Labor & Diagnostik

Vernetzte Diagnostik am Point of Care

10.08.2015 -

Immer mehr Kliniken ergänzen ihr diagnostisches Portfolio durch Point of Care Testing (POCT) in unmittelbarer Nähe zum Patienten.

Durch dieses Testformat können wichtige Laborparameter häufig schneller als durch ein Zentrallabor bestimmt werden. Besonders für Blutglukose und Blutgase sind POCT-Geräte schon lange im Krankenhaus verbreitet. Zunehmend erobern POCT-Geräte jedoch auch andere Einsatzbereiche. Hier reichen die eingesetzten Gerätetypen von stationären Benchtop-Geräten bis hin zu mobilen Handhelds. Die verschiedenen und über unterschiedliche Standorte verteilten Analysegeräte können nur dann effektiv und risikominimiert betrieben werden, wenn sie in das IT-Netzwerk des Krankenhauses eingebunden sind. Daraus resultieren besondere Anforderungen an die IT-Infrastruktur einer Klinik.

Vorteile von vernetzen POCT-Geräten

Ein einfaches POCT, wie z. B. Urin-Teststreifen, findet ohne Beteiligung eines elektronischen Gerätes statt. Die Dokumentation der erhaltenen Messwerte muss manuell sorgfältig durchgeführt werden. Obwohl die Gefahr von Übertragungsfehlern in die Patientenakte schon lange bekannt ist, lassen sich diese nicht vollständig vermeiden. Sicherer sind in diesem Zusammenhang Geräte, die ihre Ergebnisse nicht nur dem Anwender anzeigen, sondern auch elektronisch übertragen. Die patientenspezifische Zuordnung einer Messung erfolgt zumeist über eine eindeutige Patienten-Identifikationsnummer. Scanner auf stationären Geräten können diese Nummer von einem zuvor beklebten Probengefäß erfassen. Mit mobilen Geräten lassen sich auch Barcodes auf Patientenarmbändern scannen. Durch diese unmittelbare Nähe von Patient und Messung ist eine Fehlzuordnung von Daten und Patient in diesem Fall nahezu ausgeschlossen. Die meisten vernetzen POCT-Geräte erfassen nicht nur den Patienten, sondern auch den Anwender über einen individuellen Barcode oder eine Authentifizierung am Gerät. Mit einer entsprechenden Software kann sich der Gerätezugriff auf den Personenkreis begrenzen, der ausreichend qualifiziert ist und die vorgeschriebene Kompetenzerhaltung nachweisen kann. Die Mitarbeiterdaten unterliegen genauso wie Patientendaten Datenschutzgesetzen und müssen entsprechend geschützt werden. Genauso wie alle anderen Untersuchungen der klinischen Chemie unterliegen POCT-Verfahren den Vorgaben der „Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen“ (Rili-BÄK). Des Weiteren gelten die „Grundlegenden Anforderungen“ im Anhang I der EU-Richtlinie 98/79/EG hinsichtlich der „Konstanz und Genauigkeit der Messung“. Bei vernetzen Geräten lässt sich zentral überwachen, ob die Vorgaben – insbesondere bezüglich der geforderten Kontrollmessungen – eingehalten worden sind. Im Falle einer notwendigen Unterstützung der Anwender auf der Station durch das Zentrallabor lässt sich der Anwender über einen Remote-Zugang bei vernetzten Benchtop-Geräten optimal führen. Die Sicherheit und Funktionalität der eingesetzten Geräte hängt nicht zuletzt von der Aktualität der Systemsoftware ab. Bei vernetzten Geräten können anfallende Aktualisierungen durch die IT-Abteilung zentral und zeitnah verteilt werden. Neben den Messwerten werden auch Daten über verbrauchte Reagenzien übertragen, die in automatisierte Beschaffungsprozesse innerhalb der Klinik einfließen können.

Wie können POCT-Geräte vernetzt werden?

Die Messdaten werden meist vom POCT-Gerät direkt oder über eine spezielle Software ins Laborinformationssystem (LIS) übertragen. Von dort werden sie ins Krankenhausinformationssystem (KIS) weitergereicht und den behandelnden Ärzten dargestellt. Bei stationären Geräten kommt eine LAN-Verbindung infrage. Eine weitere Möglichkeit sind stationäre Dockingstationen zur Aufnahme der mobilen Messgeräte. Wenn das Messgerät in der Dockingstation steckt, werden zuvor gespeicherte Daten über die Dockingstation ins Netzwerk übertragen. Meistens dient die Dockingstation auch dazu, den Akku des Messgerätes zu laden. Für die drahtlose Datenübertragung werden bei POCT-Geräten in der Regel Bluetooth oder WLAN genutzt. Eine hohe Abhör- und Eindringsicherheit kann bei WLAN durch eine Verschlüsselung mittels WPA2 erreicht werden. Funk-Interferenzen oder eine unvollständige Netzabdeckung können dazu führen, dass die Messdaten nicht ausfallsicher übertragen werden können. Deshalb sollten mobile POCT-Geräte die Werte zwischenspeichern können, bis wieder eine Verbindung zum Netzwerk besteht, und mittels eines Alarms die fehlgeschlagene Übertragung an den Anwender melden. Für den Datenaustausch auf Applikationsebene existieren die internationalen Standards der HL7-Familie mit den daraus abgeleiteten Protokollen POCT1-A und FHIR. Allerdings sind diese Standards noch nicht eindeutig genug, um auch ohne aufwendige Konfiguration neue Geräte in ein bestehendes System einbinden zu können. Um die Gefahren beim Betrieb von Medizingeräten in einem Klinik-IT-Netzwerk umfassend zu adressieren, ist die Anwendung eines Risikomanagement-Prozesses gemäß DIN EN 80001-1 zu empfehlen. Auch der Technical Report IEC/TR 80001-2-3 „Anwendung des Risikomanagements für IT-Netzwerke, die Medizinprodukte enthalten – Leitfaden für drahtlose Netzwerke“ stellt in diesem Zusammenhang eine sehr gute Anleitung dar. Weiterhin sind internationale Spezifikationen zur Datensicherheit der ISO/IEC-Arbeitsgruppen sowie die Publikationen zum IT-Grundschutz des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik zu beachten.

Ausblick

Die Herausforderungen, die bei der Vernetzung von POCT-Geräten entstehen, wurden auch in der kürzlich erschienenen Normungs-Roadmap „Mobile Diagnostiksysteme“ des VDE von den beteiligten Experten diskutiert und hieraus Empfehlungen für die Normung abgeleitet. Nicht zuletzt sollten Erfahrungen aus anderen Anwendungsbereichen vernetzter Medizintechnik, z. B. im Operationssaal oder der Telemedizin, Berücksichtigung für zukünftige Aktivitäten finden.

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