Allergien in Europa
10.03.2023 - Erstmals wurden regionale Unterschiede in Sensibilisierungsprofilen bei Kindern festgestellt.
Im Rahmen einer Studie unter der Leitung der MedUni Wien in Kooperation mit dem Karolinska-Institut in Stockholm und der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften (KL) in Krems wurde mit Hilfe einer neu entwickelten Testmethode erstmals ein umfassender europäischer Allergie-Atlas erstellt. Bei der Bestimmung der molekularen Sensibilisierungsmuster von rund 2.800 Kindern aus Nord-, West-, Mittel- und Südeuropa wurden deutliche regionale, klimabedingte und von Lebens- und Ernährungsgewohnheiten abhängige Unterschiede in der Sensibilisierung gegenüber Allergenen festgestellt. Die Forschungsergebnisse stellen die Grundlage für neue Diagnose- und Therapieverfahren bei Allergien sowie für neue Präventionsstrategien auf europäischer Ebene dar. Die Studie wurde in „Allergy“ publiziert.
In den meisten europäischen Regionen, so die umfassende Analyse, dominiert die Sensibilisierung gegen das Gräserpollenallergen (wissenschaftliche Bezeichnung: Phl p 1) und das Hauptallergen der Katze (Fel d 1), während die Empfindlichkeit gegenüber Hausstaubmilbenallergenen (Der p 1, 2 und 23) je nach Region stark variiert und im Norden am geringsten ist. Sensibilisierungen gegen Erdnussallergene kommen nur in einigen wenigen Regionen vor, während Fruchtallergene (Pru p 3, Act d 1 und 2) in Süd- und Mitteleuropa im Vordergrund stehen. Wespen- und andere Insektenallergene stellen in Nord-, West- und Mitteleuropa die vorherrschenden Allergenmoleküle dar, nicht jedoch in Südeuropa.
Umfassende Testmethode entwickelt
Zu diesen und weiteren Ergebnissen gelangte das Forschungsteam um Rudolf Valenta vom Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung der MedUni Wien in Kooperation mit dem Karolinska-Institut in Stockholm durch die Untersuchung der IgE- Sensibilisierungsmuster bei neun verschiedenen bevölkerungsbasierten Kohorten aus unterschiedlichen geografischen Regionen in Nord-, West-, Zentral- und Südeuropa. IgE (Immunglobuline E) sind Antikörper, deren Vorhandensein im Blut auf eine allergische Sensibilisierung hinweist. Insgesamt umfassten die in der Studie analysierten Kohorten Blutproben von 2.855 Kindern im Alter von 1 bis 16 Jahren, so dass nicht nur die Anzahl und Art, sondern auch die Entwicklung von IgE-Sensibilisierungen von der frühen Kindheit bis zur Adoleszenz erfasst werden konnten. Dazu entwickelte das Forschungsteam eine neue Testmethode (Allergen-Microarray), die 176 Allergenmoleküle abdeckt und sich hinsichtlich Umfang und Sensitivität den bisher verfügbaren diagnostischen Test als überlegen erwies.
„Die Ergebnisse unserer Analyse liefern erstmals einen umfassenden Atlas der molekularen IgE-Sensibilisierungsraten und -muster der Bevölkerung aus verschiedenen Regionen Europas“, betont Studienleiter Rudolf Valenta. Die Unterschiede in der Sensibilisierung gegenüber Allergenen führen die Forscher auf die jeweiligen klimatischen Besonderheiten, Lebens- und Essgewohnheiten der verschiedenen Regionen und das damit verbundene Exposom zurück. Darunter versteht man die Gesamtexposition des menschlichen Körpers gegenüber einzelnen Allergenmolekülen. Wie die Studie u. a. zeigte, wiesen Kinder, die in heißen und trockenen Regionen eines Landes aufwuchsen, weniger als halb so häufig IgE-Sensibilisierungen auf als Kinder aus Gebieten mit moderatem Klima. „Das Verständnis der Sensibilisierungsmuster in den verschiedenen Regionen ist wichtig für eine genaue Diagnose von Allergien und bildet die Grundlage für neue Behandlungs- und Präventionsstrategien in ganz Europa“, sagt Valenta. Dabei ist in erster Linie an präzisionsmedizinische Ansätze zu denken, also an allergen-spezifische Immuntherapie sowie an Diät- und Allergenvermeidungsmaßnahmen, die an die molekularen Sensibilisierungsmuster angepasst werden können.