Integrierte Versorgung benötigt medizinische und betriebswirtschaftliche Managementkompetenz
22.07.2014 -
Integrierte Versorgung benötigt medizinische und betriebswirtschaftliche Managementkompetenz. Die Integrierte Versorgung sollte niedergelassene Ärzte mit Krankenhäusern vernetzen und so die Qualität verbessern und Kosten sparen. Ein guter Ansatz – doch bei der Organisation professioneller Zusammenarbeit sind die Akteure oft überfordert.
Teure Doppeluntersuchungen vermeiden und dem Patienten eine bessere Behandlungsqualität bieten – das ist das Ziel der 2004 ins Leben gerufenen Kooperation zwischen Arzt und Krankenhaus.
Doch in der Praxis gibt es Schwierigkeiten: „Es fehlt der strategische Überblick“, so Prof. Dr. Christian Ernst, Lehrstuhl für Ökonomik und Management sozialer Dienstleistungen an der Universität Hohenheim, am Rande der Hohenheimer sozialpolitischen Gespräche zur Integrierten Versorgung.
Angetreten war der Gesetzgeber mit einem hehren Ziel: Um Kosten zu senken und die Behandlungsqualität zu verbessern, sollten Ärzte und Krankenhäuser gemeinsam eine Brücke zwischen der ambulanten Versorgung und dem stationären Klinikaufenthalt schlagen dürfen.
Folgerichtig fördert das Konzept vor allem sektorübergreifende Kooperationen sowie die Zusammenarbeit bei bestimmten Krankheitsbildern.
Zu diesem Zweck behalten die Krankenkassen jährlich jeweils 1 % des Gesamtbudgets für die ambulante ärztliche Versorgung sowie aller Krankenhausrechnungsbeträge ein und stellen diese Mittel für Projekte in der Integrierten Versorgung bereit.
Nach Angaben des Sozialministeriums Baden-Württemberg sind deutschlandweit bereits 2,7 Millionen Patienten bei einer Gesamtvergütungssumme von 375 Mio. € an entsprechenden Projekten beteiligt.
Doch das Projekt hat auch Schwächen. „Die mangelnde Konkretisierung im Gesetz, was genau unter „Integrierte Versorgung“ fällt, führte in der Anfangsphase zu einer Mitnahmementalität bei den Fördermitteln“, kritisiert Prof. Dr. Ernst.
So wurden teilweise längst bestehende Versorgungsstrukturen als „Integrierte Versorgung“ neu etikettiert, um von der Anschubfinanzierung zu profitieren.
Dabei laufe das dem Grundgedanken des Gesetzes zuwider, denn es gehe darum, kreative Energien freizusetzen und neue Organisationsformen zu etablieren.
„Die Frage, wer kann was am besten, muss das Primat jeder geförderten Kooperation sein“, betont Prof. Dr. Ernst. Nur so könne eine Effizienzsteigerung im Behandlungsprozess erreicht werden.
Das größte Hindernis bei der Etablierung neuer Projekte sei jedoch das Fehlen eines Koordinators. „Das zeigten die Erfahrungen im Rahmen der Podiumsdiskussion deutlich“, berichtet Prof. Dr. Ernst.
Vielen Arztpraxen fehle schlicht die Zeit und das betriebswirtschaftliche Know-how, um Netzwerke zu schmieden. Außerdem irrten Ärzte und Kliniken oft im Bodennebel des Unwissens, wer denn der beste Partner auf der jeweils anderen Seite sei.
„Im Podium war man sich einig, dass hier medizinische und betriebswirtschaftliche Managementkompetenz erforderlich ist, die – ausgestattet mit genügend Ressourcen – Behandlungskooperationen professionell steuern kann“, so Prof. Dr. Ernst.
Uneinigkeit herrschte jedoch wie immer darüber, wo diese Koordinationsaufgabe anzusiedeln ist.
Sowohl die Krankenkassen als auch die Kassenärztlichen Vereinigungen verstehen sich hier als kompetente Partner der Leistungserbringer.
Nach Ansicht des Hohenheimer Betriebswirtes ist es jedoch durchaus möglich, dass diesen Streit zum Schluss professionelle, privatwirtschaftliche Managementgesellschaften als lachende Dritte für sich entscheiden.
Kontakt:
Prof. Dr. Christian Ernst
Universität Hohenheim
Fachgebiet Ökonomik
und Management sozialer Dienstleistungen
D-Stuttgart
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