Medizin & Technik

Herzbericht: Sterbefälle wegen Koronarer Herzkrankheit und Herzschwäche leicht rückläufig

22.09.2023 - Welche Auswirkung hatte die Covid-Pandemie auf Krankenhausaufnahmen sowie auf herzmedizinische Diagnostik und Therapien? Die Deutsche Herzstiftung mahnt die Verfügbarkeit von stationärer Versorgung in Krisenzeiten an.

Durchblutungsstörungen durch Herzkranzgefäßverengungen, die sogenannte Koronare Herzkrankheit (KHK), sind nach wie vor die häufigste Todesursache in Deutschland. Nach den Zahlen des aktuellen Deutschen Herzberichts 2022 starben im Jahr 2021 insgesamt 121.172 Menschen an den Folgen der KHK (davon 45.181 am akuten Herzinfarkt). Die Sterberate lag damit bei 129,7 an KHK Gestorbenen pro 100.000 Einwohner (EW) (Herzinfarkt: 48,1 pro 100.000 EW). „Damit ist die KHK-Sterblichkeit gegenüber dem Vorjahr leicht gesunken. Dieser Trend setzt sich, ähnlich wie bei der Herzinsuffizienz, seit 2011 fort“, berichtet Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, bei der Vorstellung des neuen Herzberichts 2022. Dieser kann unter https://herzstiftung.de/herzbericht kostenfrei als PDF, E-Paper oder Printexemplar angefordert werden.

Dieser Trend entsteht, vom Rückgang der Zahl der Raucher einmal abgesehen, insbesondere durch „Verbesserungen der präventiven, rehabilitativen und therapeutischen Maßnahmen“, erklären die Autoren im Herzbericht. Dazu zählen u.a. interventionelle Verfahren wie die Stent-Therapie bei akutem Herzinfarkt (Notfall-PCI), verbesserte Medikamente und Abläufe in der Rettungskette und ebenso eine bessere Kenntnis der Risikofaktoren für KHK und Herzinfarkt.

Trotz Besserung: Sterblichkeit durch KHK und Herzschwäche „weiterhin hoch“

„Auch bei der Sterblichkeitsrate der Herzinsuffizienz, deren Hauptursachen die KHK und der Herzinfarkt sind, sind vor allem die lebensverlängernden Effekte von Therapien bedeutsam für den kontinuierlichen Rückgang dieser schwerwiegenden Herzerkrankung seit 2011“, erklärt Prof. Voigtländer. Bei den medikamentösen Therapien sind hierbei insbesondere die Cholesterin-Senkung und die Diabetesbehandlung zu nennen, bei den Schrittmacher-Therapien die kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) und implantierbare Kardioverter/Defibrillatoren (ICD) zur Verhütung des plötzlichen Herztods. Im Berichtsjahr 2021 starben dennoch 35.131 Menschen an Herzinsuffizienz (2020: 34.855). 2011 lag die Zahl der Gestorbenen allerdings noch bei 45.428 bei einer Sterberate von 60,7 pro 100.000 EW. Dies konnte im Jahr 2021 auf 35,8 gesenkt werden. „Insgesamt ist die Sterblichkeit der beiden Erkrankungen KHK und Herzschwäche leider weiterhin hoch“, gibt Voigtländer zu bedenken. Schließlich stellten beide Herzkrankheiten die Haupttodesursachen für den plötzlichen Herztod mit jährlich über 65.000 Todesfällen in Deutschland. „Angesichts des hohen Leistungsniveaus in der Herzmedizin zeigt das, dass wir weitere Hebel in der Prävention aktivieren müssen. Diese sollten bereits im Kindesalter ansetzen, zum Beispiel institutionalisiert in Kita und Schulen oder in Form von frühen Screenings für kardiovaskuläre Risikokrankheiten von Herzinfarkt und Schlaganfall“, betont der Kardiologe Prof. Voigtländer, Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien-Krankenhauses in Frankfurt am Main.

Sterblichkeit von Rhythmusstörungen und Klappenerkrankungen: Plateau erreicht?

Im Unterschied zu KHK und Herzinsuffizienz steigt die Sterblichkeit durch Herzrhythmusstörungen und Herzklappenerkrankungen seit 2011 tendenziell an. Allerdings sieht der Herzstiftungs-Vorsitzende mit dem Beginn der Covid-19-Pandemie „ein Plateau erreicht“. So stieg die Zahl der Todesfälle durch Rhythmusstörungen nur noch relativ gering von 27.369 (2020) auf 28.219 im Jahr 2021 (Sterberate 2020: 28,1 pro 100.000 EW; 2021: 28,5). An Herzklappenerkrankungen starben 19.872 Menschen im Jahr 2020 verglichen mit 20.453 im Jahr 2021 (Sterberate 2020: 20,2; 2021: 20,5). Als mögliche Gründe für das Erreichen dieses Plateaus führt der Herzspezialist insbesondere verbesserte Therapien der Aortenklappenstenose an – sowohl chirurgisch als auch mit Hilfe katheterbasierter Verfahren wie TAVI (Transkatheter-Aortenklappenimplantation) an. Bei den Rhythmusstörungen sei das mit Hilfe der Vorhofflimmer-Ablation (katheterbasiert/chirurgisch) und Schrittmachertherapien erreicht worden. (Sowohl die Aortenklappenstenose als auch Vorhofflimmern erhöhen bei Nicht-Behandlung die Gefahr für Herzinsuffizienz und Komplikationen wie Schlaganfall im Fall des Vorhofflimmerns.)

Allerdings könnte die Covid-19-Pandemie als neu hinzugekommene Todesursache (seit 2020) einen Einfluss auf die Sterblichkeitsangaben für das Jahr 2021 insgesamt haben, denn insbesondere ältere Personen starben an Covid-19. „Alle Personen mit dieser Todesursache hätten, wären sie im Jahr vorher verstorben, eine andere Todesursache gehabt – und viele dieser Personen hätten vermutlich eine kardiovaskuläre Todesursache“, so die Einordnung durch die Autoren im neuen Herzbericht.

Rückgang von Klinikeinweisungen: Kliniken wegen Covid-Pandemie gemieden?

Nahezu alle Herzkrankheiten weisen in den Krankenhausaufnahmen (vollstationäre Hospitalisationsrate) im Jahr 2021 eine deutliche Abnahme gegenüber 2019 auf. Bei der KHK sank die Zahl der Krankenhausaufnahmen um 14,6 %, bei Herzklappenkrankheiten um 8,5 %, bei Herzrhythmusstörungen um 10,4 %, bei Herzschwäche um 12,8 % und bei den angeborenen Fehlbildungen um 9,0 %. „Ein Auslöser für diese Abnahme stationärer Krankenhausaufnahmen dürfte die wegen der Pandemie häufiger gemiedene Hospitalisierung gewesen sein“, erklärt Voigtländer. „Denn es stellt sich wie bereits im Jahr 2020 erneut die Frage, in welchem Maß Patienten aus Sorge vor einer SARS-CoV-2-Infektion auf eine Klinikaufnahme verzichtet und dadurch eine Verschlechterung ihrer Herzerkrankung riskiert haben.“

„Stark unter Druck“: Patientenversorgung in Zeiten von Pandemie und Krisen

Kritsch bewertet die Deutsche Herzstiftung, dass auch im Jahr 2021 Kliniken aufgrund der Pandemie ihre Aufnahmen zeitweise auf Notfälle beschränken mussten, um Kapazitäten für Intensivpatienten freizuhalten. So wurden auch 2021 sogenannte „elektive“, d. h. planbare operative Eingriffe, weniger häufig durchgeführt (Daten des IQTIG*): Am markantesten war das von 2018 zu 2021 der Fall bei chirurgischen Eingriffen wie dem isolierten Aortenklappenersatz (-27,1 %) und der Bypassoperation (-26,2 %). Zu deutlich weniger Eingriffen gegenüber 2018 kam es auch bei katheterbasierten (interventionellen) Eingriffen wie der Koronarangiographie (-4,3 %), bei Kathetereingriffen wie PCI (Herzgefäßaufdehnung durch Stent/Ballon) (-3,3 %) oder Schrittmacher-/ICD-Eingriffe (-4,4 %/-11,6 %). „Zwar verfügt Deutschland über medizinische Versorgungsstrukturen, die auch während der Pandemie funktionierten. Aber das Herunterfahren von Diagnostik und Therapie in der Pandemie setzte die Versorgung in Kliniken und Ambulanzen stark unter Druck – auch die herzmedizinische“, betont der Herzstiftungs-Vorsitzende Prof. Voigtländer. „Wie sich diese reduzierte Versorgung bundesweit auf die Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswirken wird, bleibt abzuwarten und bedarf wissenschaftlicher Analysen.“ Pandemie-Lockdowns und die medizinische Versorgung einschränkende Maßnahmen dürften jedenfalls „nicht dazu führen, dass Patienten mit Herzbeschwerden sich bei der Inanspruchnahme medizinischer Versorgung in den Kliniken zurückhalten“, so der Kardiologe. Denn auf das Gesundheitswesen kämen längst weitere Herausforderungen bei der Versorgung von Herz-Kreislauf-Patienten hinzu: eine Bevölkerung mit einem zunehmenden Anteil an über 65- und über 80-Jährigen, Extremwetterlagen mit Hitzewellen oder etwa der Fachkräftemangel im Krankenhauswesen. „Es muss der Politik gelingen, besonders den vulnerablen Gruppen wie Kindern und schwer herzkranken Menschen auch in Krisenzeiten weiterhin Zugang zur stationären Behandlung zu gewährleisten.“

Ländervergleich: Höhere Herzinfarktsterblichkeit in ostdeutschen Bundesländern

Regionale Unterschiede in der Sterblichkeit und bei den Krankenhausaufnahmen wegen Herzkrankheiten bestehen fort, wie der Deutsche Herzbericht 2022 erneut dokumentiert. Die höchste Sterbeziffer (altersstandardisiert) eines Bundeslandes kann bei Herzinsuffizienz, KHK oder Herzrhythmusstörungen nahezu doppelt so hoch sein wie die niedrigste Sterbeziffer eines anderen Landes. Ein Blick auf die Todesrate durch KHK und akuten Herzinfarkt zeigt, dass östliche Bundesländer weiterhin die höchste Sterblichkeit aufweisen. So hat Sachsen-Anhalt wie im Vorjahr auch 2021 die höchste Sterbeziffer mit 179 an KHK Gestorbenen pro 100.000 EW (Herzinfarkt: 65 Gestorbene), gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern mit 175 an KHK Gestorbenen (Herzinfarkt: 68 Gestorbene) und Sachsen mit 163 KHK-Verstorbenen pro 100.000 EW (Herzinfarkt: 61 Gestorbene). In den ostdeutschen Bundesländern einschließlich Berlin ist die Infarktsterblichkeit im Vergleich zu den restlichen Bundesländern damit höher. Am niedrigsten ist die KHK-Sterblichkeit in Hamburg (KHK: 98; Herzinfarkt: 37 Gestorbene pro 100.000 EW), Schleswig-Holstein (KHK: 106; Herzinfarkt: 29) und Baden-Württemberg (KHK: 118; Herzinfarkt: 48). Für diese Unterschiede kommen nach Einschätzung der Herzberichts-Autoren insbesondere ein Einfluss sozioökonomischer Faktoren als Erklärung in Betracht sowie ein unterschiedliches Risikoprofil der Bevölkerung, möglicherweise aufgrund des höheren Anteils an über 65-Jährigen, die ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen aufweisen.

Auffällig ist, dass auch 2021 die geringste Versorgungsdichte mit zugelassenen Kardiologen (vertragsärztliche Versorgung) in den östlichen Bundesländern Thüringen mit 34.572 EW pro Kardiologe, Mecklenburg-Vorpommern mit 31.591 EW und Sachsen-Anhalt mit 26.781 EW pro Kardiologe liegt. „Inwiefern dieses Versorgungsgefälle ein Indikator für Lücken in der ambulanten kardiologischen Versorgung ist und dies mit Ursache für eine höhere Morbidität und Sterblichkeit sein könnte, ist zwar spekulativ, sollte aber aufgearbeitet werden“, erklärt Voigtländer. Die höchste Kardiologen-Versorgungsdichte lag 2021 in Bremen mit 15.732 Einwohnern (EW) pro Kardiologe, im Saarland mit 15.844 EW, in Hamburg mit 21.557 EW und in Rheinland-Pfalz mit 22.318 EW pro Kardiologe.

Krankenhausaufnahmen: Wo leben die meisten KHK- und Herzinfarktpatienten?

Ganz anders sind die Unterschiede bei den Krankenhausaufnahmen (vollstationäre altersstandardisierte Hospitalisationsrate): Sachsen weist hier die niedrigsten Hospitalisationsraten bei KHK mit 410 und bei Herzinfarkt mit 170 vollstationären Aufnahmen pro 100.000 EW auf, während die höchste Rate für KHK in Berlin mit 752 und für Herzinfarkt in Bremen mit 275 vollstationären Aufnahmen pro 100.00 EW festzustellen ist. Für eine Interpretation dieser Unterschiede zwischen den Ländern müssten auch soziodemografische und andere Einflussfaktoren wie Beschäftigungsquote, Erwerbs- und Bildungsstand sowie Risikoprofil aufgrund von Raucheranteil, Übergewicht/BMI und Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen einbezogen werden. Die Autoren des Herzberichts geben zu bedenken, dass eine Berücksichtigung dieser Faktoren „mangels valider Daten“ jedoch nicht möglich ist. „Solche Daten müssten von Seiten der Sozial- und Gesundheitsministerien der Länder erhoben werden, um den teils ausgeprägten regionalen Gefällen noch genauer auf den Grund gehen zu können“, fordert der Herzstiftungs-Vorsitzende.

Aktiv in Sachsen-Anhalt und im Rems-Murr-Kreis: Was bewirken Aufklärungsaktionen?

Als weiterhin unverzichtbaren Baustein in der Eindämmung der Herzinfarktsterblichkeit auf Landes- und Kommunalebene unterstützt die Herzstiftung Register zur medizinischen Versorgung im kardiovaskulären Bereich. Zudem werden regelmäßig landesweite Aufklärungskampagnen mit Aktionsbündnissen aus Behörden, Ärztenetzwerken, Krankenkassen und Gesundheitsorganisationen gefördert. Themen, über die sie informieren, sind die Vorsorge, Ursachen und Symptome von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie richtiges Notfallverhalten. Dieses Ziel verfolgt seit Jahren beispielsweise die als „Herzwoche“ angelegte Aufklärungskampagne in Sachsen-Anhalt mit Fokus auf die Prävention von Herzinfarkt und anderen Herzkrankheiten. Mit Erfolg: Sachsen-Anhalt konnte seine Herzinfarkt-Mortalität kontinuierlich senken: von 69,3 Herzinfarkt-Verstorbenen pro 100.000 EW (2018) auf 66,3 (2020) und zuletzt 64,9 (2021) Gestorbene pro 100.000 EW.

Die mit Unterstützung der Deutschen Herzstiftung gestartete Herzinfarkt-Kampagne „Rems-Murr-Kreis gegen den Herzinfarkt“ hat über die Jahre rund 100 Vorträge und Wiederbelebungsschulungen durchgeführt. Mit dem Ergebnis könnte das Aufklärungsprojekt, initiiert von engagierten Kardiologen der Region und Partnern wie DRK, AOK und Rems-Murr-Kliniken, Vorbild für andere Landkreise sein. Denn die Überlebenschancen von Herzinfarktpatienten im Rems-Murr-Kreis erhöhte sich merklich. Und die Zeit, bis sich Betroffene mit Herzinfarkt bei der Rettungsleitstelle meldeten, verkürzte sich. Auch die Quote der Wiederbelebung durch Ersthelfer vor Ort konnte deutlich gesteigert werden. „Solche Aktionen und landesweite Kampagnen ermöglichen Aufklärung über den Herzinfarkt in einem regionalen Bündnis aus Ärztinnen und Ärzten, Rettungsdiensten, Kliniken, Krankenkassen und weiteren Partnern. Sie können Modellcharakter für Projekte in vielen Landkreisen und Städten haben“, betont der Frankfurter Kardiologe Voigtländer.

Kontakt

Deutsche Herzstiftung e.V.

Bockenheimer Landstr. 94-96
60323 Frankfurt
Hessen, Deutschland

+49 69 9551280

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