Hygiene

Infektionsprävention mit Antiseptika und Inzisionsfolien

3M Lunchsymposium beim Berliner Kongress der DGKH im März 2018

12.04.2018 -

Die Infektionsprävention auf zwei unterschiedlichen klinischen Handlungsfeldern stand beim Berliner Kongress der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene auf dem Programm des 3M Lunchsymposiums am 20. März 2018.

Einen Überblick über den Einsatz von Antiseptika zur Prävention von ZVK-Infektionen gab Prof. Dr. Simone Scheithauer, Leiterin der Zentralabteilung Krankenhaushygiene und Infektiologie, Universitätsmedizin Göttingen. PD Dr. Thomas Pauly, Meerbusch, thematisierte die Infektionsreduktion durch Inzisionsfolien im orthopädischen OP.

Gefäßkatheter assoziierte Infektionen sind hoch relevant. Dazu führte Prof. Scheithauer die 2016 veröffentlichte Prävalenzstudie des European Centre for Disease Prevention and Control [1] an. Sie ermittelte für Europa 160.000 Fälle, darunter 25.000 Todesfälle p. a. Auf Deutschland umgerechnet ergäben sich 24.000 Fälle, darunter knapp 4.000 Todesfälle p. a. Um dieses hohe Risiko zu reduzieren, kommen bei der Katheter-Anlage unterschiedliche Antiseptika zum Einsatz: Polividon Jod, Polihexanid, Octenidin, Isopropanol/Ethanol und Chlorhexidin, von denen letzteres die besten Evidenzgrade zeigt. Appliziert werden sie als Lösung auf unterschiedlich große Hautareale und/oder eingebettet in eine Trägermatrix und/oder fixiert an ein Device. Bei der Hautdesinfektion komme es, so die Referentin, gleichermaßen auf rasche Wirkung und auf Remanenz an. Dazu zitierte sie die Studien von Dettenkofer [2] und Mimoz [3], die dazu Chlorhexidin mit Octenidin bzw. Polividon-Jod, jeweils plus Alkohol/Ethanol verglichen und alle Substanzen als wirksam eingestuft haben. Für das ebenfalls untersuchte Scrubbing wurde jedoch kein Erfolg festgestellt. In der aktuellen KRINKO-Empfehlung ist als Hautantiseptikum die Kombination von Alkohol mit Chlorhexidin 2% oder Octenidin 0,1% angegeben, beides in Kategorie IA. Diese Gewichtung würde, so Prof. Scheithauer, demnächst korrigiert: für Chlorhexidin in Kategorie IB und Octenidin in Kategorie II. Zur Frage, ob Ganzkörperwaschungen mit Chlorhexidin die Infektionsrate senken können, legten mehrere Studien nahe, dass hierbei Vorsicht geboten sei, auch mit Blick auf mögliche Kreuzresistenzen. Empfohlen werden sie allenfalls bei extrem hohen Ausgangsraten; ähnlich lautet auch die aktuelle KRINKO-Empfehlung.

Belegt ist dagegen ein signifikanter Effekt in der Anwendung von Chlorhexidin haltigen Pflastern, deren Kosten-Nutzen-Effizienz 2015 auch vom britischen NICE bestätigt wurde. Bei der prospektiven, randomisierten Studie auf zwölf französischen Intensivstationen Studie von Timsit [4] hatte eine Reduzierung der Katheter assoziierten Blutstrominfektionen um 60 Prozent durch diese Verbände ergeben. Entsprechend empfiehlt die KRINKO diese Verbände aktuell insbesondere bei hohen Ausgangsraten und vulnerablen Patienten (Kategorie IA). – Bei allen Zusatzmaßnahmen sei es geboten, so Prof. Scheithauer, diese nicht vorschnell einzuführen. Vielmehr sei es wichtig, vorab die Compliance mit den Basismaßnahmen zu hinterfragen und in der Praxis – nicht auf dem Papier – zu prüfen.

Postoperative Wundinfektionen, verbunden mit weiteren Behandlungen und höherer Mortalität, zählen weiterhin in zu den häufigsten nosokomialen Infektionen. Wie sich das Risiko durch die Anwendung von Institutionsfolien im orthopädischen OP reduzieren lässt, erläuterte PD Dr. Thomas Pauly vor dem Hintergrund seiner langjährigen Tätigkeit als Chefarzt der Klinik für Orthopädische Chirurgie/Rheumatologie am St.-Elisabeth-Hospital Meerbusch-Lank. Dort traten 2015 bei knapp 1500 Fällen vier postoperative Wundinfektionen auf (0,26%) davon eine tief und drei oberflächlich. Doch während sich die Quellen für Keime auf der exogenen Flora (etwa durch Medizinprodukte) vermeiden ließen, sei das mit Blick auf die endogene Flora deutlich schwieriger: „Der Instrumententisch muss steril sein, doch die Haut kann nur desinfiziert werden.“

Eine deutliche Reduzierung der Keimzahl ist jedoch durch die Inzisionsfolie Ioban 2 möglich. Der Referent nannte u.a. In-vitro-Tests mit elf Bakterienstämmen und die Studie von Casey [5] zur antimikrobiellen Aktivität und Eindringtiefe des Jods aus der Folie heraus. Dabei handelt es sich um eine Wasserdampf durchlässige, sterile, selbstklebende Inzisionsfolie, deren Klebstoff Jodophor enthält und freisetzt. Anwendbar sei sie vorrangig bei nicht kontaminierten bzw. sauber-kontaminierten Eingriffen. Eine im Februar 2018 veröffentlichte prospektive, randomisierte Studie von Rezapoor [6] über 101 Fälle habe bei Anwendung der Folie eine Infektionsrate von 12,0% gegenüber Eingriffen ohne Inzisionsfolie (27,4%) ergeben und gefolgert: Bei Hüft-Operationen senkt die Folie den Grad an bakterieller Kontamination signifikant. Dagegen sind nicht imprägnierte Inzisionsfolien zur Infektionsprävention ungeeignet. Sie können das Risiko einer Wundinfektion sogar erhöhen. Diese Erkenntnis ging in die Empfehlungen der britischen NICE und der französischen SF2H ein, während Empfehlungen für Deutschland aus dem RKI weiterhin ausstehen.

Unter der Leitung von Dr. Pauly wurden am St.-Elisabeth-Hospital mehr als 600 Hüft- und Knie-Endoprothesen p. a. durchgeführt. Dabei kamen auch Wärmedecken zum Einsatz, und zur Hautdesinfektion wurde Kodan dreimalig angewendet. Ganz entscheidend sei das Abtrocknen der Flüssigkeit durch Tupfen mit sterilem Vlies, so der Referent: Nur auf trockener Haut hafte die anschließend aufgebrachte Inzisionsfolie zuverlässig. Eingeschränkt oder nicht anwendbar ist die Inzisionsfolie nach Dr. Paulys Erfahrung bei Hautatrophie, bei kontrakter Fußdeformität, an der Ferse im Rahmen von Knie-Endoprothesen und bei Jodallergie. Er schätzt an der Folie vor allem, dass das OP-Gebiet „steril versiegelt“ ist, dass bei den notwendigen Manipulationen – besonders häufig bei Knie-Eingriffen – keine potenziell besiedelten Hautpartikel in die Wunde eindringen können und dass bei einwandfreier Fixierung die Spülflüssigkeit keinen Hautkontakt hat.

[1] Cassini et al. PLoS Med. 2016 Oct 18;13(10):e1002150. doi: 10.1371

[2] Dettenkofer M et al. Clin Microbiol Infect August 2009

[3] Mimoz et al. Lancet 2015; 386: 2069-77

[4] Timsit JF et al. Am J Respir Crit Care Med 2012;186:1272-1278

[5] Casey et al. 2015 J Antimicrob Chemother. doi:10.1093/jac/dkv100

[6] Maryam Rezapoor, MS et al. The Journal of Arthroplasty, February 02, 2018. doi: 10.1016/j.arth.2018.01.013

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