Prozessbasierte Betriebskonzepte –Chancen für jede Klinik
10.07.2015 -
Komplexität und Effizienzdruck steigen im Krankenhaus, und gerade in der Bedarfsplanung sind interdisziplinäre Lösungen gefragt.
Drei Experten mit unterschiedlichem Hintergrund stehen Rede und Antwort, wenn es um das Themenfeld zukunftsfähiger Prozessplanung geht: Dr. Evangelos Tsekos ist Leiter Medizinische Prozessorganisation am Universitätsklinikum Düsseldorf und Vorsitzender des Berufsverbandes für OP-Management sowie Sprecher des Expertenkreises OP-Effizienz; Manfred Wolf verantwortet die Geschäftsführung der novis clinical consulting mit Fokus auf der Organisationsberatung, als studierter Wirtschaftsingenieur ist er Mitinitiator und Mitglied im Organisationskomitee der Fachkonferenz „Hospital Concepts“. Dritter Gesprächspartner ist Dr. Michael Petri, Inhaber von Dr. Petri Hospital Consulting; er ist seit Jahrzehnten erfolgreich in der Planungs- und Betriebsberatung im Krankenhaus und Mitglied im Arbeitskreis Gesundheit des Bund Deutscher Architekten.
M&K: Prozessoptimierung gilt als Schlüssel für ein zeitgemäßes und zukunftsfähiges Krankenhaus. Wie geht es den Häusern in dieser Hinsicht, wenn es um die Optimierung ihrer Prozesse geht?
Dr. Evangelos Tsekos: Krankenhäuser stehen im Wettbewerb um die Patienten und Mitarbeiter. Patientenfreundlichkeit setzt klare und transparente Abläufe voraus, sodass möglichst geringe Wartezeiten anfallen und die Verweildauern optimiert werden. Mitarbeiterfreundlichkeit setzt Verantwortlichkeit für den jeweiligen Prozessschritt voraus, sinnvolle Kennzahlen beispielsweise über Saalwechselzeiten im OP ermöglichen Feedback.
Was belastet, sind vermeidbare Wartezeiten, häufige Improvisation und mangelnde Information. Verbesserte aufeinander abgestimmte Abläufe und koordinierte Planung reduzieren die Arbeitsbelastung und ermöglichen Ärzten und Pflegekräften die Konzentration auf die Patientenbehandlung. Hier sehe ich noch viel Entwicklungspotential.
Herr Dr. Petri, wo sollte Prozessoptimierung beginnen?
Dr. Michael Petri: Prozessoptimierungen können in jeder Betriebsstelle erfolgen. Besonders effektiv ist aber eine grundsätzliche Reorganisation des Hauses im Rahmen eines strategischen Gesamtkonzepts, eines Masterplans. Er verbindet baulich funktionelle Maßnahmen mit betrieblichen Elementen. Beispiel: bessere Raum- und Personalauslastungen durch wirtschaftliche Infrastruktur. Der strategische Masterplan führt zu einem neuen Betriebskonzept. Deshalb: Keine bauliche Zielplanung ohne Medizinkonzept, keine Bauplanung ohne Betriebskonzept. Diese Leistungen (früher Betriebsorganisation genannt) sind selbstverständlich keine Planungsleistungen im Sinne der HOAI, schon gar nicht als Grundlagenermittlung zu betrachten. Hier hat sich inzwischen ein selbstständiges Fachgebiet der Klinikberatung entwickelt.
Welche Rolle hat dann der Architekt?
Manfred Wolf: Ich kann nur unterstreichen: Form follows concept und nicht umgekehrt. Die bauliche Planung hat also die betriebsorganisatorischen Konzepte umzusetzen. Dr. Petri hat recht, ohne Betriebskonzept ist die Unwirtschaftlichkeit von Investitionen in Bau und Technik vorprogrammiert. Wie sonst soll der Architekt wissen, wie die Flächen zu dimensionieren sind und wie die Räume anzuordnen sind? Bei den Layout-Studien, da beginnt die Entwurfsarbeit des Architekten, da müssen die Planungsbeteiligten zusammenarbeiten.
Welche „Hausaufgaben“ sehen Sie nun konkret beim Bauherrn?
Dr. Michael Petri: Wer durch bauliche Maßnahmen die Betriebskosten senken will, braucht ein Betriebskonzept. Der Vorstände als Bauherr und Betreiber müssen ihr Management ermutigen und dabei unterstützen strategische Masterpläne ausarbeiten zu lassen. Bisher sind nur wenige Experten auf diesem Leistungsspektrum spezialisiert. Umso enger muss die Auswahl zwischen Bauherr und Management abgestimmt sein. Dies gilt auch für die dann folgende Umsetzung dieser Konzepte.
Manfred Wolf: Am Anfang stehen das Leistungsangebot und entsprechende Prozesse, die Behandlungspfade. Diese müssen im Detail und im Zusammenwirken der Fachabteilungen (Medizin, Pflege, Patientenadministration) geplant werden, die Kooperation und Kommunikation der Berufsgruppen muss geklärt werden, und die Behandlungsabläufe müssen mit den Versorgungsprozessen (Medizin- und Informationstechnik, Logistik und Warenwirtschaft) abgestimmt und beschrieben werden. All das ist eine Managementaufgabe der Bauherren und hat zunächst nichts mit Bauplanung zu tun. Wie Dr. Petri bereits ausführte: Prozesse können jederzeit und in jeder Betriebsstelle optimiert werden.
Welche Abläufe würden Sie aus Ihrer Erfahrung weiter – und mit welchen Zielen – verbessern wollen?
Dr. Evangelos Tsekos: Entscheidend ist, dass die organisatorischen Abläufe nicht erst geplant werden, wenn ein neues Gebäude in Betrieb genommen wird. Während wir heute beispielsweise die perioperativen Prozesse von der Einleitung bis zum Aufwachraum in vielen Kliniken bereits baulich gut umsetzen können, sind die Konzepte für den Patiententransport und die Versorgungslogistik oft noch sehr traditionell, weil für moderne Konzepte, z. B. Same-Day-Surgery die Flächen fehlen.
Wenn es Prozessbeschreibungen gibt, gibt es auch Prozesskennzahlen … Sind die Prozesse ausreichend durch IT-Verfahren unterstützt?
Manfred Wolf: Zwar gibt es Prozesskennzahlen, aber in den wenigsten IT-Systemen werden diese in anschaulicher Weise aufbereitet und präsentiert. Ein genereller Schwachpunkt in vielen IT-Systemen ist die fehlende Interoperabiltät der IT-Subsysteme z. B. der Terminplanung für einen stationären Aufenthalt mit der Personaleinsatzplanung und der Materialwirtschaft, dem Patiententransport und dem Narkoseprotokoll.
Wie schätzen Sie die abteilungsübergreifende Prozessinteraktion ein?
Dr. Evangelos Tsekos: Oft wird nur „großflächig“ gedacht: dezentrale Kliniken werden durch einen Kompaktbau zusammengefasst. Dadurch sollen Patiententransporte reduziert und eine interdisziplinäre Behandlung sowie multifunktionale Nutzung von Untersuchungs- und Behandlungskapazitäten ermöglicht werden. Oft jedoch ist das nicht der Fall, zum Teil steigen die Kosten. Weshalb? Weil der Kompaktbau ohne Betriebskonzept realisiert wurde.
Die Patiententransporte erfolgen dann z. B. zwar nicht mehr über das Gelände, sondern im Gebäude, aber fehlende Aufzugskapazitäten führen zu Wartezeiten, die Lage der Funktionsräume sind nicht am Behandlungsablauf orientiert, das Ver- und Entsorgungssystem musste sich den Gegebenheiten anpassen, Flächen sind unterdimensioniert, Lagerräume sind ungünstig angeordnet etc. Folge: Unzufriedenheit auf allen Ebenen, erhöhte Betriebskosten.
Dr. Michael Petri: Betriebskonzepte sind dann erfolgreich, wenn sie interdisziplinär ausgerichtet sind. Im Mittelpunkt der Prozesse stehen die einzelnen Funktionsstellen der Klinik. Wie Dr. Tsekos ausführte, sind alle Prozesse stark miteinander verzahnt. Deshalb müssen die Teilprozesse aufeinander abgestimmt sein und daher auch integriert geplant werden: Patientenaufnahme und Entlassung, Untersuchung und Behandlung, Logistik und Transport, Reinigung, Aufbereitung, Desinfektion, Materialbereitstellung, Sterilgutversorgung, Geräteverfügbarkeit, Administration und Verwaltung. Ohne IT-Unterstützung kann diese Integration nicht optimiert werden, und Synergiepotentiale gehen verloren. Die Planung der Behandlungsprozesse muss sich an Konzepten der medizinischen Fachgesellschaften orientieren.
Manfred Wolf: Weil wir wissen, dass die Abläufe und das Zusammenwirken oft leider zu spät geplant werden und Ärzten und Pflegekräften oft das Know-how für diese Aufgaben fehlt, haben wir die Initiative Prozessoptimierte Planung gestartet. In einer ersten Veranstaltung im Universitätsklinikum Düsseldorf wurden mit erfahrene Praktikern und Teilnehmern aus zahlreichen Kliniken die Leistungsinhalte zur Erarbeitung strategischer Betriebskonzepte diskutiert, einschlägige Vorgehens-und Organisationsentwicklungsmodelle vorgestellt, die verschiedenen methodischen Werkzeuge und Hilfsmittel sowie erfolgreiche Projekte präsentiert. Aufgrund des starken Interesses sind weitere Veranstaltungen und Workshops geplant.