Aus den Kliniken

Sport und Ernährung haben auch im höheren Alter positive Effekte

30.11.2022 - Im Alter trägt der fortschreitende Muskelfunktionsverlust im gesamten Körper wesentlich zu einer verringerten Lebensqualität bei. Gleichzeitig steigen das Erkrankungs- und Sterblichkeitsrisiko bei den Betroffenen sowie die finanzielle Belastung des Gesundheitssystems.

Doch ältere Menschen können diesen Prozessen aktiv entgegenwirken, wie eine neue Studie vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) zeigt. Die Doktorandin Ulrike Haß und ihr Team haben nachgewiesen, dass Sport und gezielte Ernährungsstrategien auch im höheren Lebensalter noch relevant und effektiv sind.

Der Anteil der älteren Bevölkerung steigt in Deutschland kontinuierlich an. Laut Statistischem Bundesamt ist etwa jeder Fünfte mindestens 65 Jahre alt. Der Anteil der über 80-Jährigen liegt bei etwa sieben Prozent. Es ist bekannt, dass die Muskelfunktion mit zunehmendem Alter abnimmt. Ein Faktor, der dazu beiträgt, ist das sogenannte Inflammaging, auf Deutsch Entzündungsaltern. Frühere Studien haben gezeigt, dass chronisch entzündliche Prozesse den Abbau von Proteinen fördern und Wachstumsfaktoren hemmen. Zudem gehen sie mit einer verringerten Muskelkraft und Muskelleistung bei älteren Erwachsenen einher. Der Rückgang der Muskelleistung sorgt wiederum für eine erhöhte Sturzanfälligkeit und schließlich für eine gesteigerte Morbidität und Mortalität.

Acht aktive Wochen

Um diesem Prozess entgegenzuwirken, haben Ulrike Haß und ihr Team untersucht, welchen Einfluss eine protein- und omega-3-reiche Ernährung in Kombination mit regelmäßiger körperlicher Aktivität auf die Muskelleistung und das Inflammaging bei älteren Erwachsenen hat. Vor diesem Hintergrund führten die Wissenschaftler eine 8-wöchige, randomisiert-kontrollierte Interventionsstudie mit gesunden 65- bis 85-Jährigen aus dem Potsdamer Umland durch. Alle Teilnehmenden erhielten ein aufbauendes Trainingsprogramm, das aus einem angeleiteten Vibrationstraining und selbständigen Kraftübungen für zuhause bestand. Darüber hinaus wurden die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip einer von drei Ernährungsinterventionen zugeordnet. Die erste Gruppe erhöhte ihre tägliche Proteinzufuhr (1,2-1,5 g Protein pro kg Körpergewicht) mithilfe eines Molkenproteinpräparates und nahm zusätzlich täglich ein omega-3-reiches Algenöl (2195 mg Omega-3-Fettsäuren) zu sich. Die zweite Gruppe bekam ebenfalls das Molkenproteinpräparat, aber kein Algenöl. Die dritte Gruppe diente als Kontrolle und setzte die gewohnte Ernährung ohne zusätzliche Präparate fort. Alle Probanden führten während des Interventionszeitraums Ernährungsprotokolle und Trainingstagebücher.

Um das Vibrationstraining zu absolvieren, kamen die Teilnehmenden einmal pro Woche ins Studienzentrum. Zusätzlich machten sie zuhause drei Mal pro Woche je 45-minütige Übungen, wie z. B. Kniebeugen, wiederholtes Aufstehen von einem Stuhl und Bauchmuskeltraining. Dabei gab es leichte wöchentliche Steigerungen. Zu Beginn und am Ende der Studie wurden die Muskelfunktionalität und Muskelkraft der Teilnehmenden mithilfe verschiedener Tests, wie z. B. dem traditionellen und sehr alltagsnahen Stuhl-Aufsteh-Test, bewertet. Insgesamt schlossen 32 Frauen und 29 Männer die Studie ab und wurden in die finale Analyse einbezogen.

Männer profitierten stärker

„Wir stellten fest, dass Vibrationstraining und Heimtraining in Kombination mit einer proteinreichen und omega-3-angereicherten Ernährung in unserer Studiengruppe vor allem bei den Männern die Muskelleistung verbesserte und die Inflammationswerte reduzierte“, erklärt Ulrike Haß. Insgesamt sorgte eine proteinreiche Ernährung für eine höhere Beinkraft und verbesserte Zeiten beim Stuhl-Aufsteh-Test. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Sport und Ernährungsstrategien auch im höheren Lebensalter noch relevant, umsetzbar und effektiv sind“, sagt Kristina Norman, Leiterin der Abteilung Ernährung und Gerontologie am DIfE und Betreuerin der jungen Wissenschaftlerin Ulrike Haß.

In zukünftigen Studien wollen die Wissenschaftler die molekularen Veränderungen der Skelettmuskulatur eingehender beleuchten. Darüber hinaus wollen sie untersuchen, ob pflanzliche Proteine eine vergleichbare Wirkung erzielen wie das in dieser Studie verwendete Molkenprotein. Langfristig sollen auch ältere Menschen mit Typ-2-Diabetes anhand des vorliegenden Studienprotokolls untersucht werden.

Für die hier vorgestellte Studie hat Ulrike Haß eine Forschungsförderung in Höhe von 15.000 Euro von der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) erhalten.

Inflammaging: Unter Inflammaging versteht man die altersbedingte Zunahme des chronischen Entzündungszustandes im gesamten Organismus. Dieser Zustand ist durch erhöhte Entzündungsmarker im Blut gekennzeichnet und bringt eine hohe Anfälligkeit für chronische Erkrankungen, Behinderung, Gebrechlichkeit und vorzeitigen Tod mit sich. Zu den Faktoren, die zum Inflammaging beitragen, gehören oxidativer Stress, Veränderungen in der Signalübertragung zwischen Zellen und der Verlust der Teilungsfähigkeit von Zellen (Seneszenz) mit zunehmendem Alter. Inflammaging ist ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Nierenerkrankungen, Typ-2-Diabetes, Krebs, Depressionen und Demenz.

Beispiele für proteinreiche Lebensmittel

- tierisch: Fettarme Milchprodukte (z. B. Magerquark, Harzer Käse), mageres Rindfleisch, Hähnchenbrust, Forelle, Lachs, Eier
- pflanzlich: Sojaprodukte (z. B. Tofu), Mais, Hülsenfrüchte (z. B. Bohnen, Linsen, Kichererbsen), Kürbiskerne, Mandeln, Haferflocken

Beispiele für Lebensmittel reich an Omega-3-Fettsäuren

- Lachs, Hering/Matjes, Leinöl, Rapsöl, Weizenkeimöl, Walnüsse, Erdnüsse, Chiasamen

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).

Kontakt

Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ---

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