPNetz, ist sogar mit einer Legionellen-Ätiologie zu rechnen.
In der (nicht gemeldeten) Realität ist also bei uns pro Jahr mit bis zu 30.000 Legionellen-Infektionen zu rechnen.
Legt man eine Letalität von 10 % zu Grunde, würde auf dieser Basis mit einer Letalität von ca. 3.000 Todesfällen durch Legionellen-Pneumonien zu rechnen sein.

M & K: Eine gute Datenerfassung ist darüber hinaus ein wesentlicher Aspekt, um eine sinnvolle Legionellen-Prophylaxe zu erstellen und durchzuführen: Je besser die Datenlage ist, desto besser greift die darauf aufbauende Vorsorge.
Wie integriert sich Deutschland in das europaweite Netzwerk zum Austausch von Daten über Legionellen-Infektionen?
M. Exner: Wie Dr. Carol Joseph vom Europäischen Koordinationszentrum in London informiert, werden derzeit von Deutschland aufgrund juristischer Gründe nicht alle erforderlichen Daten z.B. bei reiseassoziierten Legionellen-Infektionen zur europäischen Surveillance für Legionellosen nach Colindale, England, gemeldet.
Dies ist sicher nachteilig und es ist sehr sinnvoll, wenn Deutschland sich auch an einem entsprechenden Meldesystem beteiligen würde.
Andere europäische Länder wie Spanien, Frankreich, England und die Niederlande tun dies seit vielen Jahren.

M & K: Betrifft die Notwendigkeit, die Surveillance zu verbessern, nur die Krankenhäuser?
M. Exner: Nein, ganz und gar nicht. Denn z.B. bei den ambulanten Pneumonien ist es nicht primär das Problem der Krankenhäuser, weil diese Infektionen definitionsgemäß außerhalb des Krankenhauses auftreten.
Also müssen gerade auch in vor- oder nachgelagerten Bereichen weitere Anstrengungen zur Verbesserung der Wasserqualität unternommen werden.
Ich denke z.B. an die Hausinstallationen und Rückkühlwerke.
Beides sind die wichtigsten Infektionsquellen für Legionellosen schlechthin.

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