Personalia

Sarah Hedtrich entwickelt Organmodelle aus menschlichen Zellen

01.09.2021 - Professorin Dr. Sarah Hedtrich erhält eine Johanna Quandt-Professur für Translationale Humane Organmodelle am Berlin Institute of Health in der Charité (BIH).

Die promovierte Pharmazeutin interessiert sich für seltene erbliche sowie entzündliche Haut- und Lungenkrankheiten. Um diese zu erforschen und neue Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln, arbeitet sie an spezifischen humanen Organmodellen. Sarah Hedtrich erhält eine von insgesamt vier neuen Johanna Quandt-Professuren, die von der Stiftung Charité im Rahmen ihrer Privaten Exzellenzinitiative Johanna Quandt in diesem Jahr am BIH eingerichtet und gefördert werden.

Die Johanna Quandt-Professuren waren von der Stiftung Charité und dem BIH bereits zum zweiten Mal international und themenoffen ausgeschrieben worden. Sarah Hedtrich war zuletzt Associate Professor an der University of British Columbia in Vancouver, Kanada. Ihre Arbeit am BIH beginnt sie am ersten September 2021.

Sarah Hedtrich interessiert sich für entzündliche und genetische Krankheiten der Haut und der Lunge, etwa die Fischschuppenkrankheit, eine so genannte seltene Erkrankung, an der insgesamt nur wenige Menschen leiden. „Nichtsdestotrotz ist die Krankheit für jeden einzelnen Betroffenen eine große Beeinträchtigung“, sagt Sarah Hedtrich. „Die Haut verhornt übermäßig und bildet Schuppen, sie baut keine intakte Barriere auf, etwa gegen Krankheitserreger, so dass häufige Infektionen auftreten, insbesondere im Kindesalter. Die Erkrankten fühlen sich entstellt, der Wasserverlust über die Haut ist groß, insbesondere bei Neugeborenen, was zu lebensgefährlichen Situation führen kann.“ Die genetische Ursache für diese kongenitale Ichthyosen ist ein einziger Fehler im Gen für ein Enzym, das die Quervernetzung der obersten Hautzellen ermöglicht. „Eine ursächliche Therapie gibt es bisher nicht, die Betroffenen müssen teure Cremes und Salben kaufen, das kommt zur körperlichen Belastung noch hinzu.“

Gentherapie geplant

Um hier zu helfen, möchte Sarah Hedtrich eine Gentherapie entwickeln, mit der das fehlerhafte Gen durch eine korrekte Kopie ersetzt wird. „Das Gen ist bekannt, die Reparatur kann mit der Crispr-Cas-Genschere vorgenommen werden. Das Problem ist nur: Wie bekommen wir CRISPR-Cas in die kranken Zellen der Haut?“ beschreibt Hedtrich die größte Herausforderung. Systemisch, also ins Blut gespritzt oder als Tablette geschluckt, funktioniert bei Hauterkrankungen nicht. „Es muss topisch erfolgen, also direkt vor Ort. Eine einfache Salbe oder Creme genügt als Trägermaterial aber auch nicht, weil die verhornte Haut der Patientinnen und Patienten schwer durchlässig ist. Hier könnten etwa Jetstream getriggerte Injektoren, die mit Luft arbeiten, helfen“, blickt Sarah Hedtrich in die Zukunft. Doch noch ist es nicht so weit. Zunächst muss das Verfahren in einem Modell erprobt werden, doch auch das ist nicht so leicht.

Vom 3D-Hautmodell zum Organ-on-a-chip

„Die Haut von Nagetieren unterscheidet sich grundlegend von der menschlichen Haut, nicht nur wegen des Fells“, erklärt Sarah Hedtrich. „Wir haben uns daher entschieden, dreidimensionale humane Hautmodelle zu entwickeln, die wir aus den Zellen der Patientinnen und Patienten oder aus Zellen von gesunden Spendern züchten.“ Dieses so genannte Tissue Engineering verwendet die Wissenschaftlerin auch, um Modelle des Bronchialepithels zu entwickeln, um auch für ihr zweites Forschungsgebiet, die Lunge, ein menschliches Modellsystem zur Verfügung zu stellen. „Unser Ziel ist es, ein „Organ on a chip“ bereitzustellen, mit blutgefäßähnlichen Strukturen, in denen mit Pumpen anschließend sogar der Blutdruck nachgestellt werden kann. Denn solche Modelle bilden die Vorgänge im menschlichen Organismus sehr gut ab.“ Sarah Hedtrich ist davon überzeugt, dass das nicht nur für die Erkrankungen der Haut und des Lungenepithels gilt. „Viele Arzneimittelentwicklungen scheitern daran, dass man eben nicht einfach von Ergebnissen, die man an Mäusen oder Ratten gewonnen hat, auf den Menschen schließen kann. Die Nutzung von komplexen Humanmodellen kann dabei helfen, die Translation zu verbessern, und wäre daher nicht nur für den Tierschutz ein großer Gewinn.“ Ihre Professur möchte Sarah Hedtrich denn auch genau hierfür nutzen: Für die Entwicklung translationaler humaner Modelle.

Professor Christopher Baum, Vorsitzender des BIH-Direktoriums und Vorstand des Translationsforschungsbereichs der Charité – Universitätsmedizin Berlin, begrüßt die neue Professorin. „Die Entwicklung von Alternativen zu Tierversuchen nehmen wir am BIH und in der Charité sehr ernst. Wir setzen uns dafür ein, Tierversuche so weit wie möglich zu reduzieren oder zu ersetzen. Sarah Hedtrich wird uns mit ihrer Expertise auf dem Gebiet der menschlichen Organmodelle hierbei eine große Unterstützung sein.“

Translation als Ziel

Ans Berlin Institute of Health ist Sarah Hedtrich gerne gekommen: „Als Pharmazeutin ist der Zugang zu Patientinnen und Patienten nicht so einfach. Das ist ein großer Vorteil am BIH, dass hier Grundlagenforscherinnen mit Medizinern an der Charité eng zusammenarbeiten. So wird die Translation möglich, Ergebnisse aus dem Labor können ans Krankenbett gebracht werden.“ Sie beschreibt damit perfekt das Motto des BIH: „Aus Forschung wird Gesundheit“. Außerdem trifft sie am BIH auf Kolleg*innen, die ihre Expertise ergänzen, etwa auf dem Gebiet der regenerativen Medizin, der Organoide oder der Stammzellen.

Sarah Hedtrich hat in Leipzig Pharmazie studiert und an der Freien Universität Berlin (FU) promoviert. Anschließend verbrachte sie ihre PostDoc-Zeit an der Ludwig-Maximilians-Universität sowie an der Tufts-University in Boston. Von 2013 bis 2015 leitete sie eine Juniorgruppe an der FU, 2015 erhielt sie eine Juniorprofessur am Institut für Pharmazie. Seit 2019 war sie Professorin an der University of British Columbia in Vancouver, Kanada. Sarah Hedtrich ist verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von drei und fünf Jahren.

Über die BIH Johanna Quandt-Professuren

Die Stiftung Charité und das BIH haben gemeinsam die BIH Johanna Quandt-Professuren (W2‐Professuren auf Zeit mit einem echten Tenure Track) ins Leben gerufen. Das neuartige und international ausgeschriebene Professurenformat richtet sich gezielt an Wissenschaftlerinnen, um einen Impuls zur Förderung von Chancengleichheit in den Lebenswissenschaften zu setzen. In diesem Zusammenhang sind die Professuren mit einer verbindlichen Option zur Verstetigung als Lebenszeitprofessur versehen (echter Tenure Track). Außerdem zeichnen sich die Professuren durch eine besondere thematische Offenheit (Open Topic) aus; die Bewerberinnen waren aufgefordert worden, die Ausrichtung ihrer Professuren auch fernab der üblichen biomedizinischen Disziplinen selbst zu gestalten und so innovativ zum translationalen Auftrag des BIH beizutragen. Gemeinsam mit den drei bereits 2017 ausgewählten Johanna Quandt-Professorinnen werden zum Ende dieses Jahres sieben BIH Johanna Quandt-Professuren die Lebenswissenschaften in Berlin bereichern.

Kontakt

Berlin Institute of Health (BIH)

Anna-Louisa-Karsch-Str. 2
10178 Berlin
Deutschland

030 450 543 049

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