IT & Kommunikation

Vernetzung im Krankenhaus? Weiterhin unzureichend!

05.08.2020 -

Mehr Investitionen in Digitalisierung so nötig wie eine umfassende und ausgereifte elektronische Patientenakte.

Trotz zahlreicher Gesetzesinitiativen zur digitalen Transformation im Gesundheitswesen, scheint die Digitalisierung im Krankenhaus nicht wirklich voranzukommen. Oft werden geringe Finanzmittel, teilweise veraltete IT-Infrastrukturen und eine zu langsame Durchsetzung der elektronischen Gesundheitskarte als Grundlage für die Vernetzung nach innen und außen genannt. Dr. Karl Blum, Vorstand des Deutschen Krankenhausinstituts, Düsseldorf erläutert, was jetzt geschehen muss.

M&K: In einer Studie aus dem Jahr 2019, die das Deutsche Krankenhausinstitut mit in Auftrag gegeben hat, stellen Sie fest, dass fast die Hälfte der befragten Krankenhäuser die IT-Infrastruktur für teilweise veraltet und intern wie extern zu wenig vernetzt hält. Hat sich an diesem Befund seitdem etwas geändert? Welche Bereiche müssten dringend mehr vernetzt werden?

Dr. Karl Blum: Wir hatten 2019 eine Studie zum Stand der Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern durchgeführt, die - wie auch schon andere Studien zuvor – zu dem Ergebnis kam, dass die Krankenhäuser in Deutschland im internationalen Vergleich etwas hinterherhinken. Das betrifft tatsächlich sowohl die interne Digitalisierung als auch die Vernetzung zu externen Partnern, insbesondere zu anderen Leistungserbringern, teilweise auch zu Kostenträgern. In dieser kurzen Zeit seit 2019 hat sich an unserem Befund wenig verändert.

Die größte Herausforderung stellt sicherlich die weiterhin unzureichende interne wie externe Vernetzung dar. Es gibt in vielen Krankenhäusern noch keine umfassende und ausgereifte elektronische Patientenakte, in der Informationen zentral gesammelt, abgerufen und organisiert werden. Hinzu kommt, dass die Vernetzung mit den vor- und nachstationären externen Leistungserbringern vielfach unzureichend ist. Das liegt vor allem daran, dass es nach wie vor noch keine elektronische Gesundheitskarte in der ursprünglich vorgesehenen Form gibt. Das wäre eine zentrale Akte, die den Behandlungsverlauf und den Krankheitsanamnese eines Patienten in den letzten Jahren, aber auch die Medikation und sonstige Leistungen sektorübergreifend erfasst. Die behandelnden Leistungserbringer, etwa im Krankenhaus oder im ambulanten Bereich, könnten diese Informationen in Echtzeit abrufen und in den Versorgungsprozess integrieren. 

Eigentlich gewinnt man angesichts der zahlreichen Gesetzesinitiativen des Bundesministeriums der Gesundheit in den letzten zwei, drei Jahren den Eindruck, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen in diesem Zeitraum einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht hat. Ihrer Erhebung zufolge ist das aber nicht wirklich der Fall. Was muss geschehen, damit die Vernetzung mehr Schub bekommt?

Blum: An erster Stelle muss sich bei der Finanzierung der Krankenhäuser etwas tun. Die öffentlichen Fördermittel für Krankenhausinvestitionen, reichen bei weitem nicht aus, um den Investitionsbedarf zu decken. Faktisch bestreiten Krankenhäuser nur noch die Hälfte ihrer Investitionen aus öffentlichen Fördermitteln. Eine weitergehende Digitalisierung mit allen telemedizinischen und telematischen Möglichkeiten bedarf eines entsprechenden Investitionsprogramms. Im so genannten Strukturfonds III der Bundesregierung ist das im Prinzip vorgesehen. Die Bundesregierung hat signalisiert, dass sie auch die Krankenhäuser mit einem Betrag von drei Milliarden Euro unterstützen will, der ausdrücklich dem Ausbau und der Digitalisierung im Krankenhaus dienen sollen. Das entsprechende Gesetz muss jetzt auf dem Weg gebracht werden. Man darf gespannt sein, ob diese Beträge wirklich in die Krankenhäuser fließen, wie sie verteilt werden und was damit konkret finanziert wird. Im Idealfall würde das einen kräftigen Innovations- und Digitalisierungsschub in den Krankenhäusern auslösen.

Personell, das hatten wir in der Studie auch deutlich herausgearbeitet, sind die Krankenhäuser im IT-Bereich schlecht ausgestattet. Sie haben zum einen relativ wenige Mitarbeiter in den IT-Abteilungen, gerade wenn man bedenkt, wie viele Mitarbeiter ein Krankenhaus insgesamt hat. Hinzu kommt, dass die IT-Mitarbeiter häufig nicht optimal qualifiziert sind, die Akademikerquote ist relativ niedrig. Krankenhäuser müssen mit anderen Branchen, die deutlich höhere Gehälter zahlen, um die IT-Fachkräfte konkurrieren – und geraten dabei häufig ins Hintertreffen. Hier muss sicherlich auch einiges passieren, um die Digitalisierung operativ voranzutreiben, das heißt die IT-Abteilungen müssen qualitativ und quantitativ deutlich ausgebaut werden.

Halten Sie die Corona-Krise für einen Katalysator für die Vernetzung im Krankenhaus, sprich hat die Notwendigkeit zur engen Zusammenarbeit im Gesundheitswesen einen Bewusstseinswandel bewirkt? Oder wird sich, z.B. durch minderbelegte Betten und ausgebliebene Operationen aufgrund der Corona-Maßnahmen, die Finanzierungskrise für Krankenhäuser sogar noch verschärfen?

Blum: Die Corona-Krise hat in vielen Bereichen für das Thema Digitalisierung sensibilisiert, sei es in der Arbeitswelt oder auch im Bildungsbereich. Im Krankenhausbereich sehe ich indes keine unmittelbaren Auswirkungen. Wenn man so will, zeigt die Corona-Krise aber dennoch eine mittelbare Auswirkung für Krankenhäuser, wenn das gerade erwähnte Konjunkturpaket aufgelegt werden wird. Das würde dazu führen, dass sie einen Betrag einen Milliardenbetrag für ihre Digitalisierung erhalten würden.

Ein Kernproblem beim Thema Vernetzung ist ja auch die intersektorale Operabilität. Welche Initiativen halten Sie für wichtig, um die Operabilität voranzubringen?

Blum: Hier halte ich zum einen die elektronische Gesundheitskarte für sehr wichtig, damit man sektorübergreifend Daten einstellen und abrufen kann. Zum anderen erscheinen, gerade im Hinblick auf die Behandlungsqualität, telemedizinische und telematische Anwendungen, von größer Bedeutung. So können etwa im Kontext von Telemonitoring. Experten auch aus räumlicher Ferne zum Patienten ihren Input zu Diagnostik und Therapie geben. In diesen Anwendungen steckt sicherlich ein großes Potenzial. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Themenbereich künstliche Intelligenz (KI). Mit KI wird der Arzt oder die Ärztin bei der Entscheidungsfindung in Diagnostik und Therapie durch entsprechende Algorithmen und IT-Programme unterstützt, um unter Zuhilfenahme von evidenzbasiertem Wissen die Entscheidungen KI-gestützt zu verbessern.

Zur Person

Dr. Karl Blum ist Vorstand des Deutschen Krankenhausinstituts und Leiter des Geschäftsbereichs Forschung. Er studierte Politik- und Gesundheitswissenschaften in München und Bielefeld. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Krankenhaus- und Versorgungsforschung.

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