Deutsch-französische Zusammenarbeit als Innovationsmotor
09.05.2023 - Der Motor läuft, er braucht regelmäßig Öl, damit er schnurrt wie ein Kätzchen. So lässt sich die deutsch-französische Zusammenarbeit beschreiben, wenn es um Innovationen im Gesundheitswesen geht.
Nicole Marschall, Düsseldorf
Die Deutschen seien eher technikorientiert, für die Franzosen stehe dagegen mehr der Patient im Vordergrund, so Evelyne Freitag, Aufsichtsrätin der deutsch-französischen Arbeitsgruppe „Expertenrat im Gesundheitswesen“ des French Foreign Trade Advisors (CCEF) bei einer Podiumsdiskussion im Industrie Club Düsseldorf. Unter der Fragestellung „Das deutsch-französische Tandem: Bremse oder Motor für Innovationen im Gesundheitswesen in Europa?“ hatte der Expertenrat gemeinsam mit der Wirtschaftsförderungsagentur Business France Entscheidungsträger aus Krankenhäusern und Krankenkassen, Wissenschaftler sowie Vertreter aus Pharmaindustrie, Medizin- und Biotechnik Ende April zum grenzüberschreitenden Austausch geladen. Ziel: die Stärkung deutsch-französischer Kooperationen bei der Entwicklung von Innovationen in der europäischen Patientenversorgung.
Business France unterstützt französische Unternehmen, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen. Im vorigen Jahr konnten rund 3.300 Unternehmen bei ihren Expansionen ins jeweilige Nachbarland begleitet werden, darunter auch zahlreiche aus dem Healthcare-Bereich. Acht Unternehmen wurden in diesem Jahr von einer Jury aus erfahrenen Experten ausgewählt, um an den French Healthcare Booster Germany teilzunehmen. Themen wie demografischer Wandel, gesundes Altern und Prävention, aber auch Fachkräftemangel, Marktregulierungen sowie geopolitische, ökologische und pandemische Krisen stellen Akteure dies- und jenseits des Rheins vor die Herausforderung, ihnen mit innovativen Lösungen zu begegnen.
In der Podiumsdiskussion erörterten die Teilnehmer konkrete Innovationspotenziale und -bedarfe in den Bereichen Prävention und Pflege. Eine wichtige Entwicklung sah Mehdi Hireche, Geschäftsführer von Air Liquide, in der persönlicheren Gestaltung der Pflege und Versorgung. Am Beispiel von Diabetes zeigte er auf, dass Patienten heute zuhause betreut werden wollen statt im Krankenhaus. Das persönliche Gespräch mit dem Hausarzt werde dabei genauso wichtig bleiben wie Gesundheits-Apps und andere digitale Lösungen, so Hireche.
Dr. Karsten Dietrich, Vorstandsmitglied des AXA Konzerns, machte aus Sicht der Krankenkassen deutlich, dass Innovationen in der Prävention zentrale Ansatzpunkte sein müssen, um die Finanzierbarkeit unseres Gesundheitssystems dauerhaft zu gewährleisten. „Telemedizin, Online-Arzt und digitale Versorgung wurden durch die Pandemie gepusht“, so Dietrich, „doch die Nutzungszahlen sind noch nicht dort, wo wir sie erwartet hatten.“ Im Hinblick auf die gemeinsame Datennutzung und Entwicklung digitaler Services sieht er das deutsch-französische Tandem noch „als Motor, der im dritten von acht Gängen läuft“. Da sei noch deutlich Luft nach oben.
Denn gerade wenn es um Daten geht, wird es schwierig – wie nicht zuletzt die langwierige Einführung der digitalen Patientenakte in Deutschland zeigt. Hier liege es letztlich an Politik und Kassen, den Patienten den Nutzen und Mehrwert der digitalen Patientenakte aufzuzeigen, meint Jeremias Pappert von der Barmer. In Frankreich scheint das zu funktionieren. Dort ist die digitale Akte seit 2022 im Einsatz. In Frankreich funktioniere es generell „einen Tick besser“, Digitalstrategie und die Bedürfnisse der Patienten zu vernetzen, so die Erfahrung von Boris Goncharov. Als Vizepräsident Sales & Partnership bei Doctolib, Europas größtem e-Health-Anbieter, ist er selbst Teil eines Unternehmens, bei dem das deutsch-französische Tandem „funktioniert“ habe.
Fazit: Ganz klar sahen alle Podiumsgäste das deutsch-französische Tandem als Motor für Innovationen im Gesundheitswesen an. Ohne diese Zusammenarbeit, so Jeremias Pappert, „werden Innovation in Europa nicht gelingen – auch finanziell.“
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