Hygiene

Antibiotikaresistenz verbreitet sich über die Donau

08.05.2024 - Wissenschaftsteam identifiziert Biofilm im Fluss als mögliches Reservoir für Resistenzen.

Zwei neue, wissenschaftliche Studien zum Verständnis der Verbreitung von Antibiotikaresistenzen (ABR, Resistenz von Bakterien gegen Antibiotika) entlang der Donau lassen mit wichtigen Kernaussagen aufhorchen: Für den Eintrag von antibiotikaresistenten Bakterien aus klinischen Einrichtungen und Abwässern könnten die im Fluss vorhandenen Biofilme bessere Indikatoren sein als das Wasser selbst. Weiters wurde durch ein neues Konzept an Untersuchungen – die Kombination molekulargenetischer Methoden zur Bestimmung der ABR mit moderner Diagnostik für fäkale Verunreinigung und wichtigen Umwelt- und chemischen Parametern – gezeigt, dass die humane fäkale Verschmutzung über den gesamten Flusslauf der Donau die Hauptquelle für ABR ist. Mit dem neuen Konzept können die raumzeitlichen Dynamiken von ABR in Flüssen erfasst, Hotspots identifiziert und die Haupttreiber der ABR bestimmt werden.

Jedes Jahr sterben in Europa Tausende von Menschen an den Folgen einer Infektion mit antibiotikaresistenten Bakterien. Dies sind alarmierende Zahlen, die unter anderem auf die Entwicklung von Resistenzen durch den übermäßigen Einsatz von Antibiotika in der Medizin und Landwirtschaft zurückzuführen sind. Weltweit gilt das „klinische Umfeld“ (z.B. Krankenhäuser) als Haupt-Hotspot für die Verbreitung und Entwicklung von ABR, da hier antibiotikaresistente Bakterien oder deren Gene zwischen Patient*innen ausgetauscht werden. Klinische Abwässer gelangen über Kläranlagen in natürliche aquatische Ökosysteme, wodurch ABR Bakterien in Flüsse und Seen kommen. Dort finden sie sich nicht nur im Wasser selbst, sondern auch in Biofilmen – Gemeinschaften von Mikroorganismen, die an festen Oberflächen im Gewässer wie Steinen, Pflanzen oder Sedimenten haften, eine gemeinsame Schleimschicht (extrazelluläre Matrix) produzieren und so einen stabilen „Film“ bilden.

Resistenzmuster von E. Coli in Proben von Mensch und Fluss

In einer der aktuellen Studien analysierte das Forschungsteam mit Partner*innen des Universitätsklinikums St. Pölten (Prim. Dr. Barbara Ströbele, Dr. Ildiko Pap), Lehr- und Forschungsstandort der KL Krems, und der Medizinischen Universität Graz (Doz. Dr. Gernot Zarfel) die Resistenzmuster des Bakteriums Escherichia coli in menschlichen Isolaten und von Umweltproben aus der Donau (Wasser und Biofilm). Prof. Andreas Farnleitner, Leiter des ICC Water and Health an der KL Krems und der TU Wien, erklärt: „E. coli ist dafür ein sehr gut geeigneter Modellorganismus: Er ist als Haupterreger von Harnwegsinfekten weit verbreitet, besiedelt oft auch undichte Harnkatheter von Klinikpatient*innen, wird in Gewässern als Indikator für ABR verwendet und von der WHO als Anzeiger für Antibiotikaresistenz empfohlen. Insgesamt haben wir 697 Patienten-, 489 Wasser- und 440 Biofilm-Isolate auf ihre Empfindlichkeit gegenüber 20 Antibiotika untersucht und haben so Resistenzmuster erhalten.“ In Summe wiesen die Ergebnisse auf eine eher moderate Resistenzsituation in Österreich hin: Trotz signifikant höherer Resistenzniveaus der humanen Isolate im Vergleich zu den Proben aus dem Fluss wurden nur wenige Resistenzen gegen gängige Reserveantibiotika wie Meropenem und Tigecyclin – Medikamente, die erst zum Einsatz kommen, wenn die Erstlinientherapie wirkungslos ist – gefunden. Obwohl es keine großen Unterschiede in der Resistenz zwischen Wasser- und Biofilmproben gab, wurden im Biofilm doch einige Bakterienisolate gefunden, die gegen bestimmte kritische Antibiotika resistent waren und sogar ESBL-Gene trugen. ESBL steht dabei für „Extended-Spectrum Beta-Lactamase“ und bedeutet, dass diese Bakterien Enzyme produzieren, die gegen viele Beta-Lactam-Antibiotika resistent sind, was die Behandlung von Infektionen erschwert. Somit ist möglicherweise der Biofilm ein besserer Indikator für den Einfluss klinischer Umgebungen auf die ABR in Flüssen als das Wasser selbst.

Umfassendes Verständnis der ABR auf 2.300 km Donaulänge

Für die globale Verbreitung von ABR in der Umwelt sind große Flüsse besonders kritische Ökosysteme, weil sie stark von Abwasserbelastungen betroffen sein können und gleichzeitig Lebensadern darstellen, die verschiedene menschliche Bedürfnisse erfüllen. Ein umfassendes Verständnis für das Vorkommen, die Verbreitung und die Haupttreiber von ABR entlang ganzer Flussläufe fehlte bisher aber weitgehend – ein Umstand, dem sich die Forschenden in der anderen Studie für die Donau annahmen. Dafür wählten sie einen ganzheitlichen Ansatz, indem raumzeitliche Muster und Hotspots antibiotikaresistenter Gene (ARGs) entlang von 2.311 km des schiffbaren Donauflusses untersucht und eine longitudinale und zeitliche Überwachungskampagne kombiniert wurden. Prof. Alexander Kirschner, Forscher an der MedUni Wien, der Karl Landsteiner Privatuniversität Krems sowie stellvertretender Leiter des ICC dazu: „Das so gewonnene umfassende Verständnis bildet die Grundlage für ein gezieltes Management zur Reduzierung der Verbreitung von ABR in Flussgebieten. Wir präsentieren den ersten umfassenden ARG-Datensatz entlang der Donau, der dazu beitragen wird, zukünftige Trends zu bewerten.“ Um das Verständnis für die Verbreitung und Dynamik von ABR zu verbessern, sollten ABR auch in anderen Umweltkompartimenten – wie zum Beispiel in Flussbiofilmen oder Sedimenten – untersucht werden, da diese als langfristige Reservoire dienen könnten.

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