Influenza: Kommt jetzt die Super-Grippe?
14.07.2022 - Wenn die Grippewelle, die Australien zurzeit im Griff hat, ein Vorgeschmack auf das ist, was uns in der kalten Jahreszeit erwartet, dann stehen wir vor einer schweren Influenza-Saison.
In Australien ist jetzt Winter. Infektiologen schauen deshalb gerne nach „Down Under“: Welche Virenstämme zirkulieren? Wie verläuft die Grippesaison dort? Wie hoch ist der Krankenstand? Das lässt Rückschlüsse auf das zu, was uns ein halbes Jahr später in Europa erwartet. In diesem Jahr ist das Interesse besonders groß. Denn während der Pandemie sind Influenza-Wellen weitgehend ausgeblieben – eine Folge der Lockdowns. Doch nun müssen sich die Menschen darauf einstellen, dass nicht nur die COVID-19-Fallzahlen hochbleiben, sondern auch das Influenza-Virus zurückkommt.
Und das tut es zumindest in Australien mit Macht. In den Medien ist von „Super Flu“ die Rede, der Super-Grippe, die das Land in Beschlag nimmt. Noch nie wurden in einem Mai mehr Fälle registriert wie 2022, wie es auf der Online-Plattform Vaccines Today heißt: Bis zu 50 Prozent der Angestellten fehlen bei der Arbeit. Seit Beginn der Grippesaison gab es inzwischen rund 150.000 Erkrankungen; vor allem Kinder sind betroffen, die nie mit dem Influenza-Virus in Kontakt gekommen sind. Sie tragen laut Dr. Catherine King von der Universität Sydney die Hauptlast: „Die Zirkulation von Influenza-Viren war in Australien während der COVID-19-Pandemie niedrig. Das bedeutet, dass die natürliche Immunität gegen das Virus sehr gering ausgeprägt ist. Das gilt insbesondere für diejenigen, die zwischen 2020 und 2022 geboren sind.“
Grippewelle: Kommt ein „langer und schwerer Winter“?
Der australische TV-Sender ABC News berichtet, dass die Krankenhauseinweisungen von Kindern stark zunehmen. Neben dem Grippevirus beobachten Experten mit Sorge die Zunahme von RSV-Infektionen. Das RS-Virus verursacht Infektionen im Atemwegstrakt. Sie erfolgen im Säuglingsalter und können zu schweren Verläufen führen. Gegenüber ABC News erklärte der Kinderarzt Dr. Philip Britton, dass eine gleichzeitige Infektion mit dem RS- und dem Influenzavirus dazu führen kann, dass die betroffenen Kinder auf die Intensivstation müssen. Er sagt einen „langen und schweren Winter“ voraus. Prof. Dr. Mathias Pletz, Professor für klinische Infektiologie am Uniklinikum Jena, betont: „Die Influenza bei Kindern hat eine höhere Morbidität und Mortalität als Corona. Eine Impfempfehlung halte ich gerade für Kleinkinder sehr wichtig.“ Noch habe man Zeit, sich auf eine solche Ansteckungswelle vorzubereiten.
Ist Europa auf eine solche „Twindemie“ – das gleichzeitige Zirkulieren zweier Virenfamilien mit hohen Ansteckungsraten – vorbereitet? Ein Blick auf die Impfquoten lässt zweifeln: In Europa erreicht keines der Länder die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen 75 Prozent der über 65-Jährigen, die gegen Grippe geimpft sein sollten. Deutschlands Quote bei den über 60-jährigen dümpelt seit Jahren – sie liegt bei rund 35 Prozent. Australiens Impfquote ist gut doppelt so hoch. Auch hat das Land bei COVID-19 bestmöglich vorgesorgt. Nach Zahlen des Gesundheitsministeriums haben mehr als 95 Prozent der über 16-Jährigen die zweite Impfung erhalten. In Deutschland werden diese Werte nicht erreicht. Laut Impfdashboard sind 76,2 Prozent der Gesamtbevölkerung grundimmunisiert; 61,7 Prozent haben eine oder zwei Auffrischungsimpfungen erhalten (Stand: 11.07.2022).
Die Produktion der Grippeimpfstoffe für die Saison 2022/2023 läuft. Wirkung entfalten können sie aber nur, wenn sie auch verimpft werden. Die gute Nachricht für Deutschland: Es werden neben den Arztpraxen auch immer mehr Apotheken die Grippeschutzimpfungen anbieten – für einen „Impfschutz to go“.