Gesundheitsökonomie

Kooperationen: Verträge oft in rechtlicher Grauzone

08.05.2012 -

Klinikmanagern drohen schwere Folgen, wenn Vereinbarungen auf Zuweisung von Patienten abzielen. Innovative Projekte zeigen Wege für eine erfolgreiche Praxis.

Ob Kliniken oder niedergelassene Ärzte: Alle wollen die starren Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Behandlung überwinden, um die Patienten fach- und sektorenübergreifend besser zu versorgen. In einigen Regionen entwickeln sich Klinikketten bereits zu integrierten Gesundheitsdienstleistern. Bald könnte alles unter einem Dach sein: vom ersten Facharztbesuch über die Operation bis zum anschließendem Reha-Aufenthalt. So lassen sich Synergieeffekte erzielen und Kosten senken.

Auf die Ertragsseite blicken vor allem die Krankenhausmanager. Dabei geraten die niedergelassenen Ärzte in den Fokus: Die Kliniken haben ein Interesse an einer hohen Belegungsrate, die zuweisenden Ärzte wollen ihre Patienten möglichst gut betreut wissen.

Bei aller Begeisterung für neue Kooperationsformen entlang der Wertschöpfungskette dürfen die Krankenhausträger nicht übersehen, dass die Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken im Spannungsfeld vielfältiger rechtlicher Bestimmungen steht. Vielen Klinikmanagern ist nicht bewusst, welche schweren Konsequenzen Vereinbarungen haben, die rechtswidrig auf die Zuweisung von Patienten abzielen und damit gegen § 31 Musterberufsordnung für Ärzte verstoßen: Im Falle von berufsrechtlich unzulässigen Verträgen können auch die Krankenhausträger belangt werden. Es drohen Klagen von Konkurrenten wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht.

Die Verträge sind zivilrechtlich nichtig. Das gesamte Betriebskonzept muss rückabgewickelt werden. Im schlimmsten Falle können Haft oder hohe Geldstrafen wegen Abrechnungsbetrugs oder Untreue nicht ausgeschlossen werden.

Um dies zu vermeiden, gilt grundsätzlich: Allen Zahlungen müssen gleichwertige Leistungen gegenüberstehen. Entscheidend ist nicht, was auf dem Papier steht, sondern wie die vertraglichen Vereinbarungen gelebt werden. So kann eine Klinik in der Regel einem zuweisenden Facharzt einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen, indem es diesen als Konsiliararzt einschaltet. Damit kein Scheingeschäft vorliegt, muss der Arzt dann aber auch entsprechende Leistungen im Krankenhaus erbringen.

Kooperationsvereinbarungen, die sich als Scheinarbeitsverhältnisse zwischen Krankenhausträger und zuweisendem Arzt entpuppen, sind schon aufgrund von Abgabenpflichten wie der Sozialversicherung wenig attraktiv. Hinzu kommen Schwierigkeiten bei der Kündigung dieser Kooperationsverhältnisse oder mögliche Probleme mit dem Betriebsrat oder der Personalvertretung.

Eines der Modelle, die sich als rechtlich problematisch erweisen können, ist der „unechte" Belegarztvertrag: Die Klinik schließt mit einem Vertragsarzt einen Konsiliararztvertrag, auf dessen Grundlage der Arzt nicht nur konsiliarisch beraten, sondern regelmäßig auch operieren soll. Dabei handelt es sich ungeachtet der Bezeichnung durch die Beteiligten häufig nicht um ein Konsiliararzt-, sondern um ein Belegarztverhältnis. Ohne die dafür notwendigen Genehmigungen kann die Zusammenarbeit unzulässig sein, und es können sich Abrechnungsprobleme ergeben.

Ebenso unzulässig kann es sein, wenn ein (echter) Belegarzt systematisch daneben als Konsiliararzt chirurgische Operationen durchführt, die ihm das Krankenhaus bezahlt.

Vorsicht ist angebracht bei den in der Praxis sehr beliebten Kooperationsvereinbarungen, bei denen ein Vertragsarzt für das Klinikum die Nachbehandlung nach Operationen am oder im Krankenhaus übernimmt und dafür eine pauschale Vergütung erhält. So sieht es die Rechtsprechung schon als unzulässig an, wenn ein Krankenhaus nur in Aussicht stellt, dass ein zuweisender Arzt mit poststationären Leistungen betraut wird. Dies muss nicht einmal vertraglich fixiert sein.

Einen Riegel vorgeschoben hat das Bundessozialgericht jüngst der weit verbreiteten Hinzuziehung von Vertragsärzten bei ambulanten Operationen nach § 115b Sozialgesetzbuch (SGB) V. Sie erfolgt häufig auf Grundlage von Honorararztverträgen oder ähnlichen Gestaltungen. Zulässig sind jetzt nur noch Kooperationsformen, bei denen entweder sowohl der Operateur als auch der Anästhesist Ärzte des Krankenhauses sind. Oder der Operateur ist ein am Krankenhaus tätiger Belegarzt und der Anästhesist ein Arzt des Krankenhauses. Sollen Vertragsärzte bei Leistungen nach § 115b SGB tätig werden, müssen diese mindestens in einem sozialversicherungspflichtigen (Teil-) Anstellungsverhältnis zum Krankenhaus stehen. Für Operationsleistungen gilt eine Ausnahme: Diese können auch auf Grundlage eines Belegarztverhältnisses erbracht werden.

Rechtlich zulässig: Faktische ­Vorteile

Angesichts dieses rechtlichen Minenfelds kann es ratsam sein, weniger auf Kooperationsverträge zu setzen, sondern gegenseitige Vorteile durch eine faktische Zusammenarbeit zu erzielen. So können beispielsweise Krankenhäuser und Ärztezentren von der räumlichen Nähe zueinander profitieren, ohne dass dem eine generelle vertragliche Vereinbarung zur Zusammenarbeit zugrunde liegt. Dies betrifft beispielsweise die Zuführung von Patienten zum Krankenhaus, ein gemeinsames Beschaffungswesen von der Reinigung über die Sterilgutversorgung bis zur Sachmittelbeschaffung oder die sonstige gemeinsame Nutzung von Ressourcen.

Auch das Gesundheitszentrum Ostfildern-Ruit bei Stuttgart soll diesen Weg gehen: Das ambulante Operationszentrum ist Teil des bundesweit ersten Projekts im Klinikbereich, das in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP-Projekt) mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von rund 51 Mio. € verwirklicht wurde. Kreiskliniken und ambulantes Operationszentrum sollen beispielsweise profitieren, indem sie Räumlichkeiten gemeinsam nutzen und bei verschiedenen Dienstleistungen zusammenarbeiten.

Doch auch Verträge über die Zusammenarbeit in Servicebereichen haben Tücken: Wer wird etwa zur Verantwortung gezogen, wenn sich ein Patient bei einem Eingriff eines niedergelassenen Arztes in einem Operationssaal infiziert, den das Krankenhaus reinigen lässt? Wichtig ist, die Bereiche der Zusammenarbeit genau zu definieren und vor allem die Leistungspflichten an Schnittstellen klar abzugrenzen. Haftungsregelungen und Versicherung müssen die Arbeitsaufteilung widerspiegeln.

Trotz der rechtlichen Stolpersteine sind Kooperationen das Gebot der Stunde, um sich unter den ständig wandelnden politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu behaupten. Langfristigen Erfolg versprechen nur Vereinbarungen, welche die komplexen sozial- und berufsrechtlichen Rahmenbedingungen widerspiegeln.

 

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