Labor & Diagnostik

Zielgerichtete Krebstherapie braucht Biomarker

Behandlungsfortschritte bei Lungen- und Darmtumoren

25.03.2010 -

Der Gendiagnostik kommt heute bereits eine unverzichtbare Rolle in der Krebsforschung zu - immer wichtiger wird sie auch für die Krebstherapie. Bei der gegenwärtig von der Deutschen Krebshilfe betriebenen Einrichtung von elf onkologischen Spitzenzentren, die sich am Vorbild der amerikanischen Comprehensive Cancer Center orientieren, sind entsprechend ausgestattete Labore deshalb eine essenzielle Schnittstelle zwischen Patientenversorgung, klinischer Forschung und Grundlagenforschung, wie beim diesjährigen Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung in Berlin deutlich wurde.

Ein Beispiel dafür ist das Labor für translationale Krebsgenomik des Zentrums für integrierte Onkologie (CIO) Köln-Bonn. „Diese translationale Struktur ermöglicht eine genetische Diagnose von Krebspatienten, wodurch wir gezielte Therapien individuell optimieren können", sagte Prof. Michael Hallek, Sprecher des CIO Köln-Bonn und zusammen mit Prof. Peter Scriba aus München wissenschaftlicher Leiter des Symposiums über „Aktuelle Trends und Paradigmenwechsel in der onkologischen Therapie".

Zwar erweisen sich die seit einigen Jahren verfügbaren neue Krebsmedikamente - vorwiegend monoklonale Antikörper und Kinase-Inhibitoren - gegen manche Tumoren als wesentlich wirksamer und verträglicher als die herkömmlichen Chemotherapien. Sie greifen zielgerichtet in die Wachstums- und Versorgungswege dieser Tumoren ein und können das Leben vieler Patienten deutlich verlängern. Ob ein Patient allerdings überhaupt auf ein solches Medikament anspricht, kann von genetischen Faktoren abhängen, deren Einfluss durch geeignete Biomarker vor Behandlungsbeginn bestimmt werden sollte. „Wenn wir nicht lernen, die teuren neuen Medikamente gezielt denjenigen Patienten zu geben, bei denen sie wirken, kollabiert unser Gesundheitssystem", erklärte Prof. Jürgen Wolf vom CIO Köln-Bonn. Sein Vortrag behandelte die weltweit häufigste Krebstodesursache, das nicht-kleinzellige Bronchialkarzinom (NSCLC), bei dem auch die Behandlung mit dem Antikörper Bevacizumab plus Chemotherapie die mittlere Überlebenszeit bei nicht stratifizierten Patienten nur um zwei Monate im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie verlängern konnte. Die Behandelbarkeit eines NSCLC hängt offenbar von der individuellen Beschaffenheit des Rezeptors für den epidermalen Wachstumsfaktor (EGFR) ab. Patienten mit bestimmten Mutationen des EGFR zeigten in Phase-II-Studien unter der Behandlung mit Kinase-Inhibitoren ungewöhnlich hohe Ansprechraten von über 70% und eine mittlere Überlebenszeit von knapp zwei Jahren. Eine jüngst publizierte, randomisierte Phase-III-Studie bestätigte das prädiktive Potential einer EGFR-Mutation für die Behandlung mit dem Kinase-Inhibitor Gefitinib gegenüber einer Chemotherapie. Interessanterweise war die Situation bei Patienten mit nicht mutiertem EGFR genau umgekehrt: Sie sprachen deutlich besser auf eine Chemotherapie an. „Wir brauchen also eine qualitativ hochwertige EGFR-Mutationsdiagnostik im Tumorgewebe für die klinische Routine", resümierte Wolf und wies darauf hin, dass bei NSCLC-Patienten bereits „weitere Aberrationen als potentielle Zielstrukturen für targeted drugs identifiziert" worden seien.

„Der Druck, prädiktive Marker zu finden, wird enorm wachsen", bestätigte auch Priv.-Doz. Ulrich Graeven von den Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach. So habe kürzlich mit dem Protein kras der erste prädiktive Biomarker Einzug in die Therapie des fortgeschrittenen kolorektalen Karzinoms gehalten. „Die Anwendung der Antikörper Cetuximab und Panitumumab ist in dieser Indikation seit 2008 an den Nachweis eines nicht mutierten kras-Proteins gebunden." Die beiden Antikörper hemmen zwar primär EGFR. Kras ist aber ein molekularer Schalter, der auf Signalwegen, die über EGFR vermittelt werden, eine Schlüsselrolle spielt. Bei Patienten, die eine kras-Mutation aufweisen, scheint dieser Signalweg so überaktiviert zu sein, dass eine EGFR-Hemmung kaum wirkt: 93% der kras-mutierten Patienten zeigen kein Ansprechen auf eine entsprechende Therapie! Dass sich auch bei Patienten ohne Mutation nur zur Hälfte eine signifikante Wirkung einstelle, lasse vermuten, dass weitere Signalmoleküle als prädiktive Marker notwendig seien, deren Aussagekraft teilweise bereits erforscht und evaluiert werde: „Die individuelle Kombination verschiedener Marker und Faktoren wird in Zukunft zunehmend den Erfolg der onkologischen Therapie bestimmen."

Aus dieser Perspektive, das zeigte das Symposium der Paul-Martini-Stiftung, leitet sich eine neue und vielversprechende Herausforderung für die Laboratoriumsmedizin ab: Eine erstklassige und personalisierte Genomdiagnostik in Echtzeit bereitzuhalten, um die Prognosen von Krebspatienten gezielt zu verbessern.

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