Studie: Bundesweite Auswertung stationärer Antibiotikabehandlungen
15.12.2022 - Paracelsus Kliniken Deutschland untersuchen die Behandlung von ambulant erworbenen Harnwegsinfektionen und Sepsen und erlangen wichtige Erkenntnisse, von denen auch andere deutsche Krankenhäuser profitieren werden.
Sie ist weit verbreitet und kann tödlich enden: Eine Sepsis (oft auch Blutvergiftung genannt) kann als lebensbedrohliche Komplikation bei Infektionskrankheiten wie Harnwegsinfekten entstehen. Wichtig ist es darum, schon bei der Aufnahme im Krankenhaus in Verdachtsfällen eine mikrobiologische Diagnostik durchzuführen und Patienten danach durch eine zielgerichtete Gabe von Antibiotika – rechtzeitig, mit dem genau passenden Medikament und in der exakt richtigen Dosierung und Länge – zu behandeln. „Antibiotic Stewardship (ABS)” heißt hier das Schlüsselwort, das alle Bemühungen und Maßnahmen für eine Verbesserung der leitliniengerechten Antibiotikaverordnung zusammenfasst. Bei Harnwegsinfektionen ist eine leitliniengerechte Therapie besonders wichtig, um Resistenzen bei Bakterien zu vermeiden. Die Harnwegsinfektion kommt sowohl ambulant, als auch stationär häufig vor.
600 Fälle ausgewertet
Wie gut sind wir beim ABS wirklich? Das wollten die Paracelsus Kliniken wissen und ließen im Rahmen einer Dissertation die antibiotische Therapie bei relevanten Infektionen an vier Kliniken auf den Prüfstand stellen. Dabei wurden die Sepsis als besonders schwerwiegende Infektion und die Harnwegsinfektion als besonders häufige Infektion ausgewählt. Joachim Biniek, Doktorand und Weiterbildungsassistent am Zentralinstitut für Krankenhaushygiene und Umweltmedizin der Paracelsus Kliniken, wertete rund 600 Fälle aus den Jahren 2019 und 2020, zu zwei Dritteln Harnwegsinfekte und einem Drittel Sepsen, datenschutzgerecht aus. Eines der ersten Ergebnisse: Vor allem bei älteren Menschen ist eine streng an den Leitlinien ausgerichtete und kostensparende DRG-Behandlung nicht immer möglich. Zwei Drittel der Patienten brauchen aus medizinischen Gründen eine abweichende Behandlung, häufig führen Komorbiditäten zu einer besonderen Erkrankungsschwere.
Patienten älter als erwartet
„Wir haben bei unseren Untersuchungen gesehen, dass das Durchschnittsalter unserer Patientinnen und Patienten bei 77,6 Jahren liegt. Das heißt, wir bewegen uns in einem rein geriatrischen Setting mit Patienten, die Vorerkrankungen haben”, so Biniek. Bei 61% der aufgenommenen Patienten wurde deshalb in den untersuchten Paracelsus Kliniken vorsorglich eine mikrobiologische Untersuchung vorgenommen und in 83% der Fälle tatsächlich der Nachweis eines Keims erbracht. „Damit sind wir – ähnlich wie bei multiresistenten Keimen – in unseren Kliniken gut, was das Erkennen von Infektionen angeht”, so Biniek. „Wenn eine Harnwegsinfektion bei einem älteren Patienten so schwerwiegend ist, dass eine stationäre Aufnahme erforderlich wird, dann sollte immer eine mikrobiologische Diagnostik erfolgen.“
Stationär besser aufgehoben
Zweite Hürde: Die Gabe der Antibiotika. Sie erfolgt in den Paracelsus-Kliniken in 63% der Fälle ausschließlich parenteral, also per Infusion oder Injektion – nur 13% der Patienten bekommen Tabletten. „Wir müssten gemäß den Leitlinien eigentlich häufiger zur Tablette greifen, aber mit Sicht auf die Patientengruppe ist das nicht immer möglich”, erklärt Biniek. „Gerade ältere, multimorbide Patienten brauchen eine besondere Überwachung des komplexen Genesungsprozesses im Krankenhaus. Man kann sie nicht einfach mit Tabletten nach Hause schicken. Unter dem Strich lohnt sich aber der Aufenthalt in der Klinik. „Wir haben in den Paracelsus Kliniken bei Sepsis eine Sterblichkeitsrate von 19%“, erklärt Joachim Biniek. „Bundesweit sind es 26,5%. Das heißt, wir retten jedem 13. Patienten das Leben dadurch, dass wir ihn stationär und auf unsere Weise behandeln. Und das sollte es wert sein.”
Optimale Behandlung durch genaue Kenntnis des Patientenklientels
„Wir haben mit dieser umfassenden Auswertung erstmals die Möglichkeit, das Risikoprofil unserer Patienten mit Sepsen und Harnwegsinfektionen genau zu erkennen und das zukünftig bei Diagnostik und Therapie zu berücksichtigen ”, zieht Priv-Doz. Dr. Karolin Graf, Leiterin des Zentralinstituts für Krankenhaushygiene der Paracelsus Kliniken, eine erste Bilanz der Untersuchung. „Unser Ziel ist es, einerseits den medizinischen Anforderungen unserer Patienten an eine hohe Behandlungsqualität gerecht zu werden, andererseits werden uns von Leitlinien und Finanzierungsvorgaben teilweise enge Grenzen gesetzt.” In der Konsequenz der Studienergebnisse müsse es darum gehen, die mikrobiologische Diagnostik zu stärken, die Therapien entsprechend anzupassen und die Leitlinien und DRG-Vorgaben mit der Praxis der Kliniken zu synchronisieren, so die Ärztin. „Eine solch umfassende Studie zu diesen Fragestellungen hat es vorher in den grundversorgenden Krankenhäusern Deutschlands noch nicht gegeben. Mit den Erkenntnissen haben wir zukünftig die Möglichkeit, die Patienten optimal zu behandeln, Resistenzen einzuschränken und Kosten zu sparen. Und davon werden auch andere Krankenhäuser in Deutschland profitieren können, wenn die Studiendaten publiziert sind.”
Die Paracelsus Kliniken haben sich für 2023 vorgenommen, die Ergebnisse der Studie in die Aus- und Weiterbildung ihrer Fachkräfte einfließen zu lassen. In allen Akutstandorten der Klinikgruppe sind derzeit bereits ABS-Teams etabliert, die jetzt auch in einer standortübergreifenden Arbeitsgruppe zusammengeschlossen werden, um Lösungen auf Konzern-Ebene für den optimalen Einsatz von Antibiotika zu finden.