MRE-Netzwerk: Die überregionale Koordinierungsstelle „regio rhein-ahr“
28.02.2013 -
Das überregionale Netzwerk „mre-netz regio rhein-ahr", bestehend aus mehreren Kommunen, tritt dem MRE-Problem entgegen. Zwei ärztliche MRE-Koordinatoren und die wissenschaftliche Expertise des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Uniklinik Bonn helfen beim Aufbau einer Netzwerkstruktur.
Multiresistente Erreger (MRE) nahmen in den vergangenen Jahren drastisch zu und gefährden die Versorgung von Patienten im ambulanten und stationären Bereich. Per Beschluss der 79. Gesundheitsminister-Konferenz aus 2006 sollen flächendeckend Netzwerke etabliert werden, koordiniert durch den öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD). Die Leiter der Gesundheitsämter mehrerer Kommunen im Rheinland - namentlich Rhein-Sieg-Kreis, Oberbergischer Kreis, Rhein-Erft-Kreis, Rheinisch-Bergischer Kreis, Stadt Bonn sowie der Kreis Ahrweiler - stellten gemeinsame Überlegungen an, wie dem politischen Auftrag nachzukommen sei.
Die bisherigen Netzwerke wurden über Fördergelder aus Bundesmitteln oder europäischen Töpfen für eine befristete Zeit finanziert. Bei der Suche nach alternativen Lösungen wurde die innovative Idee geboren, eine gemeinsame MRE-Koordinationsstelle zu finanzieren und zu nutzen. Die nächstliegende Frage war, nach welchem Schlüssel die Aufteilung der Finanzierung auf die Teilnehmer erfolgen sollte. Die Kommunen, bestehend aus Kreisen und kreisfreien Städten, wiesen eine zum Teil sehr unterschiedliche Infrastruktur des Gesundheitswesens auf.
Innovative Zusammenschlüsse
Als Universitätsstadt hat z. B. Bonn eine hohe Dichte von Krankenhäusern inklusive des Universitätsklinikums, die auch die Bürger der umliegenden Kreise in Anspruch nehmen. Daher wurde das erste Finanzierungsmodell nach Anzahl der Krankenhäuser verworfen und stattdessen als Berechnungsgrundlage die Einwohnerzahl zugrunde gelegt - als Surrogatparameter dafür, wie viele Menschen pro Kommune von dem Netzwerk profitieren. Durch den Zusammenschluss der sechs Kommunen mit dem Uniklinikum Bonn konnte am Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit eine MRE-Koordinationsstelle eingerichtet und eine ärztliche Stelle finanziert werden. Die wissenschaftliche Expertise stellt das Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit. Zunächst wurde ein Vertrag für die Dauer von vier Jahren abgeschlossen. Eine Verlängerung ist geplant, muss aber vom Rat der jeweiligen Kommunen genehmigt werden.
Zum 1. September 2010 wurde das Netzwerk „mre-netz regio rhein-ahr" von den Gründungsmitgliedern ins Leben gerufen. Zum 1. Januar 2012 wurde die Stadt Köln Kooperationspartner und eine zweite Arztstelle hierfür eingerichtet. Zum 1. November 2012 wurden schließlich die Stadt Leverkusen und der Kreis Neuwied (Rheinland-Pfalz) Kooptionspartner mit vollständigem Zugang zu allen Informationen, Arbeitskreisen und erarbeiteten Materialien, jedoch mit inhaltlich anders gestaltetem Vertrag, da ein Aufschnüren laufender Verträge nicht sinnvoll schien.
Die inhaltliche Vorgabe, mit welchen Schwerpunkten sich das Netzwerk befasst, wird in den Lenkungsgruppen mit den Leitern der Gesundheitsämter festgelegt. Die Lenkungsgruppe arbeitet demokratisch nach den Bedürfnissen der Kommunen mit dem wissenschaftlichen Background des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Univversität Bonn.
Kontakte aufbauen und vertiefen
Ziel ist eine Koordination und Vereinheitlichung des Vorgehens beim infektionshygienischen Management der MRE bei den verschiedenen Akteuren des Gesundheitswesens in den beteiligten Kreisen/Städten im Netzwerk. Sukzessive werden dabei Kontakte mit den Akteuren im Gesundheitswesen aufgebaut und vertieft. Die Koordinatorinnen sind Ansprechpartner für Bürger und Leistungserbringer des gesamten Netzwerks.
Kommunikation auf allen Ebenen ist nötig, um die Vernetzung und Informationsverbreitung weiter voranzutreiben. So wurde eine Internetseite entwickelt, die sowohl inhaltliche Informationen über MRE liefert als auch über laufende Projekte und Veranstaltungen informiert. Es gibt zudem regelmäßige, zielgruppenspezifische Fortbildungsveranstaltungen zu aktuellen Entwicklungen. So wurde 2012 ein Zertifizierungskurs für niedergelassene Ärzte zur Abrechnung von MRSA in der Praxis angeboten.
Als Anreiz für die Krankenhäuser, ihre Hygienestandards anzugleichen, läuft von 2012 bis 2013 netzwerkweit eine Siegelungsaktion für Akutkrankenhäuser. Die Siegelkriterien sind angeglichen an andere in NRW übliche Siegel, die in Kooperation mit der Euregio Twente Münsterland und Eursafety health-net eingesetzt wurden. Voraussetzung zum Siegelerwerb sind u. a. ein fünftägiges Vollscreening und die Erfassung von Risikofaktoren aller Neuaufnahmen in diesem Zeitraum, um für das Haus ein risikoangepasstes Screeningverfahren - analog zur KRINKO - ergänzt um eigene Risikofaktoren einführen zu können. Zudem werden Anreize geschaffen, Daten aus Surveillance-Systemen, Antibiotika- und Desinfektionsmittelverbrauchsdaten sinnvoll zu bewerten sowie in der Hygiene- und Arzneimittelkommission zu diskutieren und zum sektorübergreifenden Informationsaustausch Überleitungsbögen zu benutzen.
Erwerb des Hygienesiegels
Die Teilnahme am zeitgleichen Siegelerwerb soll zu einer Standardanhebung der beteiligten Häuser führen. Es ist zu hoffen, dass durch diese Maßnahme die nosokomiale MRSA/MRE-Inzidenz der Kliniken im Netzwerk mittelfristig abnehmen wird. Durch die Besonderheit des Finanzierungssystems des Netzwerks über die Kommunen kommen die Krankenhäuser ohne größere finanzielle Belastungen zu der Möglichkeit, ein Hygienesiegel zu erwerben. Teilnehmen können alle interessierten Häuser des Netzwerks. Umfangreiche Schulungen der Auditoren aufseiten der Gesundheitsämter und des Hygienepersonals aufseiten der Krankenhäuser über die Inhalte und Voraussetzungen zum Siegelerwerb führten die Koordinatorinnen durch. Die im Rahmen des Vollsreenings erworbenen MRSA-Isolate werden spa-typisiert, die Daten daraus ausgewertet. Die vorbereitenden Maßnahmen führten zu einer weiteren Vernetzung der Beteiligten.
Im Anschluss an diese Aktion sollen Altenheime näher in den Fokus genommen werden. Das Netzwerk Nordwest führte in Bonn unter Beteiligung von Mitgliedern des „mre-netz regio rhein-ahr" ein Pilotprojekt zur Altenheimsiegelung durch. Angelehnt hieran wird eine Altenheimsiegelung voraussichtlich für 2013/2014 netzwerkweit für interessierte Altenheime geplant.
Weiterhin gibt es erfahrungsgemäß im Bereich der Rettungsdienste der verschiedenen Kommunen sehr unterschiedliche Strukturen und Vorgehensweisen. Darum wurde der Arbeitskreis Rettungsmedizin im Rahmen des Netzwerks mit dem Ziel gegründet, die regionalen Standards zu vereinheitlichen und einen engeren Austausch der Akteure untereinander zu ermöglichen.
Arbeitskreis „Labore" ist geplant
Je nach Bedarfslage und Entwicklung kann flexibel reagiert werden. Angedacht wird ein Arbeitskreis Labore, da es auch auf dieser Ebene erheblichen Bedarf für Austausch und Harmonisierung gibt. Weitere horizontale und multidisziplinäre Vernetzungen verschiedener Akteure sollen folgen. Ein Hauptproblem stellen stets die Schnittstellen verschiedener Einrichtungen und Professionen dar. Im aktuellen Netzwerkgebiet leben über drei Mio. Einwohner, die eine entsprechend hohe Zahl niedergelassener Ärzte versorgt.
Um in diesem Sektor effektiv arbeiten zu können, wird die Einbeziehung von Krankenkassen, kassenärztlichen Vereinigungen und Patientenorganisationen unabdingbar sein. Letztlich sollen im Laufe der Projektzeit alle Bereiche des Gesundheitssystems einbezogen und alle Schnittstellen zwischen den Sektoren verknüpft werden. Aus Sicht der Autoren ist das vorliegende Modell beispielhaft und nachhaltig; Das zeigen die positiven Rückmeldungen aus allen Ebenen.