Hygiene

Hygiene in Krankenhausküchen

01.10.2012 -

Klinikpatienten nicht nur zu sättigen, sondern sie gesund zu ernähren, ist eine umfangreiche Aufgabe. Peinlichste Hygiene ist dabei Grundvoraussetzung. Wie kommt eine Großküche diesen Anforderungen nach, wie sieht die Praxis aus? Um das zu erfahren, öffnete das Klinikum Stuttgart seine Pforten.

Von außen ähnelt der Neubau für rund 62 Mio. € aus dem Jahr 2007 in Stuttgarts Mitte einem modernen Bürogebäude: gerade Linien, schnörkellos, große Fensterfronten. Doch dahinter verbirgt sich das Versorgungszentrum des Klinikums Stuttgart - ein Ort logistischer Meisterleistungen. Ulrike Fischer, zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, erläutert, was alles in diesem Gebäudekomplex integriert ist: ein Bildungszentrum mit 720 Ausbildungsplätzen, Fachweiterbildung und Personalentwicklung sowie ein Versorgungszentrum mit moderner Zentralküche, Krankenhausapotheke, Materialwirtschaft und Kindertagesstätte.

Ca. 20 Mio. € Investitionskosten hat allein die Zentralküche verschlungen. Dafür versorgt sie nicht nur die vier städtischen Krankenhäuser Bürgerhospital, Katharinenhospital, Krankenhaus Bad Cannstatt und Olgahospital, die zum Klinikum Stuttgart zusammengeschlossen sind, sondern auch weitere klinische Einrichtungen und das Jugendamt-Kommissionier- und Service-Zentrum für Essen, welches dann Stuttgarter Kindertageseinrichtungen beliefert.

Rund 10.000 Mittagessen werden hier täglich - an fünf Produktionstagen pro Woche zwischen sechs Uhr und 14.30 Uhr - unter Mithilfe von etwa 60 Mitarbeitern zubereitet. Doch: „Kochen tue ich nur noch zuhause", sagt Marc Weber, ausgebildeter Koch und Betriebswirt für Hotellerie und Gastronomie, heute stellvertretender Leiter des Fachbereichs Gastronomie im Klinikum Stuttgart. Das leuchtet ein, denn nach Essen riecht es hier nicht. Wenn aus hygienischen Gründen erlaubt, könnte es zweifellos auch nach Rosen duften.

Allerdings scheint es eine Großküchen-Geheimsprache zu geben: Der „Kipper" ist eine Art Riesenbratpfanne, „TTW" sind die Tablett-Transportwagen. Deren Rolle kommt zur Sprache, als Dr. Angela Krasselt, stellv. Leiterin des Instituts für Krankenhaushygiene des Klinikums Stuttgart, das Hygienemanagement der Zentralküche erläutert.

Kürzel, mit denen alles beginnt

Die Hauptaufgaben des Hygienemanagements sind Risikoanalyse und Gefahrenbetrachtung, Maßnahmen bei kritischen Abweichungen festzulegen sowie fortlaufende Überwachung und vollständige Dokumentation. Für den Umgang mit Lebensmitteln galt zunächst die Lebensmittelhygieneverordnung von 1998, die lediglich Endkontrollen vorsah. Für Unternehmen, die Lebensmittel nicht nur produzieren und verarbeiten, sondern diese auch vertreiben - also nach außen liefern, gilt seit 2006, neben zahlreichen Verordnungen, die EU-Verordnung 852/2004 über Lebensmittelhygiene, die u.a. eine EU-Zulassung für die Zentralküche vorschreibt.

Diese Verordnung verpflichtet die Unternehmen u.a. zu einem HACCP-Konzept (Hazard Analysis and Critical Control Points), oft falsch mit „Gefahrenanalyse und kritische Kontrollpunkte" übersetzt statt mit kritische „Lenkungspunkte", so Dr. Krasselt. Das vorbeugende System weist nämlich den Weg, wo und wie etwas zu steuern ist, um die Sicherheit von Lebensmitteln zu gewährleisten und muss dokumentiert werden. Wichtig für die Zentralküche ist zunächst die Umsetzung der GHP-Leitlinien („Gute Hygienepraxis"). Sie umfassen Maßnahmen zur Vorbeugung wie z.B. Vorgaben der Reinigung und Schulung etc., die allein aber noch kein HACCP-Konzept darstellen.

10 Aktenordner zur Dokumen­tation

Die vielen Punkte von Risikoanalyse und Gefahrenbetrachtung sind beachtlich. Krasselt nimmt es ruhig und gelassen, sie und ihre Mitarbeiter haben ausführliche Aufzeichnungen mit Formblättern und Checklisten erstellt, die allein 10 Aktenordner füllen. Bürokratie sei Dank.

Bei der Risikoanalyse werden mögliche Gefahren aufgelistet, z.B. die Belastung von Produkten mit Rückständen oder Schadstoffen (Antibiotika, Dioxine) oder durch Verunreinigungen (Reinigungsmittel, pathogene Keime, Toxine).

Zur Gefahrenbetrachtung zählen vor allem die Identifizierung der Gefahren wie bedenkliche Rohstoffe und Zutaten (Frischei, Rohmilchkäse), bedenkliche Zubereitungsprozesse, Prozesse wie Wareneingang, Lagerung, Kühlung, Erhitzen, Abkühlung, Transport und Essensausgabe.

Für alle Prozessschritte sind in den Unterlagen die mögliche Art der Lenkung und die zu ergreifenden Maßnahmen bei Abweichungen beschrieben. Organigramme, eine Übersicht über das HACCP-Team mit Namen und Telefonnummern, Notfallpläne sowie Flußdiagramme mit eingehenden Erläuterungen umfassen mehr als zwei Dutzend Dokumente und Anweisungen.

Monatlich werden 20 Lebensmittelproben unangemeldet aus allen Bereichen „querbeet" genommen. Die Lebensmittelüberwachung - in Stuttgart ist das Amt für öffentliche Ordnung zuständig - wird regelmäßig über die Ergebnisse informiert. Zusätzlich ist dieses Amt verpflichtet, die Zentralküche in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren.

Cook & Chill mit Binäreis

Je nach Kochverfahren gibt es aufgrund des Temperaturfaktors unterschiedliche Vor- und Nachteile. Da die Belieferung von vier räumlich auseinanderliegenden Krankenhäusern und des Jugendamtes eine besondere Herausforderung ist, hat man sich in Stuttgart für das Kochverfahren Cook & Chill entschieden. Backwaren, Fleisch, Gemüse, Beilagen und Salat werden ausschließlich von heimischen Lieferanten bezogen, die mindestens einmal jährlich nach bestimmten Checklisten kontrolliert werden.

Die angelieferten Zutaten werden in Kochkesseln mit 200-300 l Fassungsvermögen, in den sog. Kippern und in Konvektomaten zubereitet. Diese Zutaten werden auf 75°C erhitzt und danach in zwei Stunden auf <10°C gekühlt. Die fertigen Speisen werden gekühlt zu den jeweiligen Einrichtungen gebracht. Vor Ort erfolgt die Portionierung und Ausgabe der Speisen.

Hierzu wird z.B. am Klinikum das Tablett-Transportwagen TTW-System verwendet. Über eine Befüllstation werden die speziellen TTW automatisch mit Binäreis befüllt. Die Kühlung hält für 12 Stunden an. Die Wagen sind umgehend einsatzbereit und können im Portionierraum, in dem eine Temperatur von 18°C herrscht, mit den portionierten Tabletts beladen werden.

Die Wagen werden anschließend auf die jeweiligen Stationen gebracht, wo sie an einer Andockstation „parken". Hier erfolgt die Erhitzung der Speisen mittels Induktionsverfahren. Mit Hilfe eines Kontrollpunkts, der über farbige Leuchten verfügt, werden die verschiedenen Phasen wie sachgerechtes Andocken, Störung, Erhitzung und Regenerierungsende angezeigt.

 

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