Universitätsklinikum Augsburg: Prof. Heller hat Verdienstmedaille "Für Augsburg" erhalten
„Wir mussten immer einen Tag schneller sein als das Virus“
Für sein Engagement als Ärztlicher Leiter der Führungsgruppe Katastrophenschutz (FüGK) sowie Ärztlicher Leiter Krankenhauskoordinierung während der Corona-Pandemie erhielt Prof. Dr. Axel R. Heller, Direktor der Klinik für Anästhesie und Operative Intensivmedizin und Inhaber des gleichnamigen Lehrstuhls, am 26. April die Verdienstmedaille „Für Augsburg“.
Das hatte der Ältestenrat der Stadt Augsburg beschlossen. Im Ältestenrat sitzen die Oberbürgermeisterin, die 2. Bürgermeisterin, der 3. Bürgermeister sowie je ein Vertreter bzw. eine Vertreterin jeder Stadtratsfraktion. Mitgeteilt wurde die Entscheidung Prof. Heller in einem Schreiben der Oberbürgermeisterin Eva Weber. Heller freue sich sehr über die Ehrung, sagte er. Und sie mache ihn auch ein wenig stolz, „denn das war schon eine sehr besondere Zeit. Wir alle mussten uns die Extra-Zeit dafür irgendwie aus den Rippen schneiden und Schneisen im Kalender schlagen.“ Wenn er sich an die Pandemie-Monate zurückerinnere, sagt Heller, „dann vor allem daran, wie gut die Zusammenarbeit mit Prof. Beyer, Prof. Messmann, Dr. Römmele und den umliegenden Krankenhäusern funktioniert hat.“ In anderen Bundesländern hätten die Ärztlichen Leiter der FüGK nicht selten mit Sanktionen drohen müssen, weil elektive Operationen weiter durchgeführt oder Patienten nicht mehr aufgenommen wurden. „Das war in Augsburg zu keinem Zeitpunkt notwendig.“ Die Auszeichnung mit Übergabe einer Urkunde, einer Medaille und einer Anstecknadel erfolgte im Goldenen Saal des Rathauses.
Im März 2020 war er mit einem Team aus Medizinern und Wissenschaftlern zum Ärztlichen Leiter der FüGK ernannt worden, das den bis dahin agierenden Krisenstab vor Ort personell verstärkte. Zu Hellers vordergründigen Aufgaben zählte die Ausarbeitung eines Konzeptes, das die Versorgung von Corona- und anderen stationären Patienten im nordschwäbischen Raum sicherstellt. Konkret gehörten die Stadt und Region Augsburg sowie die Landkreise Donau-Ries und Dillingen zu dem Gebiet, in dem Heller und sein Team die Patientenströme zu koordinieren hatten. „Die besondere Herausforderung lag darin, dass bei uns im Haus 50% der kompletten Belegung Notfälle sind. Und die sind ja immer da, zu jedem Zeitpunkt. Hinzu kommen der Mangel an Pflegekräften, der besonders auf den Intensivstationen schmerzt, da wir auch dort teilweise Betten gar nicht betreiben können.“ In den ersten vier Wellen, erinnert sich Heller, habe man insgesamt 460 Intensivverlagerungen gehabt, also intensivpflichtige Patienten, die man aufwändig in andere Häuser verlegen musste. „Es gab Kliniken, die damals kein einziges Corona-Bett mehr hatten. Ja, ich hatte damals viele unruhige Nächte.“
Die andere Seite der Medaille sei gewesen, dass man es ja mit einem Feind zu tun hatte, dessen Identität noch nicht lückenlos geklärt gewesen sei. „Über das Corona-Virus war anfangs noch nicht viel bekannt, und trotzdem mussten wir immer einen Tag schneller sein als das Virus.“ Die FüGK habe aber dennoch ein Gefühl dafür entwickeln können, wie gut die Vorhersagen beispielsweise des DIVI-Intensivregisters waren. Das Register erfasst seit April 2020 die freien und belegten Bettenkapazitäten der Intensivmedizin aller rund 1.300 Akutkrankenhäuser in Deutschland. Während der Corona-Pandemie wurden auch die Covid-19-Patienten zahlenmäßig erfasst. Nachdem Augsburg zu Beginn der Pandemie ein weißer Fleck auf der Covid-19-Landkarte war, schossen die Inzidenzwerte in der zweiten, dritten und vierten Welle umso heftiger nach oben. „Und die Medien fragten plötzlich alle an, ob wir bald triagieren müssen“, erinnert sich Heller. „Eine ex-post-Triage hat bei uns nicht stattgefunden.“ Allerdings müsse man hier sorgfältig unterscheiden. Werde ein unheilbar kranker Patient intensivmedizinisch behandelt, dessen Indikation keine Besserung mehr verspricht, sei es unverantwortlich, diesen nicht palliativ zu versorgen. Gleichzeitig gehe es um die Option, einem neu eingewiesenen Patienten mit besseren Chancen die Intensivkapazitäten zur Verfügung zu stellen. Heller sieht sich und seine Berufskollegen durch die Gesetzesnovelle hinsichtlich der Triage-Regelungen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach „kriminalisiert und allein gelassen. Es ist eine urärztliche Aufgabe zu entscheiden, bei wem der Aufschub eines Eingriffes am schädlichsten wäre.“ Die drohende Regelung verkenne völlig die Realität einer Notaufnahme, in der schlichtweg nicht die Möglichkeit bestehe, keine Entscheidung zu treffen und neu ankommende Patienten nicht aufzunehmen.
Heller, der mit dem Hochwasser in Dresden vor 20 Jahren schon Erfahrungen im Katastrophenschutz sammeln konnte, ist sicher, dass man künftig auf die Erfahrungen der Corona-Pandemie aufbauen kann. Seine Büroschränke sind zum Teil gefüllt mit Ordnern voller Einsatztagebücher, Koordinierungspläne und Triageprotokolle. „Ende 2020 kam es ja tatsächlich zum Schwur, und wir erstellten ein Triageprotokoll mit dem Titel Zeitpunkt zur Aktivierung des Triagekonzeptes für die Uniklinik, damals noch im Auftrag des Ärztlichen Direktors, Prof. Beyer.“ Zum Glück habe man es nicht anwenden müssen.
Für die Region sieht Heller dringend Verbesserungsbedarf, was die Ausstattung mit Intensivbetten betrifft. „Wo anderen Regionen bis zu 29 Intensivbetten auf 100.000 Einwohner zur Verfügung stünden, seien es in Schwaben gerade mal zwischen 13 und 17. Da sind wir aufgestellt wie Rumänien. Das habe ich auch an den Bayerischen Ministerpräsidenten geschrieben“, sagt Heller. Schwaben habe zwar viele kleine Kliniken. „Was fehlt, sind Schwerpunktversorger.“