IT & Kommunikation

Harald Roth im Interview: Professionelles Prozessmanagement

10.07.2012 -

Harald Roth im Interview: Professionelles Prozessmanagement. Damit Leistungserbringer ihre Prozesse optimieren und somit Qualität steigern und Kosten senken können, benötigen sie einen Verantwortlichen, der nicht in Abteilungsgrenzen denkt und unterstützende Systeme beurteilen und durchsetzen kann. Michael Reiter im Gespräch mit Harald Roth, Geschäftsführer des Anbieters Vepro, und Vertretern des Dietrich-Bonhoeffer-Klinikums Neubrandenburg.

Management & Krankenhaus: Herr Roth, warum haben deutsche Krankenhäuser Bedarf an professionellem Prozessmanagement?

Harald Roth: Krankenhäuser werden in einem globalen Wettbewerb nur überleben, wenn sie qualitativ hochwertige Leistungen – und zwar wirtschaftlich – erbringen können. Effizienzsteigerung durch die Optimierung oder Abschaffung von Prozessabläufen im Krankenhaus sind vielfach die einzigen Möglichkeiten, das Unternehmen Krankenhaus profitabel zu führen. IT-Systeme – speziell KIS/RIS/PACS – helfen zwar, die Organisation und Arbeitsabläufe zu automatisieren, sind jedoch meist mit einem professionellen Prozessmanagement überfordert, da sie traditionell eine ganz andere Ausrichtung haben – nämlich schlicht die Administration zu verbessern.

Prozessmanagement und betriebliche Organisation ist eine Kernaufgabe des Krankenhauses und nicht ein Abfallprodukt aus einer IT-Investition. Die Verantwortung in der Analyse, der Optimierung, der Einführung und der Überwachung von Betriebsprozessen ist alleine im Krankenhaus zu sehen. Wir sehen es als eine der zukünftig wichtigsten Aufgaben des Krankenhausmanagements an, sich selbst der Realisierung eines Optimierens bzw. Abschaffens von Prozessen zu stellen. Dort, wo man versucht, diese Aufgabe zu „outsourcen“ und hofft dass ggf. ein IT-Systemlieferant sich innig mit der Optimierung des Krankenhauses befasst, wird man sehr schnell feststellen, dass bestenfalls Kernprozesse rudimentär abgebildet wurden – ein umfassendes Prozessmanagement und Monitoring jedoch nicht möglich ist bzw. stattfindet.

Management & Krankenhaus: Was verzögert oder verhindert bisher die Umsetzung eines Prozessmanagements in der Praxis?

Harald Roth: Prozessmanagement wird leider zu oft als ein Abfallprodukt einer IT-Systemeinführung gesehen und Investition in Technologie allzu häufig als Antwort auf die eigene unzureichende Organisation. Dass ein solcher Technologieeinsatz nicht die Antwort auf die strukturellen Probleme sein kann, beweisen alleine die mehr als 50 % fehlschlagenden IT-Projekte. Dort, wo das Klinikmanagement die Verantwortung zur Reorganisation und zur Prozessoptimierungen z.B. in die Fachabteilungen verschiebt, scheitern solche Vorhaben schon dadurch, dass man nicht Unternehmens- sondern Abteilungsinteressen in den Vordergrund stellt und eine globale Sicht auf die notwendige Prozessoptimierung verhindert wird.

Dieses Inseldenken führt zwar partiell erst mal zu kleinen Verbesserungen, der große Wurf der Effizienzsteigerung ist aber dabei nicht möglich. Das Krankenhaus benötigt einen oder mehrere professionell agierende Prozessmanager, die abteilungsübergreifend Prozesse analysieren, optimieren, einführen und anhand von zu definierenden Kennzahlen kontinuierlich deren Effizienz überwachen. Der Prozessmanager ist auch die Person, die eine wesentliche Mitbestimmung bei der Auswahl der geeigneten unterstützenden Werkzeuge wie IT-Systeme haben wird. Leider hat sich die Erkenntnis der Notwendigkeit einer solchen Stabsstelle bisher nur in wenigen Häusern durchgesetzt.

Management & Krankenhaus: Welche Kompetenzen sollte ein Prozessmanager haben?

Harald Roth: Der BPM (Business Process Manager) ist ein Betriebswirtschaftler mit hohem technischen IT-Verständnis und guter organisatorischer Ausbildung. Er muss – mit einem hohen Auffassungsvermögen ausge stattet – in der Lage sein, selbst komplexe Arbeitsabläufe schnell zu realisieren, diese verständlich zu dokumentieren und den notwendigen Veränderungsbedarf zu erkennen, damit sowohl qualitativ als auch wirtschaftlich eine Optimierung der Prozesse möglich wird. Er ist sozusagen der „Dobermann“ im Unternehmen, dessen Aufgabe es ist, Schwachstellen aufzuspüren und sicher zu stellen dass Betriebsabläufe effizient werden und bleiben.

Auch ist er zentraler Anlaufpunkt für die Umsetzung aller Reorganisationsvorhaben – und er wird insbesondere bei der IT-Systemeinführung eine führende und verantwortliche Rolle übernehmen, so dass ein Krankenhaus nicht ein System „übergestülpt“ bekommt, sondern dass es passgenau in die Organisation eingebettet wird. Prozessoptimierung ist ein dynamischer Prozess mit einer ständigen Überwachung. Durch geeignete Entwicklung von Kennzahlen wird er die Prozess-Effizienz überwachen und auf Verbesserungspotential überprüfen.

Management & Krankenhaus: Warum sollte ein Prozessmanager direkt der Leitungsebene unterstellt sein?

Harald Roth: Der Prozessmanager hat eine abteilungsübergreifende Funktion. Er bereitet Prozessänderungsvorschläge vor, stimmt diese selbstverständlich mit den Fachabteilungen ab, aber ist in seinen Verbesserungsvorschlägen nur dem Krankenhausmanagement direkt verantwortlich. Es muss sichergestellt sein, dass er disziplinarisch nicht einer Abteilung unterstellt ist, die letztendlich durch Reorganisationsmaßnahmen positiv oder negativ betroffen ist. Als Beauftragter der Geschäftsleitung repräsentiert er deren Autorität und Durchsetzungsfähigkeit. Man sollte nicht denken, dass notwendige Prozessänderungen nur positive Zustimmung bei Mitarbeitern finden werden; insofern hat der Prozessmanager eine Reihe schwieriger Aufgaben bei der Vermittlung und Einführung neuer Unternehmensprozesse zu bewältigen.

Management & Krankenhaus: Welche Rolle spielt der Prozessmanager bei der Definition, Anschaffung und Implementierung unterstützender Systemen?

Harald Roth: Er spielt die zentralste Rolle überhaupt! Er hat die Bedürfnisse zu analysieren und nach der Sollkonzeption neuer Unternehmensprozesse die Leistungsanforderungen an neue unterstützende Systeme zu definieren. Er wird auch bereits eine mögliche Vorauswahl in Frage kommender Systeme treffen und das wichtigste: Er wird diese Systeme vor dem Kauf bzw. Einsatz kennenlernen, um seine Prozessorganisation auf die Systemfähigkeiten zu überprüfen. Nur wenn er die Fähigkeiten der möglichen Systeme vorher kennt, kann er die neuen Unternehmensprozesse optimal in ein anzuschaffendes System adaptieren. Wenn jemand – wie dies oft geschieht – nur auf der grünen Wiese beginnt, platte Leistungsanforderungen an Systeme zu definieren, ohne vorher deren Fähigkeiten umfassend zu kennen, wird nachher überrascht sein, wie oft das System vergewaltigt werden muss, um nur annähernd die Prozessabläufe rudimentär abbilden zu können. Darüber hinaus wird er elegante Fähigkeiten eines Systems nie nutzen, da er in der Optimierungsphase diese Möglichkeiten gar nicht kennen gelernt hat.

Management & Krankenhaus: Warum ist auch nach der Realisierungsphase einer Reorganisation ein Prozessmanager nötig?

Harald Roth: Wie schon erwähnt: Prozessoptimierung ist ein dynamischer Prozess, der ständig überwacht werden muss. Es wird nicht ausreichend sein, sich z.B. mit einem IT-Lieferanten über die Implementierung eines schicken Arbeitsablaufes zu einigen, wenn nachher nicht überprüft wird, ob zum einen dieser Unternehmensprozess von Mitarbeitern auch genutzt wird und ob die erwarteten Verbesserungen auch eingetreten sind. Der Prozessmanager wird dies monitoren und Kennzahlen ermitteln, inwieweit die Prozessoptimierung auch stattgefunden hat. – Ohne diese ständige Überwachung und Korrektur von Unternehmensprozessen ist eine Optimierung und Erschließung von weiteren Rationalisierungsreserven nicht möglich.

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