Aus den Kliniken

Antibiotika bringen Darmmikrobiom aus dem Gleichgewicht

17.09.2020 - Eine Behandlung mit Antibiotika beeinflusst das Mikrobiom im Verdauungssystem nachhaltig. Während sich die Bakterienflora innerhalb von 30 bis 90 Tagen nach Medikamentenbehandlung weitgehend regeneriert, verändert sich deren Wechselspiel mit den Pilzen, die ebenfalls den Darm besiedeln.

In einer Kombination aus bioinformatischen Analysen und Laborexperimenten zeigte ein internationales Forscherteam nun, dass das friedliche Miteinander von Bakterien und Pilzen durch eine Antibiotikabehandlung in eine Konkurrenzsituation wechselt. Dies könnte in der Folge Pilzinfektionen begünstigen.

Die Entdeckung von Antibiotika war ein Meilenstein in der Medizingeschichte; schwere, oftmals tödliche Infektionen schienen für immer besiegt. Heutzutage sind auch negative Effekte des Antibiotikaeinsatzes bekannt: So wirkt er sich nachteilig auf die Zusammensetzung der Darmflora aus. „In unserem Verdauungstrakt herrscht ein empfindliches Gleichgewicht zahlreicher Mikrobenarten, das durch die Gabe von Antibiotika gestört wird. Nicht nur die Bakterien sind betroffen, sondern auch die in unserem Darm vorkommenden Pilze. Die Interaktion zwischen den Bakterien und Pilzen unter dem Einfluss von Antibiotika sind beim Menschen bislang noch nicht untersucht worden“, sagt Gianni Panagiotou, Leiter der Forschungsgruppe Systembiologie und Bioinformatik am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI).

Für seine Studie analysierte das von Panagiotou geleitete Team Stuhlproben von 16 gesunden Probanden. 14 von ihnen erhielten über sechs Tage verschiedene Breitbandantibiotika, zwei weitere Studienteilnehmer bildeten die Kontrollgruppe. Die Freiwilligen gaben ihre Stuhlproben vor, während und nach der Antibiotikaeinnahme ab. „30 Tage nach Behandlungsende hat sich das bakterielle Mikrobiom weitgehend regeneriert. Wir konnten jedoch noch 90 Tage nach der Behandlung Veränderungen bei mehr als einem Drittel der Pilzspezies im Darm nachweisen. Dabei beobachteten wir, dass sich die Pilzgemeinschaften gemeinsam mit denen der Bakterien veränderten“, so Panagiotou. Die Pilze traten zueinander in Konkurrenz und es gelang nicht allen, sich erneut anzusiedeln. Dadurch nahm die Vielfalt der Pilzarten ab. Diese Veränderungen manifestierten sich über den weiteren Studienverlauf. Bei der Verarbeitung der gewonnenen Daten fanden die Forschenden einen weiteren Hinweis auf die große Bedeutung von Interaktionen zwischen Pilzen und Bakterien: So unterdrücken mehrere Stoffwechselprodukte der Bakterien die krankmachenden Fähigkeiten von Pilzen, wie beispielsweise dem Hefepilz Candida albicans.

„Unsere Studie mit ihrer relativ geringen Teilnehmerzahl führte bereits zu wichtigen neuen Erkenntnissen. Sie weist uns auch die Richtung weiterer Untersuchungen. So werden wir die Probandengruppe vergrößern und Antibiotika mit einem engeren Wirkungsspektrum einbeziehen“, sagt Panagiotou, der seinen Teil der Studie im Rahmen des DFG-Sonderforschungsbereiches/Transregio FungiNet durchführte. Mit seiner Forschung trägt er dazu bei, das komplexe Geschehen in mikrobiellen Gemeinschaften besser zu verstehen. Der Jenaer Exzellenzcluster Balance of the Microverse widmet sich solchen Mikrobiomen und möchte ihre Dynamiken erforschen sowie die zugrunde liegenden Prinzipien ihrer Regulation in verschiedenen Lebensräumen identifizieren. Diese Erkenntnisse tragen dazu bei, Lösungsansätze für verschiedene gesellschaftliche Bereiche wie der Medizin oder der Landwirtschaft zu entwickeln.

An der Studie arbeiteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Leibniz-HKI aus Jena, der Technischen Universität Dänemark und der Universität Hongkong mit. Sie analysierten mit bioinformatischen Methoden enorme Datenmengen aus den Gensequenzen aller in den Proben enthaltenen Mikroorganismen. Zudem untersuchten sie im biochemischen Labor die Freisetzung verschiedener bakterieller Stoffwechselprodukte, die das Pilzwachstum beeinflussen. Die Ergebnisse der Studie veröffentlichte das Forscherteam im Fachjournal Microbiome.

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