„Ein Drittel Einsparung ergibt eine solide Summe“
05.11.2019 -
Energieeffizienz ist noch kein Topthema im klinischen Alltag.
Darum bemüht sich die Freiburger Stiftung viamedica, mit Projekten wie Klinergie 2020 oder Klimaretter - Lebensretter, die Themen Energieeinsparung und Nachhaltigkeit in die Kliniken zu transportieren und zu verankern. Projektleiter Markus Loh berichtet über zehn Jahre Arbeit im Projekt Klinergie2020 der Stiftung und ihre Zukunft.
M&K: Die Kosten für Wasser, Energie und Brennstoffe beliefen sich im letzten Jahr aus 2,2 % der Bruttogesamtkosten (Krankenhaus Report 2018). Das klingt doch überschaubar, oder?
Markus Loh: Der effiziente Einsatz von Energie und Ressourcen spart nach wie vor wichtige Kosten ein und trägt konkret zum Klimaschutz bei.
Wir sprechen bei den 2,2 % Bruttogesamtkosten immerhin von über 2.1 Mrd. € jährlicher Energiekosten. Wenn ein großes Klinikum ein Jahresbudget von angenommen 500 Mio. € hat, sind 2,2 % davon noch immer 11 Mio. €. Gehen wir von durchaus realistischen 30 % Optimierung aus, können mit dem effizienteren Energieeinsatz jährlich Kosten von über 3 Mio. € eingespart werden. Ich finde, das ist eine solide Summe, mit der beispielsweise die Qualität des Hauses verbessert und Mittel für zusätzliche Personalkosten zur Verfügung stehen würden.
Zahlreiche Krankenhäuser haben mit einer eigenständigen Stromerzeugung ein Stück Unabhängigkeit vom öffentlichen Netz erreicht...
Loh: ...Der Schritt von Kliniken, sich mit dem Einbau von Blockheizkraftwerken (BHKW) unabhängiger von Strom- und Energieversorgern aufzustellen, ist ein guter Weg. Kliniken und auch Reha-, Alten- und Pflegeeinrichtungen sind für den Einsatz von BHKWs in der Regel optimal geeignet, da rund um die Uhr Strom, Wärme und Kälte benötigt werden. Somit lassen sich BHKWs sehr effizient einbinden. Diese Effizienz spart Kosten, schont die Umwelt und generiert Erträge aus dem veredeln von Primär-Energieträgern wie z.B. Gas.
Eine völlige Unabhängigkeit von den Energieversorgern erreichen jedoch die wenigsten Einrichtungen. Für dieses Ziel ist der Aufwand sehr hoch, Versorgungssicherheit und Redundanzen müssen sicher gewährleistet werden. Optimal ist sicher eine Abdeckung der Grundlasten und die Einführung eines Energiemanagementsystems.
Wie sieht es mit der Effizienz der eingesetzten Energie im Einzelfall aus. Sind die Kliniken trotz sinkendem Verbrauch noch Verschwender?
Loh: Ich sehe nicht, dass die Verbräuche in den Kliniken sinken. Was ich höre ist, dass selbst Kliniken, die sehr engagiert daran arbeiten, Energie einzusparen, es gerade so schaffen, den Status quo des Verbrauchs zu halten. Das sind Einrichtungen mit motivierten Beschäftigten, die z.B. nach ISO 50.001, ISO 14.001 oder gar EMAS zertifizieren lassen. Doch leider schaffen es die Themen Energieeffizienz und Ressourcenschonung nicht auf die oberen Plätze der Agenda.
Dabei sollten gerade diese Themen, die in den meisten Kliniken keine richtige Lobby haben, von den Entscheidern aufgegriffen und forciert werden.
Klinergie 2020 der Stiftung viamedica ist vor zehn Jahren gestartet und läuft jetzt gewissermaßen auf der Zielgeraden. Wenn Sie auf die Strecke hinter sich blicken: Was wurde gewollt, was wurde erreicht?
Loh: Unser Vorstandsvorsitzender, der Hygieniker und Umweltpreisträger Prof. Dr. Franz Daschner setzte die Wörter Klinik und Energie in einem Brainstorming zum Projektnamen Klinergie zusammen. Mit dem Jahr 2020 wurde der Projektname um die damaligen Klimaschutzziele der Bundesregierung und der EU ergänzt.
Das vorderste Ziel der Stiftung viamedica und der Kampagne Klinergie 2020 ist es die Themen Energieeffizienz, Klimaschutz und Ressourcenschonung auf die Agenda der Kliniken zu bringen und Impulse für die Umsetzung von Maßnahmen zu geben. Hier haben wir uns nach 10 Jahren zu einer Marke entwickelt, zu einem wichtigen Impulsgeber für den Themenbereich.
Und wo würden Sie sich mehr Erfolge wünschen?
Loh: Ich würde mir wünschen, dass das Thema Nachhaltigkeit ein konkreter Bestandteil des Gesundheitswesens wird. Der Themenbereich sollte gemeinsam, von allen Sektoren der Branche bewegt werden. Es muss erkannt werden, dass Nachhaltigkeit auch wirtschaftlich ist, sich auszahlt, lokal - in den Einrichtungen und global – in den Wertschöpfungsketten. Ich gehe z.B. davon aus, dass die meisten Einwegprodukte erstmal günstig erscheinen, doch für diese kurzfristigen Profite müssen wir schließlich alle gemeinsam bezahlen.
Ich würde mir ein behutsames, aber durchdringendes Umdenken, hin zu einer gelebten Nachhaltigkeit wünschen.
Werden Sie diese Arbeit auch ab 2020 fortsetzen können? Mit welchen Schwerpunkten?
Loh: Das schöne ist, dass eine Stiftung ihren Zielen treu ist! Keine Legislaturperioden, keine Quartale, keine Businesspläne. Sicher werden wir unsere wichtige Arbeit fortführen, wir freuen uns über jeden, der uns bei dieser Arbeit unterstützt. Die Themen werden natürlich die Energieeffizienz bleiben, ein zukünftiger Fokus wird bei der Ressourceneffizienz liegen, wie etwa bei der Entwicklung von Verbrauchsmaterialien in perfekten Stoffkreisläufen oder mit Projekten für einen nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln.
Mit den Jahren wurde der CO2-Ausstoß ein immer wichtiger werdender Faktor, um das Weltklima zu retten. Sind die Kliniken in ausreichender Zahl aufgesprungen?
Loh: Salopp würde ich antworten, dass Kliniken hier ähnlich aktiv sind, wie die Autofahrer. Aber ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass es viele sehr engagierte Kliniken und Einrichtungen gibt, die hier Großes leisten, sich etwa nach ISO 14001 oder nach EMAS zertifizieren lassen. Das Engagement ist oft von wenigen Personen abhängig, die Ihr persönliches Engagement auch auf der Arbeit leben und häufig die Impulsgeber für Maßnahmen in den Kliniken sind.
Welche Stellschrauben bilden die entscheidenden Faktoren für einen energiesparenden Betrieb der Kliniken?
Loh: Hocheffiziente Erzeugung von Wärme und Strom durch BHKWs, die Einführung von Energiemanagementsystemen und die Optimierung von Prozessen, z.B. der optimierte Betrieb von Lüftungsanlagen. Sicher gibt es hier noch viele weitere Möglichkeiten effizienter zu werden.
Welche Rolle übernimmt Klinergie resp. die Viamedica-Stiftungen bei der Verbesserung der Energiebilanzen?
Loh: Die Stiftung viamedica und die Kampagne Klinergie 2020 arbeiten daran, das Thema Energieeffizienz und Nachhaltigkeit zum Thema zu machen. Wir legen den Finger in die Wunde und versuchen Impulse zu geben. Wir sind aber nicht operativ tätig.
Energieeffizienz lässt sich beim Neubau einer Klinik frühzeitig einplanen. Wie sieht es mit energetischen Sanierungen im Bestandsfall aus?
Loh: Mit dieser Frage sprechen Sie das komplexe Thema der Krankenhausfinanzierung an. Hier sollten alle Beteiligten zusammen aktiv werden und über die Landeskrankenhausgesetze diskutieren. Es sind nämlich zwei unterschiedliche Töpfe für den Bau und für den Betrieb von Kliniken. Ich möchte nicht in diese Thematik einsteigen, doch vermute ich, dass hier viele Potenziale für einen nachhaltigen Bau und Betrieb von Kliniken liegen.
Viamedica bietet ein branchenspezifisches Energieeffizienz-Netzwerk an? Mit welchem Erfolg?
Loh: Es geht bei den Netzwerken darum, Synergien zu entdecken und einen Austausch zwischen den Beschäftigten von Einrichtung zu ermöglichen, die Energieeffizienz in ihren Einrichtungen einführen und umsetzen. Es sollen Erfahrungen über Produkte, Materialein und Prozesse ausgetauscht werden. Durch den aktiven Austausch werden Zeit und Mittel gespart. Aktuell bauen wir, mit Unterstützung der Stadt Freiburg, das Klimaschutznetzwerk Freiburger Kliniken auf.
Zur Person
Markus Loh ist seit 2007 Projektleiter der Stiftung viamedica und der Informationskampagne Klinergie 2020 – Energieeffizienz in deutschen Kliniken. Der Diplomgeograf arbeitet im Richtlinienausschuss „Nachhaltigkeit in Bau und Betrieb von Krankenhäusern (VDI 5800)“ des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und ist Mitglied in der Fachvereinigung Krankenhaustechnik. Unter seiner Regie wurden der KlinergieCheck der Stiftung viamedica entwickelt und mehrere Best PracticeBroschüren zum Thema Energieeffizienz in Kliniken produziert.